Selma Lagerlöf - Gesammelte Werke. Selma Lagerlöf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Selma Lagerlöf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746750200
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und Mutter auf dem Wege zum Walde hinauf. Als sie auf den Sennpfad kamen, begegneten sie mehreren von ihren Nachbarn. »Wollt' ihr zum Brandplatz hinauf?« – »Ja, dahin wollen wir.« – »Und euch nach den Kindern umsehen?« – »Ja, wir wollen einmal sehen, was sie treiben.« – »Es wird natürlich nichts als Spielerei sein!« – »Viele Bäume werden sie doch nicht pflanzen können!« – »Wir haben den Kaffeekessel mitgenommen, damit sie etwas Warmes bekommen können, sonst müßten sie ja den ganzen Tag von trockner Kost leben.«

      So kamen denn Vater und Mutter auf den Berg hinauf, und zuerst dachten sie an nichts weiter, als wie hübsch es doch aussah mit allen den roten Wangen auf dem grauen Berge. Aber dann beobachteten sie, wie die Kinder arbeiteten, wie einige die Pflanzen hineinsetzten, während andere Furchen zogen und Samen säten, und wieder andere das Heidekraut herausrissen, damit es die jungen Bäumchen nicht ersticken sollte. Und sie sahen, daß die Kinder es ernsthaft mit der Arbeit nahmen, und so eifrig waren, daß sie kaum Zeit hatten, aufzusehen.

      Der Vater stand eine Weile da und sah zu, dann fing auch er an, Heidekraut herauszureißen. Nur zum Scherz, natürlich! Die Kinder waren die Lehrmeister, denn jetzt kannten sie die Kunst, und sie mußten Vater und Mutter zeigen, wie sie es zu machen hatten.

      Es endete damit, daß alle Erwachsenen, die gekommen waren, um nach den Kindern zu sehen, teil an der Arbeit nahmen. Nun wurde es natürlich noch lustiger als vorher. Und es währte nicht lange, da bekamen die Kinder noch mehr Hilfe.

      Sie brauchten mehr Gerätschaften da oben, und ein paar Jungen mit langen Beinen wurden in das Dorf hinabgeschickt, um Hacken und Spaten zu holen. Als sie an den Häusern vorbeirannten, kamen die Leute, die daheim saßen, heraus und fragten: »Was ist da los? Ist ein Unglück geschehen?« – »Nein, nein, aber das ganze Dorf ist da oben auf dem Brandplatze und pflanzt Wald!« – »Wenn das ganze Dorf dort da oben ist, dann wollen wir auch nicht daheimbleiben!«

      So strömten sie denn alle zusammen nach dem abgesengten Berg hinauf. Anfänglich standen sie nur da und sahen zu, dann aber konnten sie es nicht lassen, sich an der Arbeit zu beteiligen. Denn es kann ja vergnüglich sein im Frühling, auf das Feld zu gehen und die Saat auszustreuen und daran zu denken, wie sie nun aus dem Boden aufsprossen wird, aber dies hier war doch noch viel verlockender.

      Aus dieser Saat sollten nicht nur schwache Halme emporsprossen, sondern starke Bäume mit hohen Stämmen und mächtigen Zweigen. Hier rief man nicht nur die Ernte eines Sommers hervor, sondern Wachstum für viele Jahre. Es handelte sich darum, Insektengesumm und Drosselgesang und Auerhahnbalzen und zahlloses Leben auf dem öden Brandplatze wachzurufen. Und außerdem war es gleichsam ein Denkmal, das man für die kommenden Geschlechter errichtete. Man hätte ihnen einen kahlen, nackten Berg als Erbe hinterlassen können, statt dessen erhielten sie nun einen stolzen Wald. Und wenn die Nachkommen das einst erkannten, dann würden sie verstehen, daß ihre Vorfahren gute und kluge Leute gewesen waren, und sie würden mit Ehrfurcht und Dankbarkeit ihrer gedenken.

      Donnerstag, 16. Juni.

      Am nächsten Tag flog Niels Holgersen über Hälsingeland. Mit lichtgrünen Schossen an den Nadelbäumen, frischbelaubten Birkengehölzen, jungem Gras auf den Wiesen und saftig sprossender Saat auf den Feldern lag es unter ihm. Es war ein hochgelegenes, bergiges Land, aber mitten hindurch zog sich ein offenes, helles Tal, und von diesem aus erstreckten sich nach beiden Seiten andere Täler, einige kurz und eng, andere breit und lang. »Dies Land werde ich wohl mit einem Blatt vergleichen müssen,« dachte Niels Holgersen, »denn es ist grün wie ein Blatt, und die Täler verzweigen sich ungefähr auf dieselbe Weise wie die Rippen in der Blattfläche.«

      Von dem großen Haupttal zweigten sich zuerst zwei mächtige Seitentäler ab, eins nach Osten und eins nach Westen. Dann schickte es nur noch kleine Täler aus, bis es ziemlich hoch nach Norden kam. Dort streckte es wieder zwei starke Arme aus. Nun lief es noch ein gutes Stück länger hinauf, wurde dann aber immer schmäler und verlor sich schließlich in der Wildnis.

      Mitten in dem großen Tal floß ein breiter, prächtiger Fluß, der sich an vielen Stellen zu Seen erweiterte. An dem Fluß entlang lagen Wiesen, die ganz mit kleinen, grauen Scheunen übersät waren, an diese Wiesen grenzten Äcker und an der Talgrenze, dort wo der Wald begann, lagen die Höfe. Sie waren groß und gut gebaut, und ein Hof lag neben dem andern in einer fast ununterbrochenen Reihe. Unten am Flußufer ragten Kirchen empor, und um diese scharten sich die Höfe zu großen Dörfern. Andere Häusergruppen lagen um die Bahnhöfe herum und bei den Sägewerken, die hier und da an Seen und Flüssen errichtet waren und die man an den Bretterstapeln, die sich rings um sie auftürmten, leicht erkennen konnte.

      Die Seitentäler waren ebenso wie das mittlere Tal voll von Seen, Feldern, Dörfern und Höfen. Leicht und lächelnd glitten sie zwischen die dunklen Berge hinein, bis sie nach und nach von ihnen zusammengepreßt wurden und schließlich so schmal waren, daß sie nur noch für einen kleinen Bach Platz hatten.

      Die Bergkuppen zwischen den Tälern waren mit Nadelwald bestanden. Der fand keinen ebenen Boden, in dem er wachsen konnte, eine Menge Felsblöcke lagen dort oben wild durcheinander, der Wald aber bedeckte das alles wie eine Pelzdecke, die über einen eckigen Körper gebreitet ist.

      Es war ein schönes Land, wenn man so darauf hinab sah. Und der Junge bekam auch ein gut Teil davon zu sehen, denn der Adler spähte nach dem alten Spielmann Klement Larsson aus und flog suchend von Tal zu Tal.

      Als der Morgen anbrach, entstand Leben und Bewegung auf den Höfen. Die Türen der Kuhställe, die dort in der Gegend groß und hoch waren, und einen Schornstein wie auch hohe, breite Fenster hatten, wurden weit geöffnet, und man ließ die Kühe hinaus. Es waren schöne, weiße, feingebaute und geschmeidige Tiere, sicher auf den Füßen und so munter, daß sie die lustigsten Sprünge machten. Die Kälber und die Schafe kamen auch heraus, und man konnte sehen, daß sie in allerbester Laune waren.

      Mit jedem Augenblick, der verging, wurde es lebhafter auf den Hofplätzen. Ein paar junge Mägde mit Ranzen auf dem Rücken gingen zwischen dem Vieh umher. Ein Junge mit einem langen Stecken in der Hand hielt die Schafe zusammen. Ein kleiner Hund lief zwischen den Kühen herum und kläffte sie bissig an, sobald sie stoßen wollten. Der Bauer spannte ein Pferd vor einen Karren, und belud ihn mit Butterkübeln, Käseformen und allerlei Lebensmitteln. Alles sang und lachte. Menschen wie Tiere waren so vergnügt, als sei ein großer Festtag angebrochen.

      Bald darauf waren sie alle miteinander auf dem Wege zu den Wäldern hinauf. Eine der Mägde ging voran und lockte das Vieh mit wohlklingenden Jodlern. Hinter ihr kamen die Kühe in langer Reihenfolge. Der Hirtenjunge und der Hirtenhund liefen hin und her, um acht zu geben, daß keins der Tiere vom Pfad abwich. Den Beschluß machten der Bauer und sein Knecht. Sie gingen neben dem Karren her, um ihn am Umfallen zu verhindern, denn der Weg, den sie verfolgten, war nur ein schmaler, steiniger Waldpfad.

      Entweder ist es Sitte, daß die Bauern in Hälsingeland ihr Vieh an ein und demselben Tage in die Wälder hinaufschicken, oder es traf sich nur in diesem Jahr so. Soviel aber ist sicher, Niels Holgersen sah die fröhlichen Züge von Menschen und Vieh aus jedem Tal und aus jedem Haus herausziehen, in den öden Wald einbiegen und ihn mit Leben erfüllen. Aus der dunklen Tiefe der Wälder vernahm er den ganzen Tag das Jodeln der Sennerinnen und den Klang der Glocken. Die meisten hatten einen langen, beschwerlichen Weg vor sich, und der Junge sah, wie sie mühselig über sumpfige Moore zogen und Umwege machen mußten, um Windfälle zu umgehen, während die Karren oft gegen Steine stießen und mit allem, was darin war, umstürzten. Aber die Senner begegneten allen Schwierigkeiten mit fröhlichem Lachen und bester Laune.

      Im Laufe des Nachmittags langte der Zug auf ausgerodeten Plätzen im Walde an, wo ein niedriger Kuhstall und kleine, graue Hütten standen. Als die Kühe auf den Platz zwischen den Hütten kamen, brüllten sie vergnügt, als erkennten sie den Ort wieder, und machten sich gleich daran, von dem grünen, saftigen Gras zu fressen. Unter Scherzen und fröhlichem Geplauder holten die Leute Wasser und Brennholz und trugen alles, was sie auf dem Karren mitgebracht hatten, in die größte der Hütten. Bald stieg Rauch aus dem Schornstein auf. Und dann setzten sich die Sennerinnen, der Hirtenjunge