Die Revolution der Bäume. H. C. Licht. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. C. Licht
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753194868
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mit ihm austauschen wollte, hat er nur stumm da gehockt, jede Art von Kommunikation massiv abgeblockt und vor sich hin gebrütet. Im Grunde genommen kann er ihr gar keinen Vorwurf machen, sie hat alles gegeben, um ihn aus seinem Schneckenhaus zu locken.

      Irgendwann muss sie wohl aufgegeben haben, jedenfalls hat sie plötzlich dicht gemacht und nur noch an ihm herum genörgelt. Was genau der Auslöser war, weiß er nicht, aber in dieser Phase der einseitigen Auseinandersetzung, hat er den unverzeihlichen Fehler begangen, sich gänzlich in die Defensive drängen zu lassen. Am Ende stellte er frustriert fest, dass er, außer in Form von lauen Rechtfertigungen, gar nichts mehr zu melden hat.

      Ab diesem Moment brauchte Elena ihre Meinung über ihn gar nicht mehr zu äußern, in ihrem säuerlichen Alltagsgesicht trug sie ihre Verachtung nur allzu deutlich vor sich her. So wurde seine Frau zu seinem Spiegel, und der verkündete eine unmissverständliche Botschaft. Sie hat allen Respekt vor ihm verloren.

      Eine bittere Erkenntnis, an der kein Weg vorbei führt. Er weiß, das es Zeit wird, sich der Tatsache zu stellen, dass ihr eheliches Gleichgewicht arg in Schräglage geraten ist. Nachdem er die Zügel viel zu lange schleifen ließ, muss er jetzt dafür sorgen, dass es wieder hergestellt wird.

      Erwins Schwanz kann sich für seine Gedankengänge nur wenig begeistern und reagiert prompt mit einem spürbaren Verlust an Härte. Frustrierende Wahrheiten törnen ab, mindern den spontanen Ausbruch der Gier. Früher hat er manchmal beim Sex auf diese Methode zurückgegriffen, um einen frühzeitigen Orgasmus seinerseits zu verhindern. Heute kann er von erregenden Penetrationen nur noch träumen oder müsste sich dazu aufraffen, ein Bordell zu besuchen, aber käuflichen Sex findet er leider überhaupt nicht geil.

      Lustlos wichst er weiter. Mehr aus öder Gewohnheit, als aus Geilheit, versucht er seinen nur auf Halbmast erigierten Pferdepimmel wieder in Form zu bringen. Doch sein Kopf will partout nicht mitspielen. Anstatt abzuschalten, produziert er einen endlosen Malstrom aus Grübeleien, Bandwürmer aus sinnlosen Assoziationen.

      Die Ehe ist ein Schlachtfeld, vielleicht das grausamste überhaupt. Nicht ohne Grund sagt man, dass in der Liebe und im Krieg alles erlaubt ist. Da sind jegliche Bedenken, seien sie moralischen oder sonstigen humanistischen Ursprungs, vollkommen überflüssig. Ein richtiger Pfundskerl wie er darf auch im Eheleben keine halben Sachen machen, sonst gerät er schnell in die Rolle des bedürfnislosen Versorgers und macht sich zum Kasper. Gerade die, im Grunde genommen banalen Niederlagen, die er im Laufe der alltäglichen Meinungsverschiedenheiten um die Organisation eines gemeinsamen Haushalts über sich ergehen lassen muss, schlagen schwer auf das Gemüt und können sich zu regelrechten Kleinkriegen entwickeln.

      Sein Penis verliert mit jedem weiteren dieser trübsinnigen Gedanken zunehmend an Standhaftigkeit, doch Erwins Faust lässt nicht locker und kämpft verbissen gegen jedes Zeichen von Schwäche an.

      Dem Feind im eigenen Bett ist kaum ein Mann gewachsen. Welche Chance hat man gegenüber einem Gegner, der einen an den Eiern hat?

      Elena gehört zur Spezies der hochintelligenten Frauen, die ihre emotionale Überlegenheit knallhart ausspielen und niemals ihr Ziel verfehlen. Mit eiskalter Routine trifft sie stets mitten ins Schwarze, mitten hinein in das schutzlose, butterweiche Mark seiner Männlichkeit.

      Zumindest in diesem Punkt ist sie wie alle Weiber, da ist er sich sicher. Diese sind von Natur aus mit der Gabe des skrupellos selbstsüchtigen Kleinkrieges gesegnet. Sie kommen schon voll ausgestattet mit den subtilsten Folterwerkzeugen auf die Welt, mit betörend sinnlichen Mündern, die sie schamlos als Maschinengewehre missbrauchen und aus denen sie pausenlos geschliffene Wortsalven abfeuern.

       Doch das reicht ihnen noch lange nicht. Bis zur Perfektion, feilen sie ihr Leben lang an ihren rhetorischen Fähigkeiten. Sie arbeiten an sich, bis sie wahre Meister des mikroskopisch präzise ausgeführten Seitenhiebes sind, einer Kriegsstrategie, die heimtückisch aus dem Hinterhalt kommt und den Vorteil der Überraschung schamlos ausnutzt. Wenn sie erst einmal in diesem Stadium der sprachlichen Überlegenheit angelangt sind, kennen sie keine Gnade mehr. Unentwegt bombardieren sie die Männer mit kritischen Bemerkungen, feuern diese mit schlafwandlerischer Sicherheit in jeden ihrer wunden Punkte, schmerzhaft wie Messerstiche.

       Es bereitet ihnen sogar regelrecht Vergnügen, verbale Spitzfindigkeiten auszubaldowern und sie in einen toxischen Sud aus bitteren Vorwürfen und listigen Schuldzuweisungen zu tränken. Sie weiden sich daran, ihre Gegner zu beobachten, die sich unter dem Ansturm der Giftpfeile winden, deren Spitzen, gleich hauchdünnen Injektionsnadeln, unter die dickste Haut dringen und im sensiblen Innenleben der Männer irreparable Schäden verursachen.

      Inzwischen lässt das sonst so prachtvolle Gemächt ernsthaft den Kopf hängen und das Glücksgefühl aus Erfolg und Lust droht vollends zu versickern. Doch Erwin gibt nicht auf.

      Er sieht sie quasi vor sich, die sich ständig wiederholenden, immer gleichen Situationen, Geschichten aus dem Inneren eines Hamsterrades. Da kann er noch so poltern und toben, bei solchen Auseinandersetzungen hat er keine Chance und zieht unweigerlich den Kürzeren. Seine Frau nennt diese unfairen Scharmützel vornehm Streitkultur und behauptet steif und fest, dass sie eine moderne, funktionierende Beziehung überhaupt erst ausmachen und beflügeln. Obwohl sie weiß, dass er unter ihrer Strategie der Disharmonie und des vorsätzlichen Liebesentzugs leidet wie ein getretener Hund, setzt sie immer noch einen oben drauf und attackiert mitleidlos seine Schwachstellen.

      Dabei geht ihr offensichtlich echt einer ab. Ihre Stimmung ist nach jedem dieser spitzzüngigen Wortgefechte blendend, er hingegen fühlt sich danach restlos entmutigt und zutiefst verletzt. Diese Demütigungen nagen massiv an seinem Selbstwertgefühl. Wohin so etwas am Ende führt, kann man in jedem beliebigen Lifestyle-Magazin lesen. Es mündet auf direktem Weg in eine tragikomische Randexistenz als impotenter Vollidiot.

      Erwin gibt das Ringen um die Vorherrschaft in der Welt seiner Gedanken auf, ebenso wie die Hoffnung auf eine entspannende Ejakulation. Resigniert seufzend verstaut er seinen schlaffen Schwanz und zündet sich noch einen Glimmstengel an.

      Geistige Disziplin heißt das Zauberwort. Er wird sich jetzt zusammenreißen und lernen, klare Standpunkte zu beziehen. Wo ein Mann kein Mann sein kann, muss er die Verhältnisse entweder grundlegend umkrempeln oder schleunigst das Weite suchen.

      2 / Erleuchtete Narren grünen grüner

      Auf der Lichtung könnte man die berühmte Stecknadel fallen hören. Tiere, Pflanzen, Insekten, Reptilien, alle Bewohner des Waldes sind auf das Äußerste gespannt. Aufgeregtes Knistern, Summen und Brummen erfüllt die Luft, überall Zischeln, Raunen und Schaben, und hier und da auch ein verhaltenes Hecheln.

      Würde an diesem heißen Sommertag ein Exemplar der Gattung Mensch unter dem dichten Blätterdach nach etwas Abkühlung suchen, so würde es sich über die paradiesische Ruhe freuen und die unerträgliche Anspannung vermutlich gar nicht registrieren, die wie ein Netz aus blank liegenden Nerven den Wald umspannt. Eine Ungeduld, die jedes lebendige Wesen erfüllt und schon nächtelang kaum Schlaf finden lässt.

      Vor gut einer Woche ist die Träumerin zu einer Reise in die andere Welt aufgebrochen, um vom Himmel aus auf die Erde zu schauen und nach Zeichen der Vorhersehung zu suchen. Sie weiß, dass die Augen aller auf sie gerichtet sind und will die hochgesteckten Erwartungen keinesfalls enttäuschen. Schließlich ist die Gemeinschaft der Waldbewohner auf ihre Weissagungen angewiesen.

       Natürlich haben alle Bewohner des Waldes eine gewisse mediale Begabung, das steckt in ihrer Natur, aber nach Ansicht der Eiche wurde ihr diese Aufgabe gewissermaßen in die Wiege gelegt. Ihrer Meinung nach geht aus Jahrtausenden akribisch dokumentierter Baumgeschichte die unwiderlegbare Tatsache hervor, dass kein anderes Lebewesen so hervorragende Antennen hat wie die Baumart, von der sie abstammt. Darüber hinaus ist sie immens stolz auf die mannigfaltigen Erfahrungswerte, die sie in über fünfhundert Lebensjahren sammeln konnte. Dadurch empfindet sie sich als geradezu prädestiniert für das Hochamt der Seherin.

      Abgesehen von den guten Voraussetzungen, die sie mitbringt, hält