Die Zeitgene. Christian Manhart. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Manhart
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844213973
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Dr. Orter sah ihm besorgt dabei zu. Nachdenklich schob er ihn in seine Zimmer. Professor Schellberg war in bestimmten Kreisen sehr bekannt und geachtet. Nicht auszudenken, wenn so eine Kapazität der Wissenschaft dauerhaft verloren ginge.

      Johann vermisste seine Beine. Plötzlich nicht mehr gehen zu können, war eine grausame Erfahrung. So hilflos an das Bett gefesselt zu sein. Dazu war sein eigenes Institut abgebrannt und dem Erdboden gleichgemacht. Alles war vernichtet. Mit 5000 Litern an Brennstoff. Wer war so verrückt und hatte das getan? Seine ganze jahrelange und höchst erfolgreiche Arbeit umsonst. Er war, soweit konnte er sich noch erinnern, auf gutem Weg gewesen. Seufzend und unter größter Anstrengung mühte er sich unter Beihilfe von Dr. Orter vom Rollstuhl wieder in sein Bett. Erschöpft brachte er sich in eine liegende Position. Der Arzt hatte Recht: Seine Kraft in den Armen war bedeutungslos. Sie reichte kaum aus um sich wieder in das Bett zu ziehen. Johann seufzte und schloss die Augen. Kurz darauf schlief er ein.

      Johann hörte Stimmen und wachte auf. Eine der Stimmen davon, war ihm völlig unbekannt. Sie hatte keinen menschlichen Klang. Ein hohes Quieken ähnlich einem Katzengeschrei. Eine Katze hier im Krankenhaus? Hatte jemand eine Katze mitgebracht? Er blinzelte, um unbemerkt etwas sehen zu können.

      Eine junge Frau stand neben seinem Bett. Sie hatte eine Art menschliche Puppe auf dem Arm. Die Puppe bewegte sich heftig. Die Frau hatte große Mühe, die mit den Armen und Beinen heftig zappelnde Puppe festzuhalten. Er vernahm ihre Stimme die beruhigend auf die Puppe einredete. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor.

      Johann öffnete die Augen.

      „Johann! Du bist tatsächlich wach! Wie geht es dir? Erkennst du mich?“

      Karin setzte sich auf den Bettrand. Sie lächelte in freundlich an. Die Puppe auf ihrem Arm lächelte ebenfalls.

      „Schau mal, wen ich hier dabei habe, Johann. Kommt er dir bekannt vor? Das ist Winston. Schau, er kann es kaum erwarten zu dir zu kommen. Er hat immer mit dir gespielt während du im Koma warst.“

      Karin setzte Winston auf seinen Schoß und der Kleine krabbelte augenblicklich los, in Richtung seines Gesichtes. Er gluckste und quietschte dabei vor Vergnügen. Johann hob die Hände, damit Winston nicht herunterfallen konnte. Winston streckte ein Händchen aus und patschte damit in Johanns Gesicht. In Johann öffneten sich die Erinnerungen. Immer klarer wurden Namen, Bilder und Zusammenhänge in seinem Gedächtnis. Winston war ihr Star gewesen. Er war mit Karin und Bernhard im Institut gewesen. Er hatte ihnen die Forschung gezeigt. Karin hatte Winston herausgenommen. Am Abend hatten sie du dritt noch endlos lange diskutiert. Aber dann war der Film vorerst zu Ende. Johann betrachtete ausgiebig den Winzling der mit seinen kleinen Händchen versuchte, die große Nase von Johann zu greifen. Johann genoss das Gefühl von diesem wunderbaren künstlich geschaffenen Wesen berührt zu werden. Er riskierte einen vorsichtigen Blick zu Karin.

      „Na, was sagst du? Er mag dich. Wir haben dich sehr oft besucht, weißt du.“

      Sie nahm die dürre Hand von Johann. Mit der anderen streichelte sie über seine Wangen. Deutlich spürte Sie die Knochen darunter.

      „Gott sei Dank, bist du wieder aufgewacht. Weißt du eigentlich wer ich bin?“

      Johann hatte plötzlich Tränen in den Augen. Sehr genau war da die Erinnerung an Karin, wie Sie im Babysaal gestanden hatte und hemmungslos geweint hatte. Damit hatte alles angefangen. Winston hatte es inzwischen geschafft und sich seiner Nase bemächtigt. Er drückte und zerrte daran herum. Mit seiner Piepsstimme begleitete er lautstark seine Erkundung.

      „Karin. Ich kann es noch nicht begreifen. Wie ist das alles passiert? Woher hast du denn unseren Winston? Du musst mir alles erzählen. Mir fehlt eine ganze Menge. Eigentlich fast alles.“

      „Natürlich, ich werde es dir alles haarklein erzählen, Johann. Der Arzt sagt, wenn du darauf bestehst, darfst du schon bald nach Hause gehen. Entschuldige...“

      „Ist schon in Ordnung, ich werde mich wohl oder übel daran gewöhnen müssen nicht mehr gehen zu können. Wo wohnst du denn und was hast du seither gemacht?“

      „Ich wohne mit Winston hier in Würzburg. Wir haben ein nettes Haus gemietet. Alles andere ist eine lange Geschichte, Johann. Am Besten, ich erzähle es dir wenn du zu Hause bist. Dein Freund Bernhard Hollmann wird sich auch sehr freuen, dass du wieder wach bist. Er hat mir sehr geholfen. Du kannst übrigens gerne bei mir wohnen, solltest du nicht zurück zu deiner Mutter wollen.“

      „Ach ja, meine Mutter. Kennst du Sie?“

      „Ja, Sie war erschüttert als man ihr das Unglück mitteilte.“

      „Karin ich muss zurück in die Universität. Ich muss unbedingt weiterarbeiten. Ich habe unendlich viel zu tun.“

      „Du wirst doch nicht dieses Irrsinnsprojekt weiterführen wollen? Sag, dass das nicht wahr ist! Außerdem gibt es jemand der gar nicht erfreut sein wird über deine Genesung…“

      „Klaus Timmen!“

      „Du hast es erfasst. Er wird dich augenblicklich umbringen lassen, sollte er erfahren, dass du diese Forschung fortführen willst. Johann überleg dir das!“

      Karin hatte den letzten Satz sehr leise, fast unhörbar ausgesprochen.

      „Ach, das glaube ich nicht. Er hätte doch genug Gelegenheit gehabt, während ich im Koma lag. Aber nein. Nein, keine Angst, ich werde das Projekt natürlich nicht weiterverfolgen. Das ist vorbei. Diese Forschung muss unter offiziellem Dach erfolgen und nicht unter der Knute einer Privatgesellschaft. Aber lassen wir das lieber. Ich glaube es ist besser sich nicht mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Dr. Orter hat mir schon alles Wichtige darüber erzählt. Ich will nach vorne schauen.

      Ich werde ein neues Projekt verfolgen. Mir sind nämlich, während ich im Koma war, verschiedene andere Zusammenhänge klar geworden. Ich will sie wissenschaftlich beweisen und erklären. Ich muss meine Vermutungen nachweisen.“

      „Und wo willst du denn diese Forschungen betreiben?“

      „Na, hier in Würzburg. Robert Welger, der Dekan hatte mir eine Professur versprochen. Ich werde hier in Würzburg eine neue Forschung aufbauen.“

      Karin sagte nichts darauf. Über die internen Angelegenheiten der Universität wusste sie nicht Bescheid. Sie hatte in den letzten Monaten Abstand von den Vorfällen genommen und sich voll und ganz auf Winston konzentriert. Karin wollte ihm eine gute Mutter sein. Sie hoffte darauf, Johann würde sich um die bestehenden Anomalien von Winston kümmern. Seine Existenz konnte schließlich den Behörden nicht länger verheimlicht werden. Es war schwer genug gewesen ihre eigene Existenz nachzuweisen. Ohne Bernhard wäre ihr das nie und nimmer gelungen. Er hatte bezeugt, sie bei dem Unfall gerettet zu haben und dass alles ein großes Missverständnis gewesen war. Auf diese Weise konnte sie wieder ihre Papiere bekommen. Aber Winston war noch immer ohne jeglichen Nachweis.

      Sie nahm den kleinen Kerl von Johanns Brust. Johann hatte die ganze Zeit über größte Mühe damit gehabt, Winston von seiner Nase fern zu halten. Sie hatte es dem Kleinen angetan. Hin und wieder hatte Winston die Augen geöffnet. Johann war erschrocken als er die winzigen roten Augen hinter den Lidern zu sehen bekam.

      Karin bändigte gekonnt den quirligen und puppenhaft wirkenden Winston. Sie steckte ihm einen selbstgebauten Schnuller in den Mund. Zufrieden nuckelte er daran. Sie verabschiedete sich von Johann und versprach am nächsten Tag wieder zu kommen.

      Kaum war Karin mit Winston verschwunden, klopfte es an der Tür. Seine Mutter erschien im Türspalt.

      „Johann! Mein Junge! Gott sei Dank. Du hast es geschafft. Wenn das dein Vater wüsste!“

      Johann war total überrascht. Er konnte sich nicht erinnern, ob seine Mutter in den letzten Jahren gelächelt hatte. Seine Mutter zog sich aus der Ecke energisch einen Stuhl heran und setzte sich neben sein Bett. Aufmerksam beobachtete sie ihn.

      „Mein Gott, Johann du bist so mager geworden. Hoffentlich erholst du dich bald. Ich freue mich schon darauf, wenn wir sonntags zusammen wieder Tee trinken