„Buchhaltung interessiert mich ganz besonders, denn dazu hätte ich zum Abschluss noch eine wichtige Frage.“
„Die da wäre?“, fragte Anna Baur prompt zurück.
„Na ja, ich hab’ mich gestern Abend im Internet schon mal mit dem Thema ‚Erbschaftssteuer’ befasst, dass in Kürze auch auf mich als neuen Firmeninhaber zukommt.
Gegenwärtig habe ich ja nur eine rudimentäre Ahnung von unserer Auftragslage sowie von unseren Umsätzen und Gewinnen. Dennoch ist mir gestern Abend bereits Eines klargeworden.
Und zwar, dass die bisherigen steuerlichen Vergünstigungen für Firmenerben schon bald auf der Kippe stehen und dass man im kommenden Jahr dazu ein Verfassungsgerichtsurteil erwartet, das angeblich damit aufräumen wird.
Dass könnte letztendlich bedeuten, dass wir mit der Firma vor hohen Belastungen stehen, die die Wagner Logistik GmbH dann zu tragen hätte.
Deshalb könnte es meiner Meinung nach sinnvoll sein, in eine zu gründende Tochtergesellschaft mit dem Ziel zu investieren, uns vor einer ggf. exorbitant hohen Steuer zu schützen.
Dies unter anderem auch deshalb, weil ich die Firma nicht durch hohe Steuerabgaben in Schieflage bringen und niemanden entlassen will. Daher brauche ich sehr bald laiengerecht aufbereitete, verständliche Wirtschaftsdaten der Firma, um so auch die Frage zu beantworten, ob wir überhaupt finanzielle Mittel für Investitionen haben.“
„Guter Punkt“, erwiderte Anna Baur sofort. „Und an was hattest du beim Punkt Investitionen so gedacht?“
„Ehe ich das, an was ich gerade denke, ausspreche, hab’ ich vorher noch eine ganz andere Frage. Wenn ich eure Ausführungen vorhin richtig verstanden habe, kommt es in unserer Firma gar nicht so selten vor, dass Terminfracht in kleineren Gebinden als Stückgut abzuholen oder anzuliefern ist.
Ich frage euch daher: Wie oft erhalten wir derartige Aufträge durchschnittlich und setzt ihr dafür zum Beispiel auch kleinere Lieferwägen als Transportmittel ein?“
„Gut, ich kann das grob beantworten“, sagte Max Baur ohne zu zögern. „Genaue Zahlen müsste ich natürlich ermitteln lassen. Vereinfacht gesagt ist es halt so: Für kleinere Gebinde unter einer Tonne, die eilig zum Empfänger müssen, haben wir ein paar wenige Kleintransporter, aber die setzen wir eher als Ausnahme und nur bei wirklich kritischer Terminfracht ein.
In der Mehrzahl der Fälle ist es hingegen die Regel, dass wir auch eilige kleinvolumigere Transportgüter kurze Zeit einlagern müssen, um sie danach flexibel als Beipackladung mit unseren Fernlastzügen zur Lieferadresse zu bringen, was dann halt unvermeidbar etwas längere Lieferzeiten zur Folge hat.“
„Ich glaub’ bei mir ist gerade der Groschen gefallen“, ergriff nun Anna Baur wieder das Wort. „Du denkst bei der Tochtergesellschaft an Lufttransport für eiliges Stückgut per Hubschrauber, hab’ ich Recht?“
„Erwischt!“, war alles was Michael anmerken konnte, als Anna auch schon weitersprach.
„Die Idee an sich ist gar nicht so blöd, aber man müsste das vorher genau durchkalkulieren. Und dazu, mein lieber Bruder, brauche ich deine Zahlen zum Transportvolumen und zum Aufkommen derartiger Fracht“, sagte sie an ihren Bruder Max Baur gewandt.
„Heißt das etwa, ihr könntet euch mit so einer solch, zugegebenermaßen ungewöhnlichen Idee anfreunden?“, fragte Michael Wagner jetzt völlig verdutzt.
„Ja Boss, genau das heißt es“, erwiderte Anna freundlich und setzte dann gleich noch burschikos grinsend hinzu: „Wir sind hier nämlich ’ne innovative Firma und neuen Einfällen gegenüber stets aufgeschlossen.
Allerdings brauche ich vom Herrn Piloten Wagner in dieser Sache ebenfalls ein paar Daten. Das betrifft vor allem die Investitions- und Betriebskosten eines Hubschraubers. Und nicht zuletzt spielen dabei dessen Reichweite, Ladekapazität und die infrastrukturellen sowie die Zulassungsvoraussetzungen eine entscheidende Rolle.
Wenn ihr beide mir die nötigen Zahlen dazu bis zum Ende der Woche liefern könntet, fertige ich anschließend, zusammen mit Christine, eine Machbarkeitsstudie sowie eine erste Kosten-Nutzenanalyse an – und dann sehen wir weiter.“
„Super, Anna, ich bin zwar noch immer überrascht, aber genauso sollten wir es machen“, erwiderte Michael Wagner jetzt freudestrahlend.
„Freu’ dich mal nicht zu früh, mein Lieber. Denn einen Haken hat die Sache aus steuerlicher Sicht schon noch. Funktionieren wird das mit den investitionsbedingt geringeren Abgaben und der steuerlichen Begünstigung nämlich nur, wenn du statt 18 Monaten mindestens 5 Jahre, besser aber noch länger, Chef der Firma bleibst“, warf Anna Baur an dieser Stelle ein.
„Wenn nicht, ist’s nämlich Essig mit der geringeren Erbschaftssteuer.“
„Das habe ich auch schon in einem Internetkommentar gelesen, aber aufgrund der derzeit unklaren Rechtslage nicht so wirklich verstanden“, entgegnete Michael augenblicklich.
„Aber für den Fall, dass wir eine Tochtergesellschaft realisieren können, wäre ich auch bereit, den Polizeidienst ganz an den Nagel zu hängen.“
„So wärst du das?“, fragte Anna Baur jetzt mit einem fragend hochgezogenen, ungläubig wirkenden Stirnrunzeln zurück, ehe sie fortfuhr:
„Also ich denke da ganz pragmatisch. Bevor wir uns dafür entscheiden, müssen wir die ganze Angelegenheit sowieso mit unserem Steuerberater und dem Wirtschaftsprüfer vom Finanzamt besprechen, das ist unverzichtbar. Und dann erst werden wir wissen, ob dein Vorschlag erfolgreich realisiert werden kann.“
„Okay, also ist nur verhaltener Optimismus angesagt“, erwiderte Michael Wagner, wobei er seine neue Assistentin mit einem unnachahmbar verschmitzten Aufschlag seiner braunen Augen unschuldig angrinste. „Bis wann brauchst du die Zahlen von mir?“, fügte er dann noch eine letzte Frage hinzu.
„So schnell es geht, aber bitte auch so präzise, wie möglich. In Sachen Hubschrauber bist du der Fachmann, da verlass ich mich ganz auf deine Expertise.
Außerdem, wenn ich das richtig sehe, brauchen wir für einen über 5 Tage die Woche laufenden Lufttransport eiliger Güter mindestens noch einen weiteren Piloten und ein paar Wartungstechniker, die wir kostenmäßig mitkalkulieren müssen“, gab Anna lächelnd zurück.
„Du weißt ja anscheinend doch ’ne ganze Menge über das Thema Lufttransport. Also gut, ich setze mich in den Abendstunden der kommenden Tage gleich an die von dir geforderte Recherche. Dies deshalb, weil ich ja tagsüber von dir zum Lernen verdonnert worden bin.
Übrigens, was zusätzliches fliegerisches Personal angeht, hab’ ich da – glaub’ ich auch schon eine Idee, die vielleicht funktionieren könnte.“
Nach einer kurzen Redepause fuhr der neue Chef der Wagner Logistik GmbH fort: „Es ist spät geworden und ich denke, dass wir unser Gespräch für heute an dieser Stelle beenden können. Ich schlage daher vor, dass wir uns noch vor dem Wochenende erneut zusammensetzen, um zu sehen, in welche Richtung der Hase läuft.“
„Sehr gut Michael, wir treffen uns dann – sagen wir am Freitagnachmittag – genau hier wieder, um zu sehen wie weit wir dann sind“, entgegnete Anna Baur, ehe sie sich mit ihrem Bruder von Michael und Waltraud verabschiedete, um in ihre eigenen Büros zurückzukehren.
„Man kann ja sagen, was man will, aber Drive und Ideen hat der Neue ja ’ne ganze Menge“, raunte Max Baur auf dem Flur der seinen Rollstuhl schiebenden, hübschen Schwester zu.
„Und ich glaube, dass dieser Jungspund bereits jetzt schon vom Unternehmervirus und den Vorteilen der damit verbundenen Selbständigkeit infiziert ist und dass er das, was er vorhat, ernst meint, und dabei auch nicht so leicht aufgibt.“
„Das glaube ich auch, mein lieber Bruder. Außerdem ist Michael Wagner ein äußerst liebenswerter und angenehmer Mensch, dessen