Selma Lagerlöf - Gesammelte Werke. Selma Lagerlöf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Selma Lagerlöf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746750200
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Schären und Steinhügel und Heiden und unfruchtbaren Felder, die ihr mir gegeben hattet, und warf sie ins Meer hinaus. Und daraus entstanden alle meine Werder und Inseln, die mir zu so großem Nutzen für die Fischerei und Schiffahrt geworden sind, und die ich für meinen wichtigsten Besitz halte.

      Dann hatte ich nichts weiter von den Gaben übrig als die Grassoden, die ich von Schoonen erhalten hatte, und die breitete ich mitten im Lande aus, und sie wurden zu der fruchtbaren Vaksalaebene. Und den trägen Bach, den ich von Westgotland erhalten hatte, den leitete ich durch die Ebene, damit diese eine gute Verbindung mit den Mälarfjorden haben sollte.‹

      Jetzt begriffen die anderen Landschaften, wie das Ganze zugegangen war, und obwohl sie ein wenig ärgerlich waren, konnten sie doch nicht umhin, zuzugeben, daß es seine Sache gut gemacht hatte. ›Du hast mit geringen Mitteln viel ausgerichtet,‹ sagten alle Landschaften. ›Du bist in der Tat die klügste und tüchtigste von uns.‹

      ›Habt Dank für die Worte,‹ entgegnete Uppland. ›Wenn ihr das sagt, so bin ich ja die Landschaft, die den König und die Hauptstadt bei sich aufnehmen soll.‹

      Die anderen Landschaften wurden ein wenig ärgerlich, aber ein Wort ist ein Wort, und dabei blieb es.

      Und Uppland bekam den König und die Hauptstadt, und es wurde die erste von allen Landschaften, und das war nicht mehr als billig, denn Klugheit und Tüchtigkeit ist das, was noch heutzutage Bettler zu Fürsten macht.«

      Donnerstag, 5. Mai.

      Zu der Zeit, als Niels Holgersen mit den Wildgänsen durch das Land reiste, war in Upsala ein prächtiger junger Student. Er wohnte in einer kleinen Dachkammer und war so sparsam, daß die Leute sagten, er lebe von fast gar nichts. Seine Studien betrieb er mit Lust und Liebe, so daß er schneller damit fertig wurde, als irgendeiner von den anderen. Aber deswegen war er durchaus kein Bücherwurm oder Duckmäuser; er konnte sehr wohl mit den Kameraden lustig sein. Er war gerade so, wie ein Student sein soll. Er hatte keine Fehler, wenn man es nicht etwa einen Fehler nennen will, daß er infolge all seines Glücks ein wenig verwöhnt war. Aber das kann dem Besten passieren. Das Glück ist nicht so leicht zu ertragen, namentlich nicht in der Jugend.

      In einer Morgenstunde, gerade als der Student erwacht war, lag er da und dachte darüber nach, wie gut er es doch habe. »Alle Menschen haben mich gern, Kameraden wie auch Lehrer,« sagte er zu sich selbst. »Und so vorzüglich, wie es mir mit meinem Studium gegangen ist! Heute soll ich zum letztenmal zum Tentamen, und dann bin ich bald fertig. Und wenn ich nur rechtzeitig fertig werde, so bekomme ich eine Stellung mit gutem Gehalt. Es ist merkwürdig, was für ein Glück ich gehabt habe. Aber ich tue ja auch meine Pflicht, da ist es ja ganz natürlich, daß es mir gut geht.«

      Die Studenten in Upsala sitzen nicht zusammen in Schulstuben und lernen wie Schulkinder, sie sitzen jeder für sich in seinem Zimmer und studieren. Wenn sie mit einem Fach fertig sind, gehen sie zu ihren Professoren und werden in dem ganzen Fach auf einmal überhört. So eine Überhörung heißt ein Tentamen, und das, zu dem der Student an diesem Tage gehen sollte, war gerade das Letzte und Allerschwerste.

      Sobald er sich angekleidet und Kaffee getrunken hatte, setzte er sich an seinen Schreibtisch, um einen letzten Blick in seine Bücher zu werfen. »Ich glaube eigentlich, es ist ganz überflüssig, so gut wie ich vorbereitet bin,« dachte der Student, »aber es wird wohl am besten sein, wenn ich so lange wie möglich büffle, dann brauche ich mir wenigstens keine Vorwürfe zu machen.«

      Er hatte kaum einen Augenblick gelesen, als es an seine Tür pochte, und ein Student mit einem dicken Buch unterm Arm bei ihm eintrat. Es war dies ein Student von ganz anderer Art wie der, der dort am Schreibtisch saß. Er war verschämt und schüchtern und sah abgearbeitet und ärmlich aus. Es war einer von denen, die sich auf Bücher verstehen, aber auch auf nichts weiter. Es hieß, daß er sehr gelehrt sei, aber er war so scheu und ängstlich, daß er sich nie zu einem Tentamen hatte entschließen können. Alle glaubten, er werde »ewiger Student« werden, ein Jahr nach dem anderen in Upsala bleiben und studieren und studieren, es aber nie zu etwas bringen.

      Er kam nun, um den Kameraden zu bitten, ein Buch zu lesen, das er geschrieben hatte. Es war nicht gedruckt, sondern nur mit der Hand geschrieben. »Du würdest mir einen großen Gefallen tun,« sagte er, »wenn du dir dies hier ein wenig ansehen und mir sagen wolltest, ob es taugt.«

      Der Student, dem das Glück stets lächelte, dachte bei sich: »Ist es nicht, wie ich vorhin sagte, daß mich alle gern haben? Hier kommt nun dieser Sonderling, der sich nicht hat überwinden können, seine Arbeit irgend jemand zu zeigen, und bittet mich, sie zu beurteilen.«

      Er versprach, die Handschrift so schnell wie möglich zu lesen, und der andere legte das Buch auf den Schreibtisch neben ihn. »Du mußt gut acht darauf geben,« sagte er, »ich habe fünf Jahre daran gearbeitet, und wenn es abhanden käme, kann ich es nicht noch einmal machen.« – »Solange es bei mir ist, wird ihm nichts zustoßen,« sagte der Student. Und dann ging der andere.

      Der Student nahm das dicke Buch zur Hand. »Ich möchte doch wissen, was der da zusammengeschmiert hat,« sagte er. »Ach so, die Geschichte der Stadt Upsala! Das klingt ja gar nicht übel!«

      Nun liebte dieser Student Upsala über alle anderen Städte, und er war neugierig zu lesen, was der alte Student über die Stadt geschrieben hatte. »Wenn ich mir die Sache recht überlege, kann ich seine Geschichte ebensogut jetzt gleich lesen,« murmelte er. »Es hat ja doch keinen Zweck, hier noch im letzten Augenblick zu sitzen und zu büffeln. Deswegen geht es auch nicht besser, wenn man zum Professor kommt.«

      Der Student las und erhob die Augen nicht von den Blättern bis er zum letzten gekommen war. Als er geendet hatte, war er sehr vergnügt. »Das muß ich sagen, dies ist ja eine ganz kolossale Gelehrsamkeit!« sagte er. »Wenn dies Buch erscheint, ist sein Glück gemacht. Wie ich mich darauf freue, ihm zu erzählen, wie gut sein Buch ist!«

      Er sammelte alle die losen Blätter zusammen, aus denen die Handschrift bestand, und legte sie auf dem Tisch zurecht. Während er damit beschäftigt war, hörte er die Uhr schlagen.

      »Nun wird es wohl Zeit, daß ich zum Professor gehe,« sagte er und beeilte sich, seinen schwarzen Anzug zu holen, der in einer Kammer oben auf dem Boden hing. Aber wie es so oft zu gehen pflegt, wenn man es eilig hat, waren Schloß und Schlüssel neckisch, und es währte eine geraume Zeit, bis er zurückkam.

      Als er in die Tür kam, stieß er einen Schrei aus. In der Eile hatte er die Tür offen stehen lassen, als er ging, und das Fenster, an dem der Schreibtisch stand, war auch offen. Es war Zug entstanden, und nun sah der Student die losen Blätter der Handschrift zum Fenster hinauswirbeln. Mit einem Satz war er am Schreibtisch und legte die Hand auf die Papiere, aber da waren nicht mehr viele zu retten. Nur zehn oder zwölf Blatter lagen noch da. All das andere tanzte mit dem Wind über Höfe und Dächer hin.

      Der Student lehnte sich zum Fenster hinaus und sah den Papieren nach. Auf dem Dach vor dem Mansardenfenster saß ein schwarzer Vogel und sah ihn mit höhnischer Überlegenheit an. »Ist das nicht ein Rabe?« dachte der Student. »Man sagt ja, daß Raben Unglück verkünden.« Er sah, daß noch einige von den Papieren ringsumher auf den Dächern lagen, und er hätte sicher einen Teil des Verlorenen retten können, wenn er nicht an sein Tentamen hätte denken müssen. Aber er fand, daß er vor allen Dingen an seine eigenen Angelegenheiten denken müsse. »Es handelt sich ja um meine ganze Zukunft,« dachte er.

      Er kleidete sich schnell an und ging zu dem Professor. Während der ganzen Zeit beschäftigten sich seine Gedanken mit der verlorenen Handschrift. »Das ist eine schlimme Geschichte,« dachte er. »Es war geradezu ein Unglück, daß ich es so eilig hatte.«

      Der Professor begann mit dem Überhören, aber der Student konnte seine Gedanken nicht von der Handschrift losreißen. »Was sagte doch der arme Bursche?« dachte er. »Sagte er nicht, daß er fünf Jahre an dem Buch gearbeitet habe und nicht die Kraft besitze, es noch einmal zu schreiben? Ich weiß nicht, woher ich den Mut nehmen soll, um ihm zu erzählen, daß sie weg ist.«

      Er war so von dem Geschehenen in Anspruch