Gegen diese Zukunft. Ernst Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Meder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844297416
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an ihr vorbei trottete. Jetzt tat er ihr schon wieder leid, wie er als Büßer versuchte, eine Stelle zu finden, an der er sich entleeren konnte.

      Der Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es erst drei viertel acht war, trotzdem wollte sie die Unterbrechung nutzen, um die Tiere zu füttern. Bei den Hühnern und Schweinen hatte sie kein Problem, Angst hatte sie bei den Gänsen, seit eine Bekanntschaft etwas schmerzhaft verlaufen war. Allerdings konnte sie diese auch von außerhalb des Freigeheges füttern, damit blieb sie außerhalb der Reichweite ihrer garstigen Schnäbel.

      Das Futter befand sich in der angrenzenden Scheune, von wo aus sie alle Tiere füttern konnte, ohne die Scheune zu verlassen, sollte es während der Fütterungszeit regnen.

      Schnell zog sie sich ihre Arbeitskleidung über, dann trat sie aus dem Hauseingang, von wo sie direkt auf das Freigehege der Gänse schaute. Sie waren ungewöhnlich ruhig am heutigen Morgen, auch die sonst üblichen Geräusche aus dem Schweinestall waren verstummt.

      Ein leichter Schauer überlief ihren Rücken, plötzlich spürte sie, wie sich die Härchen an ihren Armen aufrichteten. Diese ungewohnte Stille machte ihr zum ersten Mal bewusst, welche Geräusche eigentlich sonst so zu hören waren.

      Weshalb heute diese Ruhe, sie trat in den Hof, sah sich um, dann ging sie, sich fortwährend umsehend auf das Tor der Scheune zu. Holger schien gestern Abend das Scheunentor nicht richtig geschlossen zu haben, denn sie konnte sehen, dass dieses einen Spalt offenstand.

      Energisch schüttelte sie ihr Haupt, eigentlich entsprach dies nicht seinem Verhalten, wahrscheinlich waren es andere Gründe, die dazu geführt hatten. Jetzt machte sie sich schon wegen schlafender Gänse und schlafender Schweine verrückt, das musste an ihrer Schwangerschaft liegen, früher wäre ihr das nie passiert.

      Mit neu erwachter Energie stieß sie das Tor auf, sie hatte das Problem erkannt, es lag ausschließlich an ihr, besser gesagt an ihrem Zustand.

      Sie sah ihn sofort, oh nein, leise wimmernd ließ sie sich neben ihn sinken, seine Augen waren offen, aus seinem rechten Mundwinkel war ein bereits angetrocknetes Blutrinnsal sichtbar. Mit zitternden Händen griff sie an seinen Hals, sie wollte nicht glauben, dass er tot war, wollte nicht glauben, dass sein Herz zu schlagen aufgehört hatte. Blickte in seine graublauen Augen, die sie jetzt nur noch wässerig anstarrten.

      Laut aufschluchzend sank ihr Kopf auf seine Brust, dann liefen ihre Tränen auf seinen Pullover, den er gestern Abend angezogen hatte. Sie setzte sich neben ihn, nahm seine Hand in ihre Hände, dann drückte sie ihr tränennasses Gesicht hinein. Es konnte nicht sein, es durfte nicht sein, er hatte sich so sehr auf seine Tochter gefreut. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie so da gesessen und leise in seine Hand geschluchzt hatte, als sie eine zärtliche Berührung spürte.

      Brutus stand neben ihr, seine mitleidigen Augen wirkten durchsichtig, als er seinen Kopf auf ihren Schenkel legte. Erst jetzt sah sie, worauf Holger lag, es war die alte Egge, die noch von ihrem Großvater benutzt worden war, die eigentlich als Erinnerungsstück immer an der Wand hängen sollte. Wie kam diese Egge auf den Hallenboden, wer hatte sie von der Wand abgenommen, sehr viel wichtiger war jedoch, wer hatte Holger umgebracht und hier auf die Egge gelegt.

      Sie konnte später nicht sagen, wie sie ins Haus gekommen war, wie sie die Polizei angerufen hatte. Erst als der Polizeiwagen mit Blaulicht auf den Hof fuhr, erwachte sie aus ihrer Erstarrung. Holger, sie musste ihnen Holger zeigen, außerdem musste sie der Polizei den Mörder nennen. Dieser sollte nicht ungestraft davonkommen.

      Sie stakste auf den Polizeiwagen zu, die Tränenspuren in ihrem Gesicht bewirkte ein maskenhaftes Aussehen, das die Beamten erschreckte.

      ›Haben Sie bei uns angerufen‹, die Frage der Beamtin kam zögerlich von der Beifahrerseite, die in diesem Moment geöffnet wurde. Dann mitfühlend, ›wo ist Ihr Mann‹, sie hatte sofort gesehen, dass eine Diskussion nicht möglich war, diese Frau wies alle Anzeichen eines Schocks auf.

      Sie hatte nur zu der Scheune gezeigt, als beide Beamten auch schon losrannten, bereits am Eingang den Toten sahen, der von einem Hund bewacht wurde. Wahrscheinlich nur reflexartig versuchte er, die nicht mehr vorhandenen Zähne zu fletschen, als er leicht schwankend seine Verteidigungsstellung einnahm. Niemand sollte ihn abhalten, sein Herrchen vor diesen fremden Eindringlingen zu verteidigen.

      ›Ruf die Mordkommission an, ich glaube, der wurde tatsächlich umgebracht‹, stellte der erste Beamte nach einem flüchtigen Blick fest, ›dann versuche, dass die Frau den Hund von der Leiche entfernt.‹ Den Schluss hatte er fast geflüstert, er wollte nicht missverstanden werden, seine Kollegin war in diesen Dingen verbindlicher.

      2. Kapitel

      ›Entschuldigen Sie‹, Maja Lieberknecht blickte auf die Frau, die angespannt auf einer Bank vor dem Haus saß und ohne Regung dem Treiben auf ihrem Hof zusah. ›Frau Geldern‹, sie wartete einen Augenblick, wollte sich vergewissern, dass ihre Anwesenheit wahrgenommen wurde, dann sprach sie weiter. ›Mein Name ist Maja Lieberknecht, ich möchte Ihnen mein Bedauern zum Tod Ihres Mannes ausdrücken ich werde den Tod Ihres Mannes untersuchen.‹

      Sie wartete erneut auf eine Reaktion, ›ich werde mich zuerst in der Scheune umsehen, im Anschluss daran würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten, glauben Sie, dass das möglich ist‹.

      Langsam kam Bewegung in die Frau, ihr Mund, begann sich zu bewegen. Maja Lieberknecht musste sehr genau zuhören, so leise kam die Antwort.

      ›Ich kann Ihnen sagen, wer meinen Mann umgebracht hat‹.

      ›Sie wissen, wer Ihren Mann umgebracht hat, haben Sie ihn gesehen oder woher wissen Sie das‹.

      ›Gehen Sie, aber kommen Sie wieder, wenn sie fertig sind, ich möchte, dass die Leute gehen‹.

      ›Hallo Leute, wie sieht es aus‹, Maja Lieberknecht, Kommissarin der Mordkommission Eberswalde trat zur Gruppe vor der Scheune, bei der ihr Kollege Max Schultze bereits die ersten Ermittlungen aufgenommen hatte.

      ›Wir sind so weit, wir haben alle Spuren aufgenommen, der Arzt hat den Toten in der Lage untersucht, in der er aufgefunden wurde. Jetzt warten wir nur noch auf Ihr OK, damit wir die Leiche von der Egge nehmen können. Auch der Doc erwartet Ihr Plazet, damit er an der Rückseite weitere Untersuchungen vornehmen kann‹.

      Maja zog sich blaue Füßlinge über die Schuhe, streifte Handschuhe über ihre relativ zierlichen Hände, dann ging sie zu dem Toten. Suchend glitt ihr Blick über die Umgebung, registrierte einen verschobenen Strohballen, auf dem ein altertümlicher Dreschflegel lag.

      Sie beugte sich nach unten, nahm den rechten Arm des Toten, betrachtete die leichten Verletzungen der Knöchel an der Hand, um ihn vorsichtig an die vorherige Stelle zu legen. Auch wenn man bereits alles fotografiert hatte, wollte sie vorerst keine Änderung vornehmen. Es war wichtig für sie, dass sie die Verletzungen im Detail betrachtete, um im Anschluss daran die Verletzungen in ein Gesamtbild einzuordnen.

      Auf der anderen Seite griff sie nach dem linken Arm, hörte, wie es leise knirschte, als sie ihn bewegte. Es fühlte sich an, als wären Elle und Speiche durchbrochen. Sie schob den Ärmel des Pullovers nach oben, sah ein überdimensionales Hämatom, aus dem die Spitze eines Knochens ragte.

      Eine leichte Veränderung des Kopfes zeigte das erwartete Ergebnis, eine bereits verschorfte Platzwunde am Hinterkopf. Langsam richtete sie sich auf, trat zwei Schritte zurück, dann betrachtete sie intensiv den vor ihr liegenden Toten. Nachdem sie etwa fünf Minuten wie gedankenverloren auf den Toten geblickt hatte, wandte sie sich ab.

      ›Ihr könnt ihn jetzt umdrehen, mal sehen, was uns da noch erwartet‹.

      Der Arzt, der etwas abseitsstand und rauchte, wartete geduldig darauf, seine Abschlussuntersuchung an dem Tatort vornehmen zu können, damit die Leiche in die Pathologie überführt werden konnte.

      ›Haben Sie den gebrochenen linken Arm gesehen, Doc‹ sie stellte die Frage beiläufig, eigentlich wusste sie, dass diesem selten etwas entging, wenn er zu einem Tatort gerufen wurde.