Sie hielt die Häkelarbeit in den Händen, häkelte aber nicht daran, sondern sah ihn mit einem sonderbaren, funkelnden, unfreundlichen Blicke an.
»Heute morgen hat mich Lisa besucht – die Damen scheuen sich noch nicht, mit mir zu verkehren, trotz der Gräfin Lydia Iwanowna«, schaltete sie ein – »und mir von eurer athenischen Soiree erzählt. Wie ekelhaft!«
»Ich wollte nur sagen, daß ...«
Sie unterbrach ihn.
»War das jene Französin Therese, mit der du früher bekannt warst?«
»Ich wollte sagen ...«
»Wie abscheulich seid ihr Männer doch! Könnt ihr denn nicht begreifen, daß eine Frau so etwas nicht vergessen kann?« sagte sie; sie wurde dabei immer heftiger und verriet ihm dadurch die Ursache ihrer Gereiztheit. »Besonders eine Frau, die nicht wissen kann, wie du fern von ihr lebst. Was weiß ich denn von deinem Leben? Was habe ich denn davon gewußt? Nur was du mir sagst. Und woher soll ich wissen, ob du mir die Wahrheit sagst?«
»Anna, du kränkst mich. Glaubst du mir denn nicht? Habe ich dir nicht gesagt, daß in meinem Kopfe kein Gedanke ist, den ich dir nicht mitteilen würde?«
»Ja, ja«, antwortete sie, sichtlich bemüht, ihre eifersüchtigen Regungen niederzukämpfen. »Aber wenn du wüßtest, wie schwer mir ums Herz ist! ... Ich glaube dir ja, ich glaube dir ... Also was wolltest du sagen?«
Aber er konnte sich nicht sogleich erinnern, was er hatte sagen wollen. Diese Anfälle von Eifersucht, die sich in der letzten Zeit immer häufiger bei ihr wiederholten, erschreckten ihn und machten, wie sehr er dies auch zu verbergen suchte, sein Gefühl ihr gegenüber kälter, obschon er wußte, daß die Ursache dieser Eifersucht lediglich ihre Liebe zu ihm war. Wie oft sagte er sich, daß sein Glück darin bestehe, von ihr geliebt zu werden; und nun liebte sie ihn mit aller Kraft, mit der ein Weib nur lieben konnte, dem die Liebe höher stand als alle Güter des Lebens – und doch war er jetzt viel weiter davon entfernt, sich glücklich zu fühlen, als damals, wo er ihr aus Moskau nachgereist war. Damals hatte er sich für unglücklich gehalten und sein Glück von der Zukunft erwartet; aber jetzt fühlte er, daß das schönste Glück bereits hinter ihm lag. Sie war ganz und gar nicht mehr so, wie er sie in der ersten Zeit gesehen hatte. Seelisch und körperlich hatte sie sich zu ihrem Nachteil verändert. Ihre ganze Figur hatte sich verbreitert, und auf ihrem Gesichte lag, als sie von der Schauspielerin sprach, ein böser Ausdruck, der es unangenehm entstellte. Er betrachtete sie, wie jemand eine Blume betrachtet, die er gepflückt hat, und die nun verwelkt, so daß er nur mit Mühe an ihr die Schönheit wiedererkennt, um derentwillen er sie gepflückt und zugrunde gerichtet hat. Und trotzdem fühlte er, daß er damals, als seine Liebe stärker war, imstande gewesen wäre, wenn er es ernstlich gewollt hätte, diese Liebe aus seinem Herzen herauszureißen; aber jetzt, wo er, wie in diesem Augenblicke, keine Liebe zu ihr zu empfinden meinte, war er sich bewußt, daß das Band, das ihn an sie knüpfte, nie zerreißen konnte.
»Nun also, was wolltest du mir von dem Prinzen erzählen? Ich habe den Teufel ausgetrieben, gewiß, ich habe ihn ausgetrieben«, fügte sie hinzu. »Teufel« war im Verkehr zwischen ihnen die Bezeichnung der Eifersucht. »Ja, also was fingst du an, von dem Prinzen zu erzählen? Warum ist dir denn die Sache so widerwärtig gewesen?«
»Ach, es war geradezu unerträglich!« antwortete er und bemühte sich, den verlorenen Gedankenfaden wiederzufinden. »Er gewinnt nicht bei näherer Bekanntschaft. Wenn ich dir einen Begriff von ihm geben soll: er ist ein vortrefflich gefüttertes Stück Vieh, wie sie auf den Ausstellungen die ersten Preise bekommen, weiter nichts«, sagte er in einem ärgerlichen Tone, durch den ihre Aufmerksamkeit erregt wurde.
»Aber wie kann das nur sein?« erwiderte sie. »Er hat doch vieles gesehen und ist ein gebildeter Mensch?«
»Das ist eine ganz andere Art von Bildung, die Bildung solcher Leute. Auch was er von Bildung besitzt, hat er sich offenbar nur deshalb angeeignet, um ein Recht zu haben, die Bildung gering zu schätzen, wie denn diese Leute alles gering schätzen, mit Ausnahme der sinnlichen Vergnügungen.«
»Aber ihr alle liebt ja diese sinnlichen Vergnügungen«, sagte sie, und wieder bemerkte er ihren finsteren Blick, der es vermied, sich auf ihn zu richten.
»Warum verteidigst du ihn denn so?« fragte er lächelnd.
»Ich verteidige ihn nicht; er ist mir vollständig gleichgültig. Aber ich meine, wenn du nicht selbst diese Vergnügungen liebtest, so hättest du ja den Auftrag ablehnen können. Aber es macht dir Vergnügen, diese Therese im Evagewande zu sehen ...«
»Da ist der Teufel doch wieder«, sagte Wronski, ergriff ihre auf dem Tische liegende Hand und küßte sie.
»Ja, aber ich kann mich nicht zwingen! Du weißt nicht, welche Pein ich ausgestanden habe, während ich auf dich wartete! Ich meine, daß ich nicht eifersüchtig bin. Ich bin nicht eifersüchtig; ich vertraue dir, wenn du hier bist, bei mir bist; aber wenn du irgendwo anders allein dein mir unverständliches Leben führst ...«
Sie bog sich von ihm weg, machte endlich den Häkelhaken aus der Arbeit los, und schnell bildete sich nun mit Hilfe des Zeigefingers Masche auf Masche aus der weißen, im Lampenlichte schimmernden Wolle, und schnell und nervös drehte sich das feine Handgelenk in der gestickten Manschette hin und her.
»Nun, und wie war es denn damit? Wo bist du mit Alexei Alexandrowitsch zusammengestoßen?« fragte sie auf einmal mit unnatürlich klingender Stimme.
»Wir trafen in der Tür aufeinander.«
»Und er hat dich so gegrüßt?«
Sie zog das Gesicht in die Länge, änderte, indem sie die Augen halb zudrückte, schnell ihre ganze Miene, legte die Hände zusammen, und Wronski er blickte auf ihrem schönen Antlitz plötzlich genau denselben Ausdruck, mit dem Alexei Alexandrowitsch ihn gegrüßt hatte. Er lächelte, und sie lachte fröhlich auf mit jenem hübschen, aus voller Brust kommenden Lachen, das einen ihrer Hauptreize bildete.
»Ich habe für sein Verhalten schlechterdings kein Verständnis«, sagte Wronski. »Wenn er nach dem, was du ihm im Landhause mitgeteilt hast, mit dir gebrochen hätte, wenn er mich zum Duell gefordert hätte ... Aber das begreife ich nicht: wie kann er eine solche Lage ertragen? Daß er darunter leidet, ist ja deutlich.«
»Der?« erwiderte sie höhnisch. »Der ist vollständig zufrieden.«
»Weshalb müssen wir alle eine solche Pein ausstehen, während doch alles so gut sein könnte?«
»Er ist der einzige von uns, der nicht leidet. Ich kenne ihn ja, ich kenne die Unwahrhaftigkeit, mit der sein ganzes Wesen durchtränkt ist. Ist es denn möglich, daß jemand, der auch nur eine Spur von Gefühl besitzt, so lebt, wie er mit mir lebt? Er begreift nichts, er fühlt nichts. Ist es denn möglich, daß ein Mensch, wenn er nicht aller Empfindung bar ist, mit seinem verbrecherischen Weibe unter einem Dache lebt, mit ihr spricht, du zu ihr sagt?«
Und wieder kam sie unwillkürlich darauf, ihm nachzumachen: »Du, ma chère, du, Anna!«
»Das ist kein Mann, kein Mensch, das ist eine Puppe. Das weiß sonst niemand; aber ich weiß es. Oh, wenn ich an seiner Stelle wäre, ich hätte längst so eine Frau, wie ich eine bin, getötet, in Stücke zerrissen und würde nicht zu ihr sagen: ›Du, ma chère, Anna!‹ Das ist kein Mensch, das ist eine dem Ministerium gehörige Maschine. Er begreift nicht, daß ich dein Weib bin, daß er ein Fremder, eine überflüssige Person ist ... Wir wollen nicht mehr von ihm sprechen, nein, nein!«
»Du bist ungerecht, sehr ungerecht, Liebste!« erwiderte Wronski, bemüht, sie zu beruhigen. »Aber ganz gleich, wir wollen nicht weiter von ihm reden. Erzähle mir lieber, was du inzwischen getan hast. Wie geht es dir? Was ist das für eine Krankheit, von der du mir schriebst, und was hat der Arzt gesagt?«
Sie sah ihn mit spöttischer Freude an. Offenbar waren ihr noch andere komische und häßliche Züge ihres Mannes eingefallen,