Diese Kombination von Belastungsfaktoren führt dazu, dass die Führungskräfte sich ihren Aufgaben aufgrund der vielfältigen emotionalen Stressoren nicht mit der notwendigen inneren Ruhe und Kreativität widmen können. Sie erledigen ihren Job nach Vorschrift, oft genug sogar mit Hilfe von fragwürdigen Methoden, um gegenüber ihren internen Konkurrenten nicht das Nachsehen zu haben. Erneuerungen, die zu Kosten und vorläufigen Reibungsverlusten führen könnten, werden schon aus diesem Grund von den Verantwortlichen oft gar nicht erst ins Spiel gebracht: Sie sind unpopulär, wenn es darum geht, möglichst konfliktarm die Karriereleiter zu erklimmen.
Ein High Performer, der bestimmte Ideale verfolgt und seinen Job bewusst gewählt hat, um Fortschritt mitzugestalten, wird in einem solchen Umfeld fachlich allerdings sehr früh an die Grenzen des Machbaren stoßen. Er ist auf kurz oder lang immer stärker in interne politische Spielchen verstrickt und verbringt immer weniger Zeit damit, seine Fähigkeiten zu nutzen oder gar zu erweitern. So wird er gezwungenermaßen auch die konstruktive Seite der Personalführung zunehmend vernachlässigen, weil sie auf der Jagd nach Benchmarks nicht als Sofortmaßnahme taugt.
Wenn überhaupt, wird er noch mehr Autorität ausüben, nicht aber sich die Zeit nehmen, die Kreativpotenziale seiner Mitarbeiter zu ergründen. Er verliert die Freude an den Inhalten seines Berufs, denn er kann sich ihnen nicht mit der nötigen Muße widmen; alles, was er sich fachlich erträumt hat, scheint ohnehin nicht realisierbar. Er ist seelisch unterfordert, denn die Werte, mit denen er sich für seinen Beruf und das Unternehmen entschieden hat, sind zu Worthülsen verkommen – er kann sie nicht umsetzen, er kann sie nicht leisten. Sein Potenzial bleibt ungenutzt – er ist unzufrieden.
Diese seelische Verfasstheit ist nicht nur für sich genommen schon schlimm genug – sie ist auch der ideale Nährboden für einen Burnout. Wenn der innere Antrieb, der Feuereifer für die Sache, verlorengeht, gewinnen die hohen Belastungen durch andere Faktoren des Jobs schnell die Überhand. Ihnen aber lässt sich nicht mit Leidenschaft folgen, denn sie widersprechen der menschlichen Natur. Unsere Seele ist auf Gemeinschaft programmiert und will Erfolge im Zusammenspiel der individuellen Ausprägung von Fähigkeiten und Bedürfnissen und die Zielerreichung als Team sehen, um glücklich zu sein – nicht bloß eine höhere Gehaltsstufe durch ständige Selbstkorruption, die gegen unser instinktives Moralverständnis verstößt. Eine „höhere Stufe“ zu erreichen hat im Sinne unserer seelischen Programmierung nichts mit finanziellen Vorteilen zu tun.
Was wir wirklich wollen, ist das Erreichen emotional verankerter Ziele und Wünsche – ganz nach individueller Prägung. Wir sind auf persönliche Ideale programmiert. Wenn wir ihnen nicht nachgehen, sie dauerhaft nicht ausleben können, bleiben wir seelisch unterfordert. Eine Gehaltserhöhung ändert daran nicht das Geringste. Wir wollen, ja wir brauchen mehr als das, um das Gefühl zu haben, dass wir einen erfüllten, einen „richtigen“ Weg gehen – für uns, und mit anderen. Denn unsere Führungsqualitäten sind an besagte Ideale gebunden. Können oder dürfen wir dieses Potenzial nicht ausschöpfen, bleiben wir als Manager immer unter unseren Möglichkeiten. Im schlimmsten Fall richten wir sogar ordentlich Schaden an – weil wir nicht werteorientiert aus innerem Antrieb heraus führen, sondern rational, zahlengläubig und politisch.
Die alte Schule hängt im Bereich personell bedingter Innovationskraft schon aus diesem Grund den flexibleren, übersichtlicheren Startups oft hinterher. Dort wird nämlich viel öfter das Augenmerk darauf gelenkt, der Integration des Leistungspotenzials von High Performern die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, anstatt den einzelnen Manager mit Nebenkriegsschauplätzen und seiner Persönlichkeit widersprechenden Verantwortlichkeiten zu belasten.
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