EHER LERCHENJUBEL ALS UNKENRUF. Harald Kanthack. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Harald Kanthack
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844266870
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du im Ernst, Wurm, der Allmächtige hätte nicht vorgesorgt?“ Womit? Die Römer pflegten den Todgeweihten, bevor diese den großen Raubkatzen zur Unterhaltung der Zuschauer zugeführt wurden, Arme und Zähne (aus) zu brechen, um die kostbaren Tiere vor Verletzungen zu bewahren. Bei den Höllegeweihten wird vielleicht die Zunge entfernt oder alles aus-geschaltet außer der Leidensfähigkeit. Man braucht nur satanischer zu sein als der Satan. Wer könnte das aber noch sein? Wer steht über Satan? Doch nur noch der ’liebe’ Gott. Ob womöglich die Erkenntnis, der eigentliche Satan sei Gott, mit zur Höllenstrafe gehört?

      Das höllische Strafsystem ohne Entrüstung zu akzeptieren, lässt eine Bösartigkeit der Menschen vermuten, von der sich die wenigen, die es entrüstet, wohl keine Vorstellung bilden können. Wie böse muss im Grunde der sein, der ohne Murren eine solch giganteske Strafandrohung über sich ergehen lässt? Glaubt er wirklich, diese monströse Strafe zu verdienen? Oder vertraut er darauf, ihn werde es schon nicht treffen, so böse wie die anderen sei er keinesfalls?

      Vielleicht ist er auch nur zu gewaltig eingeschüchtert und die ausgeprägte Bösartigkeit ist lediglich dort zu suchen, wo das System ersonnen wurde. Auf jeden Fall wird er, wenn er die Hölle für real und sich für sündhaft hält, zum Kreis der Psychotiker zu zählen sein. Denn mit der Hölle im Nacken kann doch kein Mensch seiner Natur gemäß leben.

      Dass heute in der Kirche von der Hölle nicht mehr so ausdrücklich gesprochen, sie den barbarischen Zeiten geschuldet wird, in denen das Wort Gottes niedergeschrieben wurde, ändert nichts an ihrer Existenz in der christlichen Lehre. Gottes Wort verbürgt das Vorhandensein der Hölle. Sie hat über Jahrhunderte die Lebenden in Angst und Schrecken versetzt, leistet diese Aufgabe nach wie vor und lässt, nach Kirchenlehre, die Mehrheit der Verstorbenen weiterhin im Feuer schmoren.(Allerdings, das sei fairerweise bemerkt, die Angst ist immer zuerst da. Sie sucht sich geeignete Objekte, über die ängstlich nachgedacht werden kann.)

      Sicher, man kann in Friedenszeiten an einer Fahrt im U-Boot der Kriegsmarine teilnehmen, ohne das Wort Torpedo auch nur einmal zu hören. Gleichwohl ist der Torpedo der Nervus Rerum eines gewöhnlichen Unterseeboots, wie die Hölle der Nerv der Dinge einer gewöhnlichen Religion ist. Und der Hölle die Qualen zu nehmen, sie zu einem tropisch exotischen Reiseziel zu machen, wäre zwar im Zuge der Ausrichtung der Kirche nach weltlichen Gesichtspunkten konsequent, aber auch tödlich – für das Christentum. Das freilich von Anfang an das apokalyptische Ende erwartete und somit keine Enttäuschung erfahren würde.

      So beteiligt man sich ohne schlechtes Gewissen an den Spielen der zur Spaßgemeinde verkommenen evangelischen Kirche, deren geistliche Vertreter nicht mehr das Evangelium verkünden, sondern sich in der Rolle von Büttenrednern gefallen. Was einst heilig war, dient dabei als Requisit, und eine neue Bibelinterpretation kaschiert den Unglauben der Interpreten. Gleich Animateuren in der Tourismus-Industrie sehen sie ihre Aufgabe vornehmlich darin, die (Kirchensteuer) zahlenden Gäste bei Laune zu halten, statt zu verschrecken.

      Ernst ist es ihnen nur in ihrer Lieblingsrolle, der des politisch engagierten Sozialarbeiters. Warum sie dessen Beruf nicht gleich ergriffen haben, liegt auf der Hand: unangenehmere Arbeitsbedingungen, gepaart mit niedrigerem Lohn und geringerem Ansehen. So ziehen sie den Verrat an der christlichen Lehre vor, indem sie nicht das Himmelreich, sondern die Lösung sozialer Probleme verheißen. Die, das wusste das echte Christentum, grundsätzlich unlösbar sind. Und wobei, das weiß jeder aufmerksame Beobachter, jede vermeintliche Lösung kontraproduktiv ist und die Probleme insgesamt bloß vermehrt. Daher Jesus auch niemals die Lösung sozialer Probleme versprochen hat, sondern das Reich Gottes. Den Verrätern der christlichen Lehre auf die Schulter zu klopfen und ihnen für die beschleunigte Verdunstung dieser Lehre zu danken, wäre allerdings zu viel verlangt. So willkommen Verrat sein mag, der ihn ausübt, ist immer schäbig.

      Die Schäbigen reden sich und uns ein, die inhumanen Zeiten, zu denen die Bibel entstand, seien Gott sei Dank vorbei und es sei längst Zeit, ihren Inhalt zeitgemäß zu interpretieren. Wer dem zustimmt, gesteht allerdings, in eben dieser Bibel nichts als ein Menschenerzeugnis zu sehen, das man folglich redaktionell überarbeiten dürfe. Denn war sie wahrhaftig Gottes Offenbarung, so ist sie es heute auch noch und wird wohl nur durch Gott abgeändert werden können. Und solange der uns keine aktualisierte Offenbarung zukommen lässt, müssen wir uns an die alte halten. Statt unter der alten Flagge ohne Anweisungen des Kapitäns einen neuen Kurs unter Anweisung der öffentlichen Meinung zu segeln. Die Erwartung, damit mehr Kreuzfahrer an Bord zu locken, weicht zunehmend der Ernüchterung, die letzten treuen Fahrgäste zu verlieren. Der ehebrecherische Pfarrer, der an den christlichen Gott glaubt, ist zwar eine komische Figur, aber Christ. Hingegen der progressive Geistliche, der an den Menschen glaubt und dessen Heil auf Erden verwirklichen will, nur eine komische Figur ist.

      Ewige Höllenpein als Strafe für zeitliche Vergehen, wie z.B. Unfolgsamkeit, widerspricht dem Gerechtigkeitssinn der Gerechten wie auch der Ungerechten. Eher entspricht sie dem, was ein Priesterhirn auszubrüten vermag. Und einem Charakter, der sich zwar selbst nicht meistern kann, dafür aber alles daran setzt, wenigstens die anderen zu meistern.

      Listig, wie dies Hirn nun einmal ist, hat es sich gesagt, dem ewigen glückseligen Leben im Himmel muss ein ewiges Leiden in der Hölle gegenüber gestellt werden. Ist dies nicht auch ewig, sagt sich nämlich der freche Lümmel, der mir nicht entkommen soll: „Na ja, einmal ist damit auch Schluss. Danach bleibt ja dann nur noch der Himmel übrig. Und gegen den ewigen Aufenthalt dort ist der zeitlich begrenzte in der Hölle nur eine Stippvisite. Voraussichtlich sogar ein interessantes Vorspiel, bei dem ich Kumpanen begegne, mit denen gemeinsam ich tolle Pläne für die kommende himmlische Ewigkeit schmieden kann.“ Stellt sich der Priester das arme Sünderlein tatsächlich so einfältig vor? Ja, und ausnahmsweise wird seine Anschauung wohl einmal die richtige sein.

      Hätte das Priesterhirn als Alternative nach der Hölle den endgültigen Tod, die Nicht-Existenz angeboten, wäre dem Lümmel die Ausflucht geblieben: „Na ja, irgendwann ist es sowieso aus.“ Und der Priester hätte damit etwas getan, was wider seine Natur ist: er hätte einen Menschen aus seinen Fängen entlassen. Was ja auch ein Hirte, mit dem sich der Priester so gerne vergleicht, mit seinen Schafen nicht tun darf. Der Hirte steht übrigens gewöhnlich neben seiner Herde, langweilt sich dort und sieht in der Herde nur Produzenten von Nahrungsund Bekleidungsmitteln.

      So nennt die Kirche Suizid auch Selbstmord und sieht darin eine Todsünde. Der Selbstmörder fährt ohne Wenn und Aber stracks in die Hölle, auch weil er eine Gelegenheit zur Beichte und Reue von vornherein ausgeschlossen hat. Seine Leiche durfte bis vor kurzem nicht auf dem Kirchhof bestattet werden, auch anderenorts ein Priester nicht der Beerdigung beiwohnen. Die Hinterbliebenen sollten so richtig mit bestraft werden; der tragische Verlust allein genügte nicht. Wäre doch gelacht, wenn sich einer so einfach davon schleichen könnte. Der eine oder andere Priester mag dabei durchaus geglaubt haben, damit Gottes Wille zu erfüllen. Der nämlich, so des Priesters Weisheit, schafft es allein gar nicht, alle Menschen zu piesacken.

      Warum lässt der Allgütige und Allwissende seiner den richtigen Weg suchenden Kreatur nicht rechtzeitig die wünschenswerte Erkenntnis zukommen? Er sieht doch, da ja noch nicht einmal ein Sperling ohne sein Zutun vom Baum fällt, wohin der Suchende treibt. Will er ihn prüfen? Aber er kennt doch das Prüfungsergebnis im voraus.

      Müssen wir wirklich unseren Verstand ausschalten, um diesen Gott, nein, nicht zu verstehen, sondern um ihn zu akzeptieren und ihm blind folgen zu können? Aber der Verstand ist uns doch gegeben worden, um uns gerade in schwierigen Fragen Hilfe zu leisten. Fragen, die von eben diesem Verstand aufgeworfen werden. Er wirft sie auf und soll gleichzeitig einsehen, sich bei ihrer Beantwortung besser zu verabschieden. Abschaffung des Verstandes durch den Verstand.

      Das tat dann auch der erste lateinischer Theologe, Tertullian, indem er bekundete credo quia absurdum est ( ich glaube, weil es widersinnig ist). Wegen dieser Aussage, die auch aus einem Tollhaus stammen könnte, wurde ihm in Kirchenkreisen bis auf den heutigen Tag Ruhm zuteil.

      Wie soll man eine solche Torheit eines ansonsten scharfsinnigen Mannes verstehen? Sah er ein, mit dem Verstand in bestimmten Glaubensfragen nicht weiterkommen zu können und ließ ihn deshalb über die Klinge springen? Warum bedient er sich dann aber in anderen Glaubensfragen ausgiebig dieser Geistesgabe, um Spitzfindigkeiten