„Sei nicht so frech, mein Junge. Man kann alles lernen – und blöd bist du ja schließlich nicht.
Was deine Bitte angeht – sage ich dir nach stiller Beratung mit meinem im Himmel befindlichen Gatten: Ja, ich werde dir in den kommenden Monaten helfen. So gut ich halt kann. Aber erwarte keine Wunder von mir. Und vor allem nicht, dass ich den Betrieb längerfristig für dich übernehme, damit du dich wieder zu deinen Hubschraubern verdrücken kannst.“
„Ich hab’s ja kapiert, Tante Traudel. Ich muss aber erst mal mit meinen Vorgesetzten sprechen, wann und wie ich am besten aus dem Polizeidienst aussteige.
Morgen früh wollte ich sowieso zu meinem Chef fahren, um mich für seine bisherige Unterstützung zu bedanken.“
„Mach das, mein Junge. Und wenn wir schon mal dabei sind, deine Zukunft zu erörtern, solltest du auch mal drüber nachdenken, dir eine nette Frau zuzulegen, ehe du die besten Jahre deines Lebens nutzlos als ewiger Junggeselle vertändelst.“
Michael Wagner war völlig sprachlos, als er seine Tante bei diesen Worten überrascht aus seinen braunen Augen anstarrte.
Er hatte zwar schon ein paar Erfahrungen mit dem angeblich schwachen Geschlecht gesammelt, aber bisher war die Richtige nie dabei gewesen. Vor allem, wenn seine gerade aktuellen Freundinnen von seinen unregelmäßigen beruflichen Dienstzeiten erfuhren, war die jeweilige Beziehung meist sehr schnell wieder in die Brüche gegangen.
„Guck mich nicht so verblüfft wie ein Mondkalb an“, sagte Waltraud Wagner gleich darauf mit hochgezogenen Augenbrauen. „Du bist jetzt 28 Jahre alt – und da wird’s langsam mal Zeit, dass du dich nicht nur um deine berufliche, sondern auch um deine private Zukunft kümmerst.“
„Okay Tante Traudel, ich hefte dann am morgigen Mittwochnachmittag, wenn ich mit der Belegschaft gesprochen habe, gleich mal ’nen Aushang an unser schwarzes Brett.
Wie wär’s damit: Angehender Jungunternehmer sucht erfahrene Geschäftsfrau für gewisse Stunden. Spätere Heirat nicht ausgeschlossen“, erwiderte Michael Wagner trocken. „Vielleicht google ich aber auch im Internet oder gebe ’ne Annonce in der Zeitung auf.“
„Du bist und bleibst ein vorlauter Frechdachs, mein lieber Neffe“, erwiderte Waltraud Wagner prompt mit missbilligend gerunzelter Stirn.
„Einfach unverbesserlich, dieser Kerl! Aber keine Sorge, lass mich das mal in die Hand nehmen. Schließlich bist du ja nicht der Hässlichste und ich hätte da auch schon eine gewisse Idee.“
„Willst du mich jetzt etwa auch noch verkuppeln? Ich glaub, ich steh’ im Wald.“
„Halt die Klappe, Michi. Du merkst anscheinend überhaupt nicht, wenn dir jemand was Gutes tun will. Und schließlich hast du mich ja um Hilfe gebeten – oder etwa nicht?“
„Ja, ja – ist ja gut, ich hab’s verstanden“, sagte Michael Wagner, seine Niederlage einräumend. „Gegen dich hab’ ich ja doch keine Chance. Aber jetzt gehe ich ins Bett. Schließlich werden die kommenden Tage noch hart genug.“
Am nachfolgenden Donnerstag fand sich PHK Wagner, wie angekündigt, zu Dienstbeginn im Büro seines Chefs bei der Hubschrauberstaffel der bayerischen Bereitschaftspolizei am Flughafen München ein, wo er schon von POR Wolf erwartet wurde.
„Na Micha, hast du schon eine Entscheidung getroffen – aber zuallererst mal, wie geht es dir?“, wurde er von Heinrich Wolf begrüßt.
„Es muss ja irgendwie weitergehen Chef – und ja, ich habe gestern eine Entscheidung getroffen. Ich werde den Polizeidienst verlassen und in die Firma meines Vaters eintreten. Mir ist nämlich klargeworden, dass ich die Mitarbeiter unserer Spedition nicht im Regen stehen lassen darf. Ich hoffe, du verstehst das.“
„Sicher Michael, das kann ich nachvollziehen. Und ich weiß ja auch, dass du nicht der Typ bist, der sich vor so etwas drückt. Und nochmals ganz herzlichen Dank für deinen Einsatz am letzten Dienstag.“
Nach einer kurzen Pause fuhr POR Wolf fort: „Ich habe – was deine mögliche Beurlaubung angeht – inzwischen schon mal mit unserem Präsidium in Bamberg gesprochen. Unser Präsident hat dabei eine Idee entwickelt, die er sich zudem von unserem Innenminister hat absegnen lassen.
Demnach schlägt er vor, dich vorläufig mal für 18 Monate unter Fortfall deiner Bezüge vom Dienst freizustellen. Und spätestens im kommenden Frühjahr musst du dich dann endgültig entscheiden, welchen Weg du in Zukunft gehen willst.
Das hätte zudem den Vorteil, dass du zunächst einmal Zeit gewinnst und wir dich gegebenenfalls später wieder zurückholen können, sofern es mit der Firma deines Vaters nicht so klappt, wie gedacht.
Spätestens also, wenn deine Fluglizenz nächstes Jahr im Dezember abläuft, erwarte ich eine Nachricht von dir.
Ach so, eine Stelle werden wir dir natürlich nicht freihalten können, darüber musst du dir im Klaren sein. Und fliegerische Inübunghaltung wird es seitens der Polizei auch nicht geben, weil das unsere Verwaltung, wie du dir sicherlich denken kannst, nicht mitmachen würde.
Außerdem meine ich, dass du dafür in den nächsten Monaten sowieso keine Zeit haben dürftest. Also, was sagst du zu diesem Vorschlag?“
„Ich bin – ich bin platt“, stotterte der völlig überrascht schauende Michael Wagner. „Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit.“
„Tja, mein Lieber, wir haben halt ein Interesse an unseren besten Leuten und da du ja auch bereits vom Herrn Innenminister u.a. für deine zahlreichen, erfolgreichen Rettungseinsätze zur Auszeichnung nominiert wurdest, wäre es schön, wenn wir hier und heute nicht alle Bande zwischen uns kappen würden.
Also denk darüber nach – ich soll dir nämlich noch bis zum Ende des Monats Bedenkzeit geben, da niemand hier erwartet, dass du schon heute ‚Ja’ zu diesem Angebot sagst.“
„Chef, da brauche ich eigentlich nicht lange zu überlegen. Ich finde diese Offerte einfach großartig. Lass mir aber trotzdem noch die vorgeschlagene Bedenkzeit. Ich muss halt erst mal genauer wissen, worauf ich mich da ab heute Nachmittag einlasse.
Ich treffe mich nämlich nachher mit der Belegschaft meines Herrn Vaters – und nach der noch in dieser Woche beginnenden Einweisung in seine Geschäfte denke ich, dass ich deine Frage im Anschluss daran besser beantworten kann.“
„Gut Michael, ich hatte auch nichts Anderes erwartet. Wir sehen uns dann Ende Juni wieder hier. Und dann teilst du mir deinen Entschluss mit.“
Nachdem sich PHK Wagner – noch immer von der Rede seines Vorgesetzten sehr beeindruckt – von POR Wolf verabschiedet hatte, ging er noch einmal in den Bereitschaftsraum, um mit seinem Kollegen und Freund PHK Markus Leitner zu sprechen.
„Hab’s schon gehört“, wurde er von seinem Flugtechniker mit Handschlag begrüßt. „Ich verstehe, dass bei dir jetzt erstmal die Familie vorgeht.
Und eh’ du was sagt’s – ich kann – wenn auch nur schwer – damit leben, dass du mich und unseren Hubschrauber eine Zeitlang verlassen willst und ich deswegen jetzt mal wieder ’nen neuen Hubschrauberjockey kriege.
Aber mach dir mal keine Sorgen, Michael. Ich setze nämlich drauf, dass du für den Moment und auch danach das Richtige tun wirst“, meinte PHK Leitner jetzt mit seinem gewohnt burschikosen Grinsen.
„Heißt das, du könntest damit leben, wenn ich mich jetzt zunächst mal für 18 Monate dünnemache?“, fragte Michael Wagner seinen Freund und Kollegen jetzt doch einigermaßen verblüfft.
„Sicher mein Lieber, mach dir da mal keine Gedanken. Ich werde dich zwar vermissen, aber wir zwei beide sind ja schließlich nicht verheiratet. Also, mach dein Ding – und wenn du die Nase