Es bleibt für immer ein Geheimnis. Philipp Porter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Philipp Porter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745046427
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einfach zu bitten, nochmals auszusteigen. Er hob bereits den Arm und wollte sich mit lautem Rufen Gehör verschaffen, als Miller mit hochrotem Kopf und sich durch die Sitzreihen hindurchzwängend wieder nach vorne kam.

      „Hast du die Papiere?“, sagte er keuchend, nahm sie an sich und drückte Stein, ihn vor sich herschiebend, ins Cockpit hinein.

      „Hör mal, ich glaube, wir sollten …“, bekam Stein gerade noch heraus, als aus dem Lautsprecher eine Anfrage des Towers tönte. Miller zwängte sich sofort auf seinen Sitz und nahm den Funkspruch, der einen um eine Viertelstunde vorgezogenen Start ermöglichte, entgegen.

      Wollte denn niemand ihm zuhören? Konnten sie mit gutem Gewissen einfach starten, ohne nochmals alles zu überprüfen? Immerhin hatte Hajo die Maschine nur auf ihre Flugtauglichkeit überprüft und nicht nach einem Sprengsatz gesucht. Ein kleiner Sprengsatz an der richtigen Stelle und … bei dem Gedanken wurde es Stein schlecht, und er schaute nervös in die Kabine hinein.

      „Was ist los? Wir haben einen Slot und du stehst da und starrst Löcher in die Luft. Komm, oder willst du auf eine Extraeinladung des Towers warten?“, blaffte Miller, und Stein war fast schon dankbar für diesen Anpfiff, der ihn aus seinen verrückten Gedanken riss.

      „Nein, schon gut“, schnaubte er zurück, zwängte sich ebenfalls auf seinen Sitz, legte den Gurt an und startete die Triebwerke.

      *

      Dröhnen durchdrang die Maschine, und Stein hielt unbewusst den Atem an. Angespannt hörte er auf den Klang der Triebwerke. Doch nach wenigen Sekunden veränderte sich die Tonhöhe und die beiden Turbinen gingen in den singenden und pfeifenden Ton über, den er kannte. Miller übernahm währenddessen die Warnhinweise an die Passagiere, das Rauchen einzustellen und sich anzuschnallen, und den Funkverkehr zum Tower. Kurz nach der Meldung an den Tower, die Miller absetzte, obwohl Stein ihm noch keine Freigabe erteilt hatte, bekamen sie auch schon die Rollerlaubnis.

      „Die haben’s heute ja wirklich eilig“, knurrte Stein leise vor sich hin, warf einen kritischen Blick aus dem Seitenfenster in Richtung Triebwerk, löste die Bremsen und erhöhte den Schub. „Na ja, dann wollen wir mal“, sagte er dabei eher zu sich selbst als zu Miller und schaute nochmals aus dem Seitenfenster. Diesmal nicht zum Triebwerk zurück, sondern zu Wagner, der etwas abseits von Hangar 12a stand. Durch den heißen Düsenstrahl hindurch, der die kalte Februarluft zum Flimmern brachte, sah er, dass Wagner sichtlich gut gelaunt in sein Handy hineinbrüllte.

      *

      Mit pfeifenden Triebwerken rollte die Cessna in Richtung Rollbahn, und Stein nahm wenige Meter vor der Startbahn den Schub zurück. Langsam ließ er die Maschine ausrollen und stoppte sie kurz vor der Markierung, die links und rechts der Bahn angebracht war.

      Dieser Moment war für ihn einer der schönsten an seinem Beruf. Der Blick über die endlos wirkende Rollbahn, deren Ende auch im Winter sich im Flimmern der Luft verlor. Das Dröhnen der Triebwerke, das erregende Zittern der Maschine und das Warten auf die endgültige Startfreigabe.

      Alleine das Warten produzierte eine Anspannung in ihm, die der Nervosität eines Schauspielers gleichen musste, der kurz vor seinem Auftritt stand. Auch er wusste genau, was er zu tun hatte und wie es sich anfühlen würde, wenn er die Gashebel nach vorne drücken würde. Aber dennoch, es war immer wieder wie beim allerersten Mal.

      Und da war sie: die Freigabe. Stein hörte schon gar nicht mehr auf die Stimme, die aus dem Lautsprecher drang. Denn das, was er hörte, war nur noch Routine für ihn. Er löste die Bremsen, drückte die beiden Gashebel der Triebwerke nach vorne und gab durch ein kurzes Kopfnicken Miller zu verstehen, dass sie starten würden.

      „Cessna Citation two, ready for departure“, knurrte Miller in das Mikrofon hinein, und Stein konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Kurz darauf drang es aus dem Lautsprecher zurück: „Cessna Citation two, wind two-four-zero degrees, nine knots, runway two, cleared for take-off and good flight.”

      *

      Die Cessna vibrierte unter dem Schub der Triebwerke, und Stein war wie bei jedem Start fasziniert von diesen kleinen, zweistrahligen Maschinen. Er liebte die gewaltige Kraft der Triebwerke und den Druck, den er dabei auf seinem Körper spürte.

      Schon nach wenigen Metern erhöhte er den Schub, und die Markierungsstreifen der Startbahn rasten unter ihnen hindurch. Ein leichtes Vibrieren durchzog für einen kurzen Moment das Flugzeug und dann war nur noch das Pfeifen der Triebwerke zu hören. Eine merkliche Kraft presste Stein in seinen Sitz hinein, als er das Steuerruder an sich heranzog, und verstärkte sich nach wenigen Sekunden zu einem festen Druck. Die Maschine hatte abgehoben und stieg steil in den wolkenlosen Himmel hinein.

      „Sag unseren Passagieren mal guten Tag und entschuldige dich im Namen der Fluggesellschaft für unseren rasanten Start. Ich denke, denen ist das alles etwas zu schnell gegangen“, sagte Stein zu Miller und betätigte dabei den Fahrwerkschalter, damit sich die Räder in den Rumpf legen konnten.

      „Ja, ich glaube auch, wir waren etwas schnell. Ich habe vollkommen vergessen, ihnen einen guten Flug zu wünschen. Aber ich nehme an, sie werden Verständnis für uns haben. Immerhin werden wir fünfzehn Minuten früher in Salzburg landen als geplant.“ Miller nahm das Kabinenmikrofon aus seiner Halterung und teilte den Passagieren die gute Nachricht mit. Ein zustimmendes Raunen und lautes Händeklatschen war kurz darauf aus dem Passagierraum zu hören.

      Zwei Minuten später hatte die Cessna ihre zugewiesene Flughöhe erreicht und Stein legte die Maschine in weitem Bogen nach Südwest drehend in Richtung Nürnberg herum.

      „Ich werde mal nach unseren Gästen sehen“, sagte Miller, schaltete dabei die Signallampen der Gurtanschnallpflicht und das Rauchverbotszeichen ab und zwängte sich aus seinem Sitz.

      „Ja, mach mal. Wir haben ja reichlich Hochprozentiges an Bord und unsere Passagiere werden einen guten Tropfen wohl nicht verschmähen.“ Stein nahm seine Sonnenbrille aus einem schwarzen, mit Perlmutt besetzten Etui, das er zu seiner Pilotenprüfung von seinen Eltern bekommen hatte, setzte sie auf und stellte den Autopiloten ein. Danach nahm er nochmals das Bordbuch aus dem Ablagefach heraus, um die vorverlegte Abflugzeit einzutragen. Nachdem er die Korrektur vorgenommen hatte, blätterte er in dem Buch einige Seiten zurück und überflog seine letzten Eintragungen. Ein beklemmendes Gefühl überfiel ihn dabei.

      Sollten die Maschine und das Bordbuch in den nächsten Monaten kontrolliert werden, würden die Unstimmigkeiten mit dem Flugstundenzähler sicherlich auffallen. Er wusste bis heute noch nicht, wie er dies erklären sollte, würde er danach gefragt werden. Andererseits war es nicht seine Maschine, und Wagner hatte mit Sicherheit schon eine Idee, um die Differenz auszugleichen.

      Stein schob das Bordbuch wieder in sein Fach zurück und überflog die Anzeigeinstrumente mit einem argwöhnischen Blick. Doch es war alles in Ordnung. Nichts deutete auf einen Defekt oder auf eine Manipulation an der Maschine hin.

      *

      Eine halbe Stunde später kam Miller zurück und ein Strahlen lag auf seinem Gesicht. Anscheinend hatte er ziemlichen Spaß mit den Passagieren gehabt und fühlte sich nach seinem Servicedienst sichtlich wohl. Stein hätte, wenn Wolli sein Kopilot gewesen wäre, mit Sicherheit herumgenörgelt. Doch bei Miller war das etwas anderes. Wenn es nach Stein gegangen wäre, hätte Miller die gesamte Flugzeit Stewardess spielen können.

      Während Miller auf seinen Sitz kletterte, schaute Stein gelangweilt aus dem Seitenfenster hinaus und schenkte ihm keine Beachtung. Er dachte über Wagner und seine dubiosen Geschäftsbeziehungen nach, und Zorn stieg in ihm auf. Wie hatte er sich nur darauf einlassen können? War es nur das Geld gewesen oder hatte ihn die Sache an sich gereizt? Er wusste es nicht mehr. Heute, das war ihm im Nachhinein klar, würde er es nicht wieder tun. Doch eines schwor er sich: Sollte Wagner ihn weiterhin so mies behandeln, würde er ihm einige unangenehme Fragen stellen und ihn höflichst darauf hinweisen, was er alles wusste. Mit ihm würden sie so ein Scheiß-Spiel nicht spielen.

      Verbittert über Wagners dunkle Machenschaften und über seine eigene Dummheit, verfing