Der Gänserich Martin verteidigte sich nach besten Kräften, er biß und schlug, und die anderen Wildgänse gingen auf die Schwäne los. Aber es war klar, wie das Ende hätte ausfallen müssen, wenn sie nicht ganz unerwartet Hilfe bekommen hätten.
Da war ein Rotschwänzchen, das hatte gesehen, daß die Wildgänse zwischen den Schwänen in die Klemme geraten waren, und es stieß sofort den scharfen Warnungsschrei aus, dessen sich die kleinen Vögel bedienen, wenn es gilt, einen Habicht oder einen Falken in die Flucht zu schlagen. Und kaum war der Ruf dreimal ertönt, als alle die kleinen Vögel der ganzen Umgegend auf blitzschnellen Schwingen in einem großen, lärmenden Schwarm nach Hjälstaviken hinabschossen.
Und diese armen, schwachen Kleinen warfen sich über die Schwäne. Sie kreischten ihnen in die Ohren, sie versperrten ihnen die Aussicht mit ihren Flügeln, sie machten sie ganz verwirrt mit ihrem Flattern, sie brachten sie ganz außer sich, indem sie riefen: »Schämt euch, ihr Schwäne! Schämt euch, schämt euch, ihr Schwäne!«
Der Überfall der kleinen Vögel währte nur wenige Augenblicke, aber als sie fort waren und die Schwäne wieder zur Besinnung kamen, da sahen sie, daß die Wildgänse sich davon gemacht hatten und auf die andere Seite der Bucht hinübergeflogen waren.
Der neue Kettenhund
Bei den Schwänen war wenigstens das Gute, daß sie sich zu stolz fühlten, hinter den Wildgänsen drein zu jagen, sobald sie sahen, daß sie entkommen waren. So konnte sich denn Akka mit ihrer Schar in aller Ruhe und Gemütlichkeit auf einer Röhrichtinsel hinstellen und schlafen.
Niels Holgersen war jedoch zu hungrig, um zu schlafen. »Ich muß sehen, in ein Haus zu gelangen, um etwas Essen zu bekommen,« dachte er.
In den Tagen, wo so viel Verschiedenes auf dem See herumtrieb, war es nicht schwer für so einen wie Niels Holgersen ein Beförderungsmittel zu finden. Er besann sich nicht lange, sprang auf ein Stück Brett, das zwischen das Röhricht hineingetrieben war, fischte einen kleinen Stock auf und machte sich daran, sein Fahrzeug durch das seichte Wasser an das Ufer hinüber zu stängeln.
Kaum war er an Land gekommen, als er neben sich im Wasser ein Plätschern hörte. Er blieb stehen, ohne sich zu rühren und sah ein Schwanenweibchen, das wenige Ellen von ihm in ihrem großen Nest lag und schlief, gleich darauf aber sah er einen Fuchs, der ein paar Schritt ins Wasser hinausgegangen war, um sich nach dem Schwanennest zu schleichen. »Hallo! Hallo! Steh auf! Steh auf!« rief der Junge und schlug mit seinem Stock ins Wasser. Das Schwanenweibchen richtete sich auf, doch nicht schneller, als daß sich der Fuchs hätte auf das Weibchen stürzen können, falls er es gewollt hatte. Aber das gab er auf und stürmte auf den Jungen zu.
Der Junge sah den Fuchs kommen und eilte ins Land hinein. Vor ihm lagen ausgedehnte, flache Wiesen. Da war auch nicht ein Baum, in den er hätte hinaufklettern, nicht ein Loch, in dem er sich hatte verbergen können. Niels war ein guter Läufer, aber es war klar, daß er es in bezug auf Schnelligkeit nicht mit einem Fuchs aufnehmen konnte, wenn dieser frei und ledig war und nichts zu schleppen hatte.
Eine Strecke von dem See entfernt lagen einige kleine Häuslereien, wo Licht in den Fenstern war. Der Junge lief natürlich nach dieser Seite, aber er mußte sich selbst sagen, ehe er die Häuser erreichte, konnte ihn der Fuchs mehr als einmal eingeholt haben.
Einmal war der Fuchs so nahe, daß er glaubte, seines Fanges sicher zu sein, da aber lief der Junge hurtig nach der Seite und kehrte wieder an die Bucht zurück. Diese Wendung kostete dem Fuchs Zeit, und ehe er den Jungen abermals eingeholt hatte, war dieser auf ein Paar Männer zugeeilt, die den ganzen Tag draußen auf dem See gewesen waren, um herumtreibendes Gut zu bergen, und die sich nun auf dem Heimwege befanden.
Die Männer waren erschöpft und müde. Sie hatten weder den Jungen noch Reineke gesehen, obwohl beide an ihnen vorübergelaufen waren. Der Junge hatte auch keine Lust, sie anzureden und sie um Hilfe zu bitten, er begnügte sich, dicht an sie heranzuschleichen. »Der Fuchs kann sich doch nicht ganz bis an die Menschen heranwagen,« dachte er.
Bald aber hörte er den Fuchs heranschleichen. Er wagte sich ganz bis an die Männer heran, denn er verließ sich darauf, daß sie ihn für einen Hund halten würden. »Was für ein Hund ist das, der sich hinter uns herschleicht,« sagte auch ganz richtig einer der Männer. »Er ist so nahe, als wenn er uns beißen wollte.« Der andere stand still und sah sich um. »Weg mit dir!« sagte er und stieß mit dem Fuß nach dem Fuchs, so daß der auf die andere Seite des Weges flog. Nun hielt sich der Fuchs in einer Entfernung von ein paar Schritten, aber er folgte ihnen nach wie vor.
Die beiden Männer waren bald bei den Häusern angelangt und gingen in eines derselben hinein. Der Junge hatte die Absicht gehabt, mit ihnen hineinzuschlüpfen; aber als er im Beischlag angelangt war, sah er einen prächtigen, langhaarigen Kettenhund aus seiner Hütte herausstürzen, um seinen Herrn zu empfangen. Da änderte der Junge seinen Entschluß und blieb draußen.
»Du, Kettenhund!« sagte der Junge leise, sobald die Männer die Tür geschlossen hatten. »Willst du mir nicht über Nacht helfen, einen Fuchs zu fangen?«
Der Kettenhund sah nicht gut, und heftig und wütend war er, weil er so lange angebunden gestanden hatte. »Soll ich einen Fuchs fangen?« bellte er böse. »Was für einer bist denn du, der du hierher kommst und mich zum besten halten willst? Komm du nur so nahe heran, daß ich dich fassen kann, da will ich dich schon lehren, Scherz mit mir zu treiben.«
»Du glaubst doch nicht, daß ich bange bin, dir nahe zu kommen?« sagte der Junge und lief an den Hund heran. Als der ihn sah, erstaunte er so, daß er kein Wort zu sagen vermochte.
»Ich bin es, den sie Däumling nennen, und der mit den Wildgänsen reist,« sagte der Junge. »Hast du nicht von mir reden hören?« – »Die Spatzen haben ja freilich manchmal von dir gezwitschert,« sagte der Hund. »Du hast ja große Dinge ausgerichtet, wenn man bedenkt, wie klein du bist!« – »Bisher ist es mir immer gut ergangen,« sagte der Junge, »aber nun sieht es so aus, als wenn mein Ende nahte, falls du mir nicht helfen willst. Ich habe einen Fuchs auf den Fersen. Er steht dort hinter der Ecke und lauert auf mich.« – »Ja, weiß Gott, ich kann ihn wittern,« sagte der Kettenhund. »Mit dem wollen wir bald fertig werden.« Und der Kettenhund sprang hinaus, soweit die Kette es zuließ und bellte und klaffte eine gehörige Zeit.
»Jetzt, glaube ich, kommt er diese Nacht nicht wieder,« sagte der Kettenhund. – »Es gehört mehr als ein Gebell dazu, um dem Fuchs bange zu machen,« sagte der Junge. »Er wird gleich wieder hier sein, und das ist das allerbeste, denn ich habe mir vorgenommen, daß du ihn gefangen nehmen sollst.« – »Fängst du nun schon wieder an, dich lustig über mich zu machen?« sagte der Hund, – »Komm du nur in deine Hütte hinein, damit uns der Fuchs nicht hören kann,« erwiderte der Junge. »Dann will ich dir sagen, wie du es machen mußt.«
Der Junge und der Hund krochen in die Hundehütte und lagen da und flüsterten.
Nach einer Weile steckte der Fuchs die Schnauze um die Ecke, und da alles still war, schlich er auf den Hof. Er konnte den Jungen bis an das Hundehaus wittern und setzte sich in passender Entfernung hin, um darüber nachzudenken, wie er ihn herauslocken könne.
Plötzlich steckte der Kettenhund den Kopf heraus und knurrte ihn an. »Mach', daß du wegkommst! Sonst komm ich und hol' dich!« – »Ich bleibe hier sitzen, solange ich will!« sagte der Fuchs. – »Mach', daß du wegkommst!« sagte der Hund noch einmal in drohendem Ton. »Sonst hast du über Nacht zum letztenmal gejagt.« Aber der Fuchs lachte ihm gerade ins Gesicht und rührte sich nicht vom Fleck. »Ich weiß ja, wie weit deine Kette reicht!« sagte er. – »Ich habe dich zweimal gewarnt,« sagte der Hund und kam aus dem Hundehaus gefahren. »Nun kannst du die Folgen hinnehmen.«
Im selben Augenblick warf er sich mit einem langen Sprung über den Fuchs und erreichte ihn ohne die geringste Schwierigkeit, denn er war los. Der Junge hatte sein Halsband aufgemacht.
Es folgte ein Kampf von wenigen Augenblicken, aber er war bald beendet.