Die Revolution der Bäume. H. C. Licht. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. C. Licht
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753194868
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      H. C. Licht

      Die Revolution der Bäume

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1 / Im Sägewerk

       2 / Erleuchtete Narren grünen grüner

       3 / Bei Nacht und Nebel

       4 / Frauenpower

       5 / Ein Kind dieser Erde

       6 / Unausgesprochene Gedanken

       7 / Auf Konfrontationskurs

       8 / Lustgewinn

       9 / Gefühlschaos

       10 / Eine engelsgleiche Erscheinung

       11 / Frischer Wind

       12 / Die Ruhe vor dem nächsten Sturm

       13 / Spontanheilung

       14 / Bestückt wie ein Hengst

       15 / Lisas Befürchtung

       16 / Erwins Mondfahrt

       17 / Der Anschlag

       18 / Hermanns letzte Reise

       19 / Der Naturmaler

       20 / Eine Geste der Versöhnung

       21 / Alle für einen

       Impressum neobooks

      1 / Im Sägewerk

      Am Arsch der Zeit schabt sich eine Fliege ihre Fühler wund. Orientierungslos kreiselt sie vor den staubigen, mit längst verwaisten Spinnweben verzierten Fensterscheiben. Sie ist kurz davor, aufzugeben. Seit einer gefühlten Ewigkeit versucht sie, hinaus ins Freie zu gelangen. Vom ersten verheißungsvoll rosigen Schein des Sonnenaufgangs bis zum Verglimmen des abendlichen Dämmerlichts, schlägt sie mit ihren zart geäderten Flügeln gegen das Glas und bestaunt das seltsam vertraut wirkende Scheitern ihres Spiegelbildes.

      Nicht, dass es in der Halle nichts zu fressen und zu trinken gäbe oder es in ihr besonders unbehaglich wäre, aber man lebt nicht vom Brot allein. In der Nacht zuvor hat sie von weitläufigen Wiesen und den vielfältigen Grüntönen der sich sacht im Wind wiegenden Pflanzen geträumt. Die warme Luft war erfüllt vom vielversprechenden Aroma des Sommers und dem emsigen Summen der Bienen, die den süßen Nektar aus den Blüten der Wildblumen saugten.

      Im Schlaf hat sie in das lebendige Herz einer bunten, fantastisch facettenreichen Welt geschaut, in die selbe, die hinter der schmutzigen Fensterscheibe lockt, sich bis an den Horizont erstreckt. Der Traum hat ihre Sehnsucht nach der großen Freiheit noch befeuert. Inständig wünscht sie sich, dort draußen auf Entdeckungsreise zu gehen. Schon die bloße Vorstellung, die Grenzenlosigkeit jenseits ihres Gefängnisses doch noch erfahren zu können, entzündet den winzigen Funken Hoffnung in ihr immer wieder aufs Neue.

      Sich das Dasein als Gefangene schön zu reden hieße, sich dem Schicksal zu ergeben. Doch den Kampf um die Freiheit aufzugeben, kommt für die Fliege nicht in Frage. Wie alle ihre Artgenossen, die kleinen und kleinsten Lebewesen, besitzt sie das Naturell einer Kriegerin. Dennoch, das muss sie sich während einer längeren Verschnaufpause schmerzlich eingestehen, das vergebliche Suchen nach einer Fluchtmöglichkeit macht sie müde, todmüde.

      Genau in dem Moment, als die Fliege beschließt, eine Ruhepause einzulegen und für ein erholsames Nickerchen die Augen schließen will, öffnet sich an der Längsseite der Halle eine Tür. Fassungslos registriert sie das verheißungsvolle Aufblitzen des Tageslichts, es füllt den gesamten Türrahmen aus.

      Das ist ihre heiß ersehnte Chance! Ihre winzigen Füßchen hinterlassen eine undefinierbare Spur im Staub des Fensterbretts, während sie ohne zu zögern, Anlauf nimmt. Dann fliegt sie, Volldampf voraus, auf das riesige Wesen zu, das gerade den Raum betritt. Kurz bevor die Tür donnernd ins Schloss fällt, erreicht sie die grob gezimmerte Bodenschwelle und wird von einem gnädigen Luftzug ins Freie gewirbelt.

      Einen Augenblick lang liegt sie benommen auf der, von einem nachmittäglichen Regenschauer noch feuchten, im warmen Sonnenlicht schwarz dampfenden Erde, rappelt sich schließlich auf und bewegt prüfend ihre zarten Flügel. Sie haben den Sturz heil überstanden. Erst da realisiert sie, dass sie draußen, in der freien Natur ist. Erstaunt beäugt sie die vor Lebenslust brodelnde Welt um sich herum und atmet beglückt die frische Luft ein.

      Sie hat es tatsächlich geschafft. Ein Freudenschrei und sie hebt ab, saust blitzartig wie ein Senkrechtstarter dem kobaltblauen Himmel entgegen. Angesichts einer Drossel, die sie sogleich ins Visier nimmt und pfeilschnell auf sie zu geflattert kommt, überlegt sie es sich dann doch noch anders und verschwindet mit einem elegant ausgeführten Flugmanöver zwischen wogenden, langstieligen Gräsern.

      Der Mann mittleren Alters schlendert ziellos bis zur Mitte der Halle. Rein äußerlich betrachtet, ist er ein ziemlicher Hüne, misst knapp zwei Meter, wie er selbst immer zu sagen pflegt, aber genau genommen sind es nur ein Meter und fünfundneunzig Zentimeter. So lautet jedenfalls seine offizielle, im Personalausweis angegebene Körpergröße.

      Auch wenn er manchmal zu Übertreibungen neigt, hat es Mutter Natur tatsächlich gut mit ihm gemeint. Alles an ihm spielt sich im Bereich zwischen sehr gut gewachsen und eher riesig ab, von seinem kantigen Schädel über seinen breiten, behaarten Brustkorb, bis hinunter zu seinen Quadratlatschen. Das an einen ausgewachsenen Zuchthengst erinnernde fleischgewordene Phänomen, das zwischen seinen Beinen baumelt, ist dermaßen üppig proportioniert, dass allein sein Anblick schon so manche Frau auf Nimmerwiedersehen in die Flucht geschlagen hat.

      Erwin Wolf ist der sprichwörtliche Baum von Mann, einer, der einem Bilderbuch entsprungen sein könnte, das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts verfasst wurde, Kindermärchen voller altmodischer Ideale, in denen Gut und Böse noch sauber voneinander getrennt waren. Das leibhaftige Vorbild für einen sagenhaften Drachentöter aus einer längst vergangenen Epoche, als Begriffe wie Body-Mass-Index und Transgender noch keine Rolle spielten.

      Sein