Es bleibt für immer ein Geheimnis. Philipp Porter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Philipp Porter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745046427
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den Kopf. Noch vor einem Jahr wäre ihm die Anwesenheit von Polizei in solch einer Situation völlig gleich gewesen. Doch nachdem er sich auf Wagners miese Geschäfte eingelassen hatte, veränderte sich auch sein Leben; vor allem sein Verhalten der Polizei gegenüber.

      Er hatte Angst. Und diese ständige Angst, die ihm seit den ersten Tagen zu schaffen machte, bewog ihn auch auszusteigen. Das Gespräch, das er mit Wagner darüber geführt hatte, war nun schon sieben Wochen her und seither wurde er für keinen Auftrag mehr gebucht. Es ging schon, wenn man wirklich wollte.

      Stein kletterte auf den Pilotensitz der Cessna, schaltete die Bordelektronik ein und löste die Bremsen. Plötzlich dröhnte lautes Hupen durch den Hangar. Millers linke Hand lag mit sturer Gelassenheit auf dem Hupenknopf des Traktors.

      Verärgert rief Stein: „Ja, ja … ist ja schon gut, du Inselaffe. Fahr schon los“, und gab Miller mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er anfahren sollte. Laut stotternd und qualmend zog wenige Sekunden danach der kleine Traktor die Cessna aus dem Hangar.

      *

      Miller zog die Maschine auf den ihr zugewiesenen Standplatz, koppelte sie ab, und ohne auch nur einen Blick mit Stein zu wechseln, fuhr er in den Hangar zurück. Stein sah Miller nach, während der kleine Traktor hüpfend davonrollte. Als der Traktor im Dunkeln des Hangars verschwand, nahm er die Checkliste zur Hand und überprüfte alle Funktionen der Maschine. Doch an den Geräten und Anzeigeinstrumenten, die für einen Flug überlebenswichtig waren, konnte er nichts Ungewöhnliches feststellen. Jedes Gerät funktionierte einwandfrei und auch die Warnlampen gaben keinen Hinweis darauf, dass irgendetwas nicht stimmte. Er schaltete die Bordelektronik wieder aus, schaute sich im Cockpit nochmals um und zwängte sich danach aus der engen Kabine hinaus. Er musste, wie vor jedem Start, erst noch zur Flugsicherung. Auch die Wetterdaten waren ein Teil der Pflichtaufgaben und mussten mit den zuständigen Beamten besprochen werden. Routine, die er nicht sonderlich mochte.

      *

      Als Stein den Raum der Flugsicherung betrat, stand Miller bereits am Tresen und füllte Papiere aus. Stein wollte etwas sagen, ließ es aber. Miller war der richtige Mann für den Papierkrieg, obwohl es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre. Langsam schlenderte er stattdessen zum Kaffeeautomaten, der in einer Ecke stand, und warf eine Münze ein. Gelangweilt auf den Knopf mit der Aufschrift „affe schwarz“ drückend, dachte er an Miller. Irgendein Spaßvogel hatte den ersten und letzten Buchstaben von „Kaffee“ entfernt und sich somit eine bleibende Erinnerung geschaffen.

      Nachdem sich die Kaffeemaschine nach lautem Getöse wieder beruhigt hatte, nahm Stein den Becher aus dem Fach und begann die heiße Brühe – er hasste Automatenkaffee – mit kleinen, schlürfenden Schlucken zu trinken.

      Am Tresen angekommen, stellte Stein sich dicht neben Miller und schaute sich über den Rand des Kaffeebechers hinweg gelangweilt die Bordpapiere an. Sein Blick blieb an der Passagierliste förmlich kleben. Alle Passagiere auf der Liste hatten mit Chemitec zu tun. Die Firma thronte seit Wochen auf der Titelseite des Berliner Journals, da illegale Machenschaften und angebliche Bestechungen des Berliner Senats Tagesgeschäft des Vorstandes gewesen sein sollten. Stein fragte sich, was diese Zusammenkunft und der damit verbundene Flug nach Salzburg wohl zu bedeuten hätten. Viel weiter kam er mit seiner Überlegung aber nicht. Miller war mit den Papieren bereits fertig und forderte ihn auf, mit zu dem Schalter zu kommen, an dem sie die Wetterdaten erhalten würden. Missmutig aus seinem Kaffeebecher schlürfend, folgte er dieser Anweisung und trottete Miller, ohne sich noch weiter Gedanken über Chemitec zu machen, nach.

      An dem Tresen wurden kurz die Daten mit dem zuständigen Mitarbeiter besprochen und dank der großen Hochwetterlage, die über ganz Deutschland herrschte, konnten sie bereits nach wenigen Minuten wieder gehen.

      *

      Während sie die Cessna startklar machten, wurden alle Systeme – laut Checkliste – nochmals überprüft. Doch das Ergebnis blieb das gleiche. Hajo hatte nichts übersehen. Alle Systeme arbeiteten einwandfrei.

      „Hast du keine Angst?“, fragte Miller mit merkwürdigem Tonfall und hakte dabei die letzten Punkte der Checkliste ab.

      „Wie meinst du das?“ Stein warf Miller einen kritischen Blick zu. Er bezog die Frage unbewusst auf seine Unstimmigkeiten mit Wagner und den Entschluss auszusteigen.

      „Wir wissen nicht, was die Einbrecher wirklich vorhatten. Es könnte ja sein, dass sie einen Sprengsatz an Bord bringen wollten.“

      „Miller, du liest zu viele Kriminalromane. Wer sollte uns denn in die Luft sprengen wollen?“, gab Stein aufgesetzt und mit spöttischem Unterton zurück, dachte dabei aber an Wagner und seine dubiosen Geschäftsfreunde aus dem Osten. Nein. So weit würden sie nicht gehen. Und was hätte Wagner davon? Miller machte ihn mit seinem Gerede völlig verrückt. Wortlos nahm er das Bordbuch aus dem Fach und begann mit den routinemäßigen Eintragungen.

      Während Stein die Daten in das Bordbuch schrieb, hörte er aus dem Heck der Maschine heraus Stimmengewirr. Miller zwängte sich sofort aus seinem Sitz, um die ersten Gäste zu begrüßen. Stein drehte sich nur zur Seite, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen.

      Gerd Krämer, Vorstandsvorsitzender von Chemitec, Klaus Wendstein, Sicherheitsbeauftragter von Chemitec, und eine junge, hübsche Frau – wahrscheinlich auch von Chemitec – bestiegen gerade die Cessna.

      Beim Überfliegen der Passagierliste hatte Stein sich bereits gewundert, doch als er Gerd Krämer durch das Seitenfenster sah, begannen seine Gedanken erneut zu rotieren.

      Miller hatte noch nicht einmal so unrecht. Die Passagiere, die sie heute an Bord hatten, waren für gewisse Kreise sicherlich so interessant, dass man sich einen Anschlag sehr wohl vorstellen konnte.

      Eiligst beendete er die letzten Eintragungen, legte das Bordbuch in die Ablage zurück und folgte Miller in den Passagierraum. Er wollte, um wirklich sicher zu sein, nochmals alle Staufächer überprüfen. Doch als er die Kabine betrat, schallte lautes Lachen von draußen herein und Stein sah neugierig durch eines der Fenster. Heiko Obstbaum, der Besitzer einer Recyclingfirma, machte gerade einen derben Witz, und Fritz Gründig, der Giftmüllpapst – wie er in Berlin nur genannt wurde –, hielt sich seinen runden Bauch vor Lachen.

      Die beiden Männer waren nur noch wenige Meter von der Maschine entfernt und Stein stellte sein Vorhaben fürs Erste zurück. Er trat zur Tür, um die beiden neuen Passagiere zu begrüßen, und sah, dass ihnen Gerda Schmidke, eine reiche Erbin und Besitzerin eines Chemieunternehmens, Arnold Weidmann, Sohn des Politikers Karl-Gustav Weidmann, und eine dritte Person, die er vom Aussehen her nicht kannte, folgten. Soweit er sich die einzelnen Namen der Passagierliste und die Verbindung der genannten Personen mit den Klatschspalten der Tageszeitung ins Gedächtnis rufen konnte, musste es sich bei dem Mann um Paul Wegenrod, Vorstandsvorsitzender einer kleinen Privatbank, handeln.

      Stein schlüpfte gerade noch vor Heiko Obstbaum an der Einstiegstür vorbei, ehe dieser sich in den Passagierraum hineinzwängte und den Durchgang mit seinem voluminösen Umfang vollkommen ausfüllte.

      Ein Passagier nach dem anderen kletterte nun in die Maschine hinein und innerhalb von nur wenigen Sekunden war die Cessna mit dicken Wintermänteln, Aktentaschen und laut schwatzenden Menschen regelrecht überfüllt.

      Suchend schaute Stein sich nach Miller um, und als er ihn im hinteren Teil der Maschine entdeckte, gab er sein Vorhaben auf. Sollte er jetzt noch versuchen, an die Staufächer heranzukommen, mussten alle Passagiere nochmals aussteigen, und dies konnte er den Gästen wie auch Wagner wohl nicht erklären.

      Plötzlich erschien Wagner in der Tür und drückte ihm kommentarlos die Papiere, die sie für den Flug nach Salzburg noch benötigten, in die Hand. Noch ehe Stein etwas sagen konnte, bekam er von Wagner einen guten Flug gewünscht und die Tür wurde von außen geschlossen.

      Völlig verwirrt starrte Stein auf die Papiere in seiner Hand und danach in den Passagierraum hinein. Was sollte er nur tun? Konnte er einen Start verantworten, ohne nochmals alles überprüft zu haben? Was würde Wagner sagen oder tun, wenn er den Abflug verzögern würde? Und wie