Lethal Vacation. Josephine Lessmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Josephine Lessmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750267893
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Schreck riss Sean den Eimer nach unten und Kardätsche, Striegel und Bürste fielen heraus.

      »Scheiße!«, brummte er beschämt und räumte nervös den Eimer wieder ein. »Ich wollte die Pferde putzen.«

      Schmunzelnd kam sie in das Gatter und Ruben wartete davor.

      »Jack nimmt sich immer die Bürste«, erklärte sie.

      »Ich weiß … Frag' mich nur, wer den Eimer dort hochgestellt hat«, meckerte er weiter und bereitete alles zum Striegeln vor.

      Mit verschränkten Armen vor der Brust beobachtete sie den Jungen für einen Augenblick, der sich in den letzten Monaten merklich verändert hatte.

      Du bist groß geworden und erwachsener. Ganz anders, als ich dich damals vorfand. Scheinbar macht das die Zeit mit euch. Oder mit uns. Aber über deine Mutter sprichst du kaum, noch nicht mal, wenn wir abends zusammensitzen. Ich frage mich, was manchmal in deinem Kopf vor geht, dachte Ivy, während sie den Jungen dabei beobachtete, wie er den Dreck aus dem Fell der Stute heraus bürstete.

      »Ich finde es immer noch gut, dass ihr euch um die Tiere kümmert. Ihr macht das echt super«, lobte sie den Jugendlichen, der sie mit stolz geschwellter Brust angriente.

      »Tja, da haben die Sommerferien bei den Großeltern doch was gebracht«, zwinkerte er ihr zu. »Es macht auch Spaß und wir haben eine Aufgabe.«

      »Das Reittraining müssen wir nur öfters machen«, bemerkte Ivy und streichelte weiterhin Jacks Kopf.

      »Mein Opa hat immer gesagt, dass Reiten wie Fahrrad fahren ist. Wenn man es einmal kann, verlernt man es nicht«, lachte Sean, während er zur Bürste griff.

      »Wohl wahr.« Ivy ließ von dem Hengst ab und war in Begriff aus dem Gatter zu gehen, als sie das Räuspern von Sean hörte.

      »Kann ich dich was fragen?«

      »Klar.«

      Zögernd hielt der Junge inne, druckste vor sich her. »Ich … Manchmal denke ich über den Tag nach, als ihr uns fandet … Musste Mom leiden?«

      Ivy hielt einen Moment inne und dachte an den Tag zurück.

      Ja, sie musste Höllenschmerzen ausstehen, als der Infizierte ihr in den Schopf griff und sie skalpierte. Als sie plötzlich mit nacktem Schädel vor uns saß, uns flehend und wahnsinnig zugleich ansah. Niemals werde ich ihren nackten Schädelknochen vergessen können, der im seichten Licht glänzte, dachte sie, während sie ihn nachdenklich ansah.

      »Nein, musste sie nicht«, log sie ihn an, aber sie fühlte sich gut dabei.

      Sean nickte stumm vor sich her. »Wie ist es passiert?«

      »Ein Infizierter biss ihr in den Hals … Es ging recht schnell.«

      Grübelnd schaute er auf das Pferd, was ihn fordernd anblickte, als wartete es darauf, dass es weiter ging.

      »Anfangs hat Elenor viel geweint … Ich vermisse meine Mom und sehe mir oft die Fotoalben an, die sie unbedingt mitschleppen musste«, erzählte er bedrückt.

      »Es ist gut, dass ihr die Alben habt. So könnt ihr sie nie vergessen.« Mit einem kurzen Lächeln verließ Ivy das Gatter. Sean dachte einen Moment über ihre Worte nach und wandte sich dem Striegeln wieder zu.

      *

      Mit Ruben im Schlepptau ging sie wieder in die Küche, in die Elmar und Klaas die frisch geernteten Tomaten und Gurken brachten. Christoph brachte die ersten Kürbisse in den Kühlraum und schlug sich zufrieden in die Hände.

      »Die ersten Ernten waren gut. Viele Tomaten, Kürbisse und Gurken. Vielleicht können wir sie einkochen«, meinte Elmar zufrieden.

      Ivy las sich eine Liste durch, auf dem die benötigten Sachen standen: Einmachgläser, Gewürze und Töpfe.

      »Bei der nächsten Tour sollten wir unbedingt danach Ausschau halten«, bemerkte Christoph und tippte auf den Zettel. »Trockenhefe müssen wir noch aufschreiben. Allein, wenn ich an Brot denke, könnte mir einer abgehen!«

      »Bitte keine Details«, lachte Ivy und schrieb die Hefe auf das Papier.

      »Erinnerst du dich an die kleine Landbäckerei in dem Nachbarort?«, fragte Klaas seinen Mann. »Die hatten auch immer total leckeres Brot und die Pfannkuchen waren der Wahnsinn!«, schwärmte er.

      »Schnauze jetzt, sonst muss ich mal kurz ins Bad«, lachte Christoph und griff sich ungeniert in den Schritt.

      Genervt schüttelte Elmar den Kopf.

      »Vielleicht sollten wir langsam die Gruppen neu aufteilen«, warf Ivy grübelnd in den Raum und sah weiterhin auf das Geschriebene.

      Argwöhnisch blickten sich die drei Männer an.

      »Wieso neu aufteilen?«, wiederholte Elmar.

      »Ich würde es gutheißen, wenn alle die Touren mitmachen. Vielleicht auch die Jugendlichen, die im Training sind«, schlug sie vor und dachte an Sean, der sie schon öfters gebeten hatte mit auf Tour zu kommen.

      Die Männer sahen sie mit verwunderten Blicken an.

      »Die sind froh, dass sie hier drin sind und nicht mehr raus müssen«, belächelte Klaas.

      »Sicherlich, aber genau da ist der Fehler«, erwiderte ihm Ivy. »Ich weiß, dass ich mal gesagt habe, dass die Kinder nicht raus gehen … Aber ich habe das Gefühl, dass sie fahrlässig werden. Sie vergessen die Welt dort draußen.«

      »Quatsch!«, fuhr Christoph sie an. »Wer kann das schon vergessen!«

      »Jeder muss in der Lage sein sich zur Not allein zu versorgen und sich zu verteidigen. Nur die Praxis lehrt uns. Wir sollten ebenso beim Ackerbau vermehrt mitwirken wie die anderen bei den Touren.«

      »Grundsätzlich teile ich deine Meinung«, bemerkte Elmar zögernd. »Aber denkst du ernsthaft, dass Frank oder William ihre Kinder freiwillig mit uns mit schicken werden?«

      »Und wenn sie sterben? William wird zum Taifun werden!«, wandte Klaas ein und sah Ivy zweifelnd an.

      »Wir können ebenso sterben. Es steht fünfzig zu fünfzig für jeden von uns. Wenn wir aufeinander aufpassen, passiert uns auch nichts.« Mit einem zuversichtlichen Nicken sah Ivy die drei Männer an, die eher skeptisch ihrer Worte waren.

      »Und wann willst du ihnen sagen, dass wir Frischfleisch mit nach draußen nehmen wollen?«, hakte Christoph mit sarkastischem Unterton in der Stimme nach.

      »Und in dieser Wortwahl willst du das Frank und den anderen auch sagen? Das wir alle mit nach draußen schicken, als Praxistest?«, wiederholte Elmar in der Zusammenfassung und Ivy nickte zustimmend. »Okay … Ist heute Abend nicht die Sitzung geplant?«

      Wieder nickte sie und las sich noch einmal den Zettel durch.

      »Das wird nicht allen gefallen, das kann ich dir sagen!«, grummelte Rupert, der von der Krankenstation in den Gemeinderaum kam und das Gespräch aufschnappte. »Ich war lange nicht mehr draußen und ein Training ist schon ewig her.«

      »Das ist wohl wahr und deshalb wirst du bei der nächsten Tour dabei sein«, wandte Ivy ein und sah in seine verblüfften Knopfaugen. »Nur du weißt, was du in deiner Krankenstation brauchst.«

      Die Vorfreude auf sein Labor stieg von Tag zu Tag. In den letzten Wochen hatten sie die Elektrik um geklemmt und aus dem nahegelegenen Möbelhaus Schränke geholt und aufgebaut.

      *

      Am Abend saßen alle im Gemeinschaftsraum zusammen. William und seine Familie saßen gegenüber von Frank und dessen Familie. Elmar und Klaas kamen gerade hinzu und setzten sich zu Sean und Elenor. Sebastian, Bryan und Jerome saßen ebenso an einem der Tische. Rupert, Aiden und Railey gesellten sich ebenfalls hinzu. Aber Melanie und Christoph fehlten noch.

      Fragend blickte Ivy zu Sebastian, der ahnungslos mit den Schultern zuckte.

      Genervt zuckte sie kurz mit den Augenbrauen, sah auf ihren Zettel