Ich mochte Menschen, die eine Überzeugung hatten, die kämpfen konnten. Stattdessen hatten viele, Männer wie Frauen gleichermaßen, Gefühle zum Konsumgut degradiert, das an jeder Straßenecke zu haben war. Doch gleichgültig, wie hoch der Preis auch war. Dem verdrängten Wunsch nach wahrer Liebe konnten sie nicht entkommen. Dieses Abenteuer nicht mehr zu wagen, war der größte Verlust im Gegeneinander der Geschlechter. Um das zu erkennen, gehörte jede Frau spätestens mit dreißig per Gesetz auf den Jakobsweg geschickt. Weil Frauen wie Männer nicht mehr über ihre wahren Bedürfnisse redeten, und sie dazu die eigene Wahrhaftigkeit versoffen, verkokst oder verkauft hatten, war ihr Umgang miteinander beliebig, vor allem aber belanglos geworden. Jedes Maß an Fürsorge ertrank im Meer der Eitelkeit, der abscheulichsten Eigenart, mit der Menschen die Welt verseuchten.
Geschichte wiederholte sich. Wieder fraß eine Revolution ihre Kinder. Die Männer standen am Pranger. Seit Jahren schon wurde Galanterie mit Belästigung verwechselt. Was eine Frau fühlte, war unumstößlich. Was ein Mann empfand, war relativ. Die Frauen von heute durften sich nahezu alles erlauben. Niemand kritisierte sie. In aller Öffentlichkeit wurde immer häufiger diskutiert, dass Männer ihre Frauen sexuell nicht befriedigten. Wie lächerlich sich indes Frauen mitunter in ihrem Umgang mit männlichen Schwellkörpern gebärdeten, zierten und drucksten, war tabu. Sie wollten die Gleichberechtigung. Geschaffen hatten sie Dominanz. Nur leider nicht im Bett. Sich als unterdrückt auszugeben, war längst schon zum weiblichen Herrschaftsmittel geworden. Ich konnte mir so gar nicht vorstellen, dass die alten Kämpferinnen von einst das gewollt hatten.
Da standen sie also vor mir, aufgedonnert, die Fäuste in die Hüften gestemmt, fordernd und doch so verloren. Sie hatten einfach kein Selbstbewusstsein, obgleich sie dies paradoxerweise immer wieder neu mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln zur Schau stellten. Deswegen aber waren Frauen so leicht zu kränken, weil sie selbst nur allzu gut um ihr alltägliches Schauspiel wussten. Dazu waren sie innerlich von einer unumstößlichen Ungerechtigkeit der Natur getrieben. Männer konnten, je älter sie wurden, junge Frauen haben. Eine Frau dagegen musste stets blühend wirken um verführerisch zu sein. Dazu, und das stand ebenso zweifelsfrei als Naturgesetz fest, waren allein Männer in der Lage, Frauen zu beschützen. Von dem umgekehrten Fall jedenfalls hatte ich noch nie gehört. Und würde so manche vehemente Verfechterin der Emanzipation ehrlich sein, so müsste sie zugeben, wie sehr sie der Umstand ärgerte, dass viele Frauen fernab ihrer bekundeten Parolen ihrer Natur folgten, wenn sie Schutz und Sicherheit bei einem Mann suchten.
Zwei Girlies nahmen zwei Bänke weiter Platz. Während die eine ihren jungen Knackarsch in eine Hotpants gezwängt hatte und ein Shirt zur Schau stellte, das sie in einer Puppenstube gefunden haben musste, schloffte ihre Begleiterin in einem Bikini herum, den sie gleich hätte ausziehen können. Mir schoss ein Zeitungsbericht in den Sinn. Vierzehnjährige Mädchen hatten sich und ihre Freundinnen beim Oralverkehr mit den Jungs aus ihrer Klasse gefilmt und diese Aufnahmen ins Netz gestellt.
Ich fragte mich, wie die neue Generation heranwachsender Frauen war und erinnerte mich an Mona. Sie war ein entzückendes Kind und erstaunlich belesen. Mich reizte ihre unbegrenzte Zukunft. Sie war zwanzig, als ich sie vor ein paar Jahren getroffen hatte. Wir hatten versucht uns im Pool zu vereinen, doch sie war zu aufgeregt, um die Nummer zu Ende zu bringen. Sie zappelte an mir wie ein Fischlein am Haken. Ein paar Abende waren wir unterwegs gewesen, bevor sie zum ersten Mal bei mir übernachtet hatte. Unvermittelt zog sie sich plötzlich aus und legte sich auf mein Bett. Sie war so voller Lust und Begierde, dass wir drei Wochen lang jede Nacht miteinander verbracht hatten. Ihre Enge war ein Hochgenuss. Ich lehrte sie dominant zu sein. Sie war ausgesprochen dankbar. Nach dem Sommer verschwand sie nach Frankreich, nach Paris, in dessen Verklärtheit und Märchenwelt es schon viele Mädchen gezogen hatte. Ich hätte ihr sagen sollen, dass die Ära der Boheme zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts ausgeklungen und die Stadt der Liebe heute überall war.
Ehrlich gesagt machten mir die durch Youtube, Youporn und andere Hemmungslosigkeiten verdorbenen, jungen Hühner Angst. Ungebildet und ohne jede Selbstreflexion folgten sie den süßen Verheißungen, ihr Leben auf der Überholspur zu gestalten – schnell, egomanisch, rücksichtslos und in der Überzeugung, dass jeder Beifahrer austauschbar war. Der Zickenzirkus, den ein privater Fernsehsender veranstaltete, wenn ein neues Model gesucht wurde, war bedenklich erfolgreich und bereits in mehreren Staffeln über die Mattscheiben der Republik geflimmert. Das allgemeine Prinzessinnengehabe war einfach nicht totzukriegen und stand wie übermenschlich geklont vor den Türen der Clubs dieser Stadt Schlange. Und ihren Einlass gewährten Männer, die allein mit ihrer Anwesenheit Größe zeigten.
Mir kam gleichfalls in den Sinn, ob die Frauen auf dem Land ordinärer oder glücklicher waren. Sie lebten ein so ganz anderes Leben. Waren sie dümmer oder klüger? Lebten sie ebenfalls diese Marotten aus, die ich von den Frauen aus meiner Stadt kannte? Modewellen fluteten auch in die letzte Agrarregion, dachte ich, und einschlägige Schundblätter wie Internet machten auch vor keinem Dorfeingangsschild Halt. Man konnte also davon ausgehen, dass auch die Köpfe in der Provinz mit den Postulaten nach bedingungsloser Freiheit und Selbstverwirklichung infiziert waren.
Magisch hatte die Sehnsucht nach einem aufregenden Liebesakt der anderen Sorte immer schon viele Pomeranzen in die Stadt gezogen, um nach dem Wochenende mit verlogener Planung zurück in den Mief ihrer Bürgerlichkeit zu schlüpfen. Das Knistern des Kaminfeuers wurde für einen Trip der Lust gegen Rotlicht und Vollsuff eingetauscht, um das kleine Geheimnis der Sünde ein Leben lang zu hüten. Die Vorstellungen reizten mich zu der Idee ein Drehbuch zu schreiben, über einen Mann, der sich tagsüber mit einer Draisine durchs Land kurbelte, weil er die Fahrpläne der Bahn auswendig gelernt hatte und nachts zu erkunden versuchte, wie sich die Frauen in den Dörfern und Kleinstädten unserer Republik mit ihren Gelüsten gaben.
„Und? Was erzählt Eve so?“
Für ein paar Momente starrte ich sie an, weil ich annahm, dass sie auch um das wusste, was Eve mir bislang verschwiegen hatte, und sie als Vorbotin geschickt hatte, um ihren Abschied von mir vorzubereiten. „Es geht ihr gut,“ plapperte ich daher und sah auf ihre knallrot geschminkten Lippen, hinter denen ihre lange Zunge schlangenähnlich lauerte.
Karos Anruf hatte mich auf der Terrasse des Sportclubs augenblicklich aus allen Gedanken gerissen. Ich war ihrem Vorschlag gefolgt. Sie wollte an die Elbe und hatte meine Lust nachgefragt sie zu begleiten. Nun ärgerte ich mich darüber, wie leicht ich für Ablenkungen wie diese zu haben war, weil mich ihre Gesellschaft davon abhielt, weiterhin das zu bedenken, was längst überfällig war.
„Vermisst du sie?“ fragte sie mich gewohnt schnörkellos.
„Tut mir Leid. Was hast du gefragt?“ Immer noch rang ich um Konzentration. Ich war anwesend, doch von der Sorglosigkeit und Vertrautheit, die Karo in sich trug, war ich weit entfernt. Ich wollte diesen Vamp einfach konsequent auf Abstand halten.
Ein Gewitter hatte ihren Sinn für ein gemütliches Plaudern am Elbstrand bei Wein und Tapas genommen. Wir saßen draußen vor der Bar. Vereinzelt platschten Regentropfen auf den Schirm.
„Ob du sie vermisst, habe ich gefragt.“
„Sie ist doch gerade einmal ein paar Tage weg,“ antwortete ich und sah auf den Ansatz ihrer Brüste, der eindeutig zu viel von ihrem Paar preisgab.
Wortlos stimmt sie mir zu.
„Sag’! Wenn sich Frauen die Lippen rot anmalen. Sind sie dann Versuchung oder auf dem Kriegspfad?“
„Wie kommst du denn da jetzt drauf?“ erwiderte sie und unterstützte ihre Verblüffung mit entsprechender Gestik.
„Und wenn sie zur Schau tragen, was sie so haben. So wie du heute. Wollen sie dann erobert werden oder einfach nur in ihrer Sinnlichkeit glänzen?“
„Puh! Was geht denn bei dir ab?“
„Was bei mir abgeht? Natürlich denke ich an Eve. Ich denke an eine andere Frau. Ich denke an all die anderen Frauen, die ich hatte. Ein Chaos nach dem anderen schießt mir durch den Kopf. Das Chaos der Geschlechter,