Das Blut des Sichellands. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844268690
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der Frühling naht..."

      "Setz dich und trink heißen Rum..." erwiderte Saton freundlich. "Kuchen?"

      "Gern... gern..."

      Noch während Wandan es sich auf einem Polster bequem machte, stand Lennys auf.

      "Ich gehe mir die Schiffe ansehen." sagte sie nur und kehrte einem reichlich verblüfften Saton den Rücken, bevor sie hinaus verschwand.

      "Die Schiffe?"

      Wandan grinste angesichts der verwunderten Miene des Shajs.

      "Typisch Vater." lachte der Cas. "Sie meinte eigentlich nicht die Schiffe, sondern die Schiffsbesatzung."

      "Wie bitte?"

      "Ist mir heute vormittag schon aufgefallen. Das Flaggschiff hat eine Küchenhilfe an Bord, die wohl das Interesse deiner Tochter geweckt hat."

      Saton richtete sich auf.

      "Da muss ich dich enttäuschen, Wandan. Gerade eben erst habe ich mit ihr darüber gesprochen. Zumindest in diesem Punkt muss ich mir bei ihr keine Sorgen machen. Lennys scheint kein besonderes Interesse an jungen Männern zu haben."

      Wandan druckste ein wenig herum, aber dann beschloss er, Saton nicht länger die Wahrheit vorzuenthalten.

      "An jungen Männern weniger... das stimmt wohl. Aber an jungen Frauen... umso mehr..."

      Saton betrachtete die Entwicklung seiner Tochter mit gemischten Gefühlen. Es war keineswegs ungewöhnlich, dass man sich in einem so freizügigen Land wie Cycalas auch dem eigenen Geschlecht zuwandte und was Lennys anging, so beruhigte es ihn, dass sie sich nicht mit Männern oder Jungen einließ, die auf diese Art die ganze Zukunft des Sichellandes ins Wanken bringen konnten. Doch ihm entging auch nicht, dass das Mädchen ihren "Privatangelegenheiten", wie sie es nannte, recht gleichgültig gegenüberstand und ständig zu vergessen schien, dass auch ihre Gegenüber Menschen mit Gefühlen waren, die nur allzu leicht verletzt werden konnten.

      Sehr viel beruhigter verfolgte er aber Lennys' Einstellung zu ihrer Ausbildung. Sie betrachtete den Umstand, dass der nur wenig ältere Iandal - ein ausgezeichneter Sichelschüler und zudem noch äußerst scharfsinniger Diplomat - neben dem hochbegabten Waffenschmied Akosh zum Cas geweiht wurde, verhältnismäßig gelassen. Weder in der Kaserne noch in der Burg war es ein Geheimnis, dass Lennys Iandal nicht mochte, doch die übliche Altersgrenze für die Sichelprüfungen und somit auch für die Casweihe, die bei siebzehn Jahren lag, musste sie wohl oder übel hinnehmen. Inzwischen hatte sie gelernt, wann Diskussionen lohnten und wann nicht. Streitigkeiten mit ihrem Vater ging sie vorzugsweise aus dem Weg und auch von Wandan hielt sie sich zunehmend fern. Immer mehr Monate und Jahre lagen mittlerweile zwischen der Zeit, in der der oberste Cas sie belehrt und unterrichtet hatte und durch die entstehende Distanz fühlten sich auch beide immer seltener daran erinnert, dass einst nicht die junge Ac-Sarr, sondern der bedeutend ältere Krieger das letzte Wort gehabt hatte.

      An Lennys' sechzehntem Geburtstag wurde nicht nur Wandan vor Augen geführt, wie viel Kind das Mädchen bereits abgelegt hatte. Im großen Ratssaal der Burg Vas-Zarac hatten sich neben Saton, den neun Cas und einigen Würdenträgern der anderen Säulen auch persönlich vom Shaj und seiner Tochter geladene Gäste eingefunden. Celdros Req-Nuur mit seinem Sohn Rahor war ebenso zugegen wie Afnan, der nach wie vor Lennys' nächster Diener war, Mondor, der zwar zähneknirschend, aber dennoch folgsam aus Yto Te Vel angereist war und einige Säbelschüler aus den Kasernen, die für die Gefeierte eine altersgemäße Gesellschaft bieten sollten.

      Saton musterte die Anwesenden genau, während die Diener das Festmahl auftrugen. Nach einer Weile beugte er sich zu seiner Tochter hinüber.

      "Es freut mich, dass du Rahor eingeladen hast. Aber sag, wer sind die anderen? Ihre Gesichter kenne ich wohl, aber ihre Namen..."

      Lennys lachte leise.

      "Eigentlich hätte ich auf sie verzichten können. Aber du wolltest unbedingt, dass ich ein paar Bekannte dazuhole. Sind die Namen denn wirklich so wichtig?"

      "Möglicherweise. Ich weiß gern, mit wem sich meine Tochter umgibt. Und es ist zugegebenermaßen doch recht peinlich, wenn ich nicht über deine Gesellschaft im Bilde bin."

      "Sie werden wohl allesamt kaum eine wichtige Rolle spielen. Naja, einer vielleicht..."

      "Du meinst den Jungen mit den längeren Haaren, der neben Afnan sitzt?"

      Sie nickte.

      "Er ist ziemlich gut. Ich habe ihn vor ein paar Wochen besiegt. Aber es war nicht ganz so leicht wie sonst."

      "Ist er besser als Rahor?"

      "Nein. Aber er kommt ihm ziemlich nahe. Und er ist nicht so neugierig wie die meisten anderen. Und nicht so aufdringlich."

      Saton lächelte.

      "Er macht auch hier einen guten Eindruck. Obwohl ich glaube, dass ihm solche Feierlichkeiten nicht liegen. Wie heißt er?"

      "Garuel. Garuel Mala-Rii."

      Plötzlich erinnerte sich der Shaj an den Namen. Hatte nicht einst Bohain auf den jungen Mann hingewiesen - bei dessen Säulenweihe? Garuel hatte sich verändert, er war kräftiger und reifer geworden. Und hatte es nicht damals schon geheißen, man solle ihn im Auge behalten? Nun, zumindest Lennys hatte dies offenbar getan.

      "Und die anderen?"

      "Unwichtig. Sagte ich bereits. Sama ist hier, weil sie die ganze Zeit hinter Rahor herläuft. Es ärgert ihn, dass ich sie eingeladen habe und schon allein das ist mir den Spaß wert. Juta kommt aus der Stadt, er ist der Sohn des Schmieds und er hat mir ein paar Mal einen Gefallen getan. Außerdem kennt er Afnan gut und sie haben sich lange nicht gesehen."

      "Aber Garuel und Rahor sind doch hier, weil du mit ihnen befreundet bist, oder?"

      "Befreundet?" fragte Lennys irritiert. "Wieso denn befreundet? Muss ich das sein?"

      "Nein, natürlich nicht. Aber du magst sie doch?"

      "Sie sind schon in Ordnung. Aber deswegen müssen sie nicht gleich Freunde sein. So etwas brauche ich nicht."

      "Und Freundinnen? Was ist mit Sama?"

      "Ach die... dummes Ding. Wie gesagt, ich wollte Rahor ein bisschen ärgern, sonst nichts."

      Saton wirkte plötzlich etwas verlegen.

      "Nun, ich dachte nur..."

      "Was?"

      "In dieser Burg wird viel geredet, Lenyca. Und manch einer sagt, dass du dich hin und wieder gern mit hübschen Mädchen umgibst."

      "Und? Stört dich das?"

      "Nein, solange du es nicht übertreibst. Ich dachte nur, es gäbe vielleicht jemanden, den du aus ganz persönlichen Gründen heute gern dabei gehabt hättest. Egal, ob Junge oder Mädchen. Immerhin ist es dein Geburtstag."

      "Es gibt niemanden. Eigentlich hätte ich lieber meine Ruhe. Wenn es nach mir ginge, würden wir uns dieses ganze Prozedere sparen und ich würde allein ausreiten."

      "Leider kann ich dir diesen Gefallen nicht tun. Diese Menschen hier wollen mit ihrer Aufwartung den Respekt zu dir betonen und es ist wichtig, dass du dich ihnen zu solchen Gelegenheiten zeigst. Eines Tages..."

      Ärgerlich winkte Lennys ab. "Ach, komm mir nicht damit. Ich will das nicht. Ich will keine Shaj werden und ich will auch nicht den ganzen Tag in irgendwelchen Versammlungen verbringen. Ich bin eine Kriegerin!"

      "Das bist du. Trotzdem ist das Schicksal oft grausam. Wer weiß, vielleicht hat der Große andere Pläne mit dir, aber wir kennen ihn beide gut genug. Er wird dich nicht von dieser Aufgabe entbinden, nur weil du es wünscht. Eher wird das Gegenteil der Fall sein. Aber heute sollten wir nicht davon sprechen."

      Das Geplapper um die Festtafel verstummte allmählich, als sich die Gäste den Speisen und Getränken zuwandten und erst als die ersten Teller geleert waren, wurde es wieder etwas lauter. Noch bevor die allgemeine Aufmerksamkeit vollends nachließ, erhob der Shaj sich und sofort herrschte wieder Ruhe.

      "Meine