Die Zeitgene. Christian Manhart. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Manhart
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844213973
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hörst du mir zu?“

      „Ja, Mutter ich höre dir zu.“

      „Weißt du, das mit deinen Beinen ist schon sehr schrecklich.“

      Johann betrachtete seine Mutter aufmerksam. Sie war alt geworden. Neben ihm saß eine Frau an der die Jahre deutliche Spuren hinterlassen haben. Vor allem ihre stark ergrauten Haare, die Sie nun straff zusammengebunden hatte, verstärkten das Bild einer älteren Frau. Johann wusste in diesem Moment gar nicht wie alt seine Mutter eigentlich war. Aber es hatte sich nur ihr Äußeres verändert. Ihre schroffe, abweisende und kühle Art hatte Sie nicht abgelegt. Johann überlegte, ob Sie noch arbeitete oder bereits pensioniert war. Er entschied sich gegen die Pensionierung, weil die Arbeit der einzige Lebensinhalt seiner Mutter war. Sie wäre ob der Frage bestimmt beleidigt gewesen.

      Trotz der Bedenken von Dr. Orter, hatte Johann darauf bestanden die Klinik so bald als möglich zu verlassen. Auch wenn die drei Wochen Reha geradeso genügten um seine Muskulatur soweit aufzubauen, dass er die notwendigsten Dinge ohne fremde Hilfe verrichten konnte.

      Karin holte Johann wie versprochen ab. Sie hatte ihm sogar etwas Neues zum Anziehen gekauft. Ein Großteil seiner Kleidung war mitsamt seinem Hausrat verbrannt. Johann besaß deshalb kaum mehr persönliche Sachen. Während der letzten Tage im Krankenhaus hatte er diese Tatsache weitgehend verdrängt. Doch als er nun im Auto sass, wurde es ihm so richtig bewusst, was es bedeutete, seiner Habseligkeiten beraubt zu werden. Schweigend fuhren sie durch Würzburg. Er hatte nichts mehr. Seine Arbeit war restlos vernichtet. Das war eine sehr, sehr bittere Erkenntnis.

      Als Dank für seine erfolgreiche Forschung hatte er einen Rollstuhl und Krücken bekommen. Das war kein gerechter Lohn für sein emsiges Streben.

      Am nächsten Morgen, fuhr ihn Karin zur Universität. Johann war fassungslos, als er im Vorzimmer des Dekans erfuhr, dass Robert Welger nicht mehr an der Universität war. Er hatte kurz nach dem Brand des Instituts in Tübingen, die Universität auf eigenen Wunsch verlassen. Seine Sekretärin konnte Johann nur die Gerüchte erzählen, nachdem Welger in die Privatwirtschaft gewechselt war. Der neue Dekan der Mikrobiologie nahm sich freundlicherweise die Zeit für eine ausgiebige Unterredung mit Johann. Sie kannten sich beide nur vom Hörensagen. Professor Gerhard Epping eröffnete ihm schon nach wenigen Minuten, dass die Molekularbiologie momentan vollbesetzt sei und die Universität keine neuen Stellen schaffen wollte. Natürlich würde er sich über eine Kapazität wie Dr. Schellberg eine darstellte, außerordentlich freuen. Deshalb räumte er ihm freundlicherweise die Nutzung einer zeitlich begrenzten Stelle ein. Johann sollte die Möglichkeit haben die Geräte und Laboreinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Mitarbeiter musste er allerdings auf eigene Kosten einstellen. Epping blieb die ganze Zeit über freundlich, aber sehr bestimmt. Trotzdem lag eine gewisse Spannung in der Luft. Dieser mysteriöse Brand in Tübingen und der Weggang von Welger hingen irgendwie zusammen. Johann konnte intensiv das Quentchen Misstrauen spüren, das ihm Epping entgegenbrachte. Professor Welger hatte seinem Nachfolger keine Informationen über die Beziehung der Universität Würzburg zu dem Molekularbiologischen Institut von Tübingen hinterlassen. Die Forschung die dort unter der Leitung von Johann betrieben wurde, lag immer noch im Geheimen. Epping nahm ihn deshalb nicht unbedingt mit offenen Armen auf. Doch Johann brauchte sofort einen Platz um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Er sagte trotzdem zu, um wenigstens für den Anfang einen Platz zum Forschen zu haben. Johann musste unbedingt wieder in seinen gewohnten Rhythmus zurückfinden. Er brauchte die Arbeit um sein privates und körperliches Unglück zu kompensieren.

      Die nächsten Tage waren trotz seines Ehrgeizes enorm anstrengend für Johann. Sein Körper war durch das monatelange Liegen immer noch total geschwächt. Er hatte den Muskelschwund und die Schwäche völlig unterschätzt. Vielleicht wäre es besser gewesen auf Dr. Orter zu hören und sich im Krankenhaus noch weiter aufbauen zu lassen. An seinem ersten Arbeitstag war er jedenfalls schon mittags nicht mehr in der Lage seine Arme zu heben. Er hatte einfach keine Kraft mehr darin. Nur sein Kopf arbeitete weiter auf Hochtouren. Wie besessen war er von seinem Forschungsvorhaben. Diesmal drängte ihn niemand von außerhalb. Die Triebfeder war er nun selber. Er selbst konnte es kaum erwarten, die Geheimnisse der ruhenden und abgeschalteten Gene auf zu decken.

      Johann hatte von Epping nur ein winziges Arbeitszimmer bekommen. Das hatten die anderen Mitarbeiter eher widerwillig an ihn abgetreten. Johann fühlte sich überhaupt nicht wohl in diesem Klima des Misstrauens. Und doch hatte sich die Nachricht von seiner Genesung in der wissenschaftlichen Welt wie ein Lauffeuer ausgebreitet. Nach drei Tagen wurden von der Telefonverwaltung immer mehr Gespräche an ihn durchgestellt. Nachdem sich die Anrufer nach seinem Gesundheitszustand erkundigt hatten, wollten sie über seine weiteren Pläne informiert werden. Professor Johann Baptist Schellberg war zurückgekehrt und er genoss weiterhin einen exzellenten wissenschaftlichen Ruf.

      So dauerte es keine Woche und Johann hatte ein interessantes Angebot der Universität von Münster auf dem Tisch liegen. Der Dekan Professor Waldhans sicherte ihm sorgloses Arbeiten zu. Zufälligerweise hatte man dort einen Auftrag zur Erforschung der Krankheit Parkinson auszuführen und eine unbesetzte Stelle zu vergeben. Weiterhin wurde ihm von Waldhans in Aussicht gestellt, dass er die Einrichtungen der Universität für eigene Forschungen nutzten konnte. Das war das eigentlich Reizvolle an dem Angebot.

      Am Abend besprach er die aktuelle Situation mit Karin.

      „Niemand an dieser Universität will mir etwas über den Weggang von Robert erzählen. Das ist doch komisch, findest du nicht?“

      „Bernhard hatte erzählt, dass Welger sich geweigert hatte über die Forschung in Tübingen Auskunft zu geben. Immerhin hatte er dich doch zu dem Projekt gedrängt, oder nicht?“

      „Doch, das ist schon richtig. Aber ich werde von den Kollegen wie ein Fremdkörper behandelt. Ich komme mir vor wie ein Eindringling. Das ist kein Platz mehr für mich. Ich habe übrigens ein Angebot bekommen. Nach Münster. Was hältst du davon?“

      „Münster?“

      „Genau, dort ist eine Stelle frei und sie haben keine Vorurteile. Ich könnte mich um meine Privatforschung kümmern und nebenbei etwas von der Parkinson herausfinden. Möchtest du mitgehen? Wenn du Lust hast könnte ich dir ein Stelle beschaffen.“

      „Wie weit ist denn das von Würzburg entfernt?“

      „Ziemlich genau 400 Kilometer. Mit dem Auto wird man 3 bis 4 Stunden unterwegs sein.“

      „Na, ja wenn du meinst. Ich kann schon mitkommen.“

      „Ich habe noch nicht zugesagt. Ich habe gehofft, du begleitest mich beim Vorstellungsgespräch. Ich meine, diese Beinstummel schränken meine Mobilität ein. Es wäre schön wenn du mich fahren könntest. Winston nehmen wir natürlich mit.“

      Karin zuckte mit den Achseln. Sie befand sich immer noch in einer Art seelischem Schwebezustand. Ihr Leben war noch lange nicht im Lot. Ob Sie nun in Würzburg lebte oder in Münster, spielte dabei keine Rolle. Sie spürte, dass es noch Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern würde, bis Sie in der Lage war, die schrecklichen, traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.

      „Na gut. Ich kann dich gerne begleiten. Wann hast du einen Termin?“

      „Ich kann morgen anrufen und etwas vereinbaren.“

      „Ich habe Zeit.“

      „Vielen Dank, Karin. Das ist wirklich sehr nett von dir…Ich meine alles ist sehr nett. Wie du dich um mich kümmerst. Und Winston. Es ist dein Baby. Dein Kind.“

      Ohne es wirklich zu wollen, brach es plötzlich aus ihr heraus. Gerade Winston war zu einem zentraler Punkt in ihrem Leben geworden, nach den Ereignissen in Tübingen. Johann hatte in darin herumgerührt und die Erinnerungen waren wieder lebendig wie schon lange nicht mehr. Sie erhob die Stimme und wurde wütend. Es war eine Wut gemischt mit Trauer und Vorwürfen.

      „Weißt du Johann, ihr habt mein Leben zerstört. Ihr habt mir meine Familie genommen. Ihr habt sogar meine Existenz ausgelöscht. Einfach so. Weil wir euch lästig waren und dieser Timmen um seine dubiosen Geschäfte fürchtete. Johann, du bist ein einsamer Phantast. Sie haben