Lücken im Regal. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746748634
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Gebrauchten anzudienen. Der alte schaffte den TÜV schon noch mal, vielen Dank!

      Immerhin kam sie zwei Stunden lang gut voran, lehnte sich dann zufrieden zurück und beschloss, dass sie ja eigentlich auch Ferien hatte und ein bisschen in der Altstadt spazierengehen konnte. Und danach würde sie am Konzept ihres nächsten Seminars basteln.

      Naja, oder mal schauen, was im Fernsehen kam…

      VI

      Fiona Marsh war tatsächlich zu Hause und gelinde verblüfft, als die Polizei vor ihrer Tür stand: „Ich weiß jetzt gar nicht, wieso -“

      „Hat Ihre Mutter Sie denn nicht angerufen?“

      „Nein, warum? Ist denn etwas passiert?“ Sie schwieg kurz, dann sagte sie: „Blöde Frage, sorry. Wäre nichts passiert, wären Sie ja wohl auch nicht hier, nicht wahr? Kommen Sie doch weiter!“

      „Ja, leider ist wirklich etwas passiert. Man hat Ihre Schwester tot aufgefunden.“

      Fiona Marsh fiel auf das Sofa, das hinter ihr stand, und wedelte matt mit der Hand. Joe und Katrin nahmen das als Aufforderung und setzten sich ebenfalls, ihr gegenüber.

      Sie sah auf. „Welche Schwester? Becky oder Milly?“

      „Rebecca. Man hat sie in der Bibliothek gefunden.“

      „Ein Unfall? Nein, Unsinn – Sie sind von der Kripo, nicht wahr? Dann muss sie ja jemand… aber das verstehe ich nicht, Becky war die Harmloseste weltweit. Eine ganz Liebe, vielleicht ein kleines bisschen langweilig. Sehr fleißig… Die einzige, die etwas sauer auf sie war, war Mama, weil Becky ausgezogen ist, aber das war ja wohl kein Wunder. Mama kann einen Heiligen auf die Palme bringen, sie will immerzu alles wissen und fragt immerzu, wann man denn nun ein Leben führt, wie sie es sich vorstellt. Und wenn man sich dem entzieht, ist sie beleidigt. Ohnehin hat sie ja keiner lieb. Aber dass sie daran selbst schuld ist, kann man ihr nicht klarmachen. Also, nicht dass Sie mich da falsch verstehen, jemanden umbringen würde sie aus so bescheuerten Gründen bestimmt nicht. Nur schmollen.“

      „Das scheint uns auch so“, antwortete Katrin, die eine Tante mit ähnlichem Verhalten hatte. „Sie wollte ja nicht einmal wissen, wo Becky genau gewohnt hat. Sogar Ihre Adresse hat sie betont ungenau angegeben. Nur gut, dass es hier nur einen einzigen Metzger gibt…“

      „Becky wohnt in der Florianstraße 37 im ersten Hintergebäude. Eine Dreier-WG, die anderen beiden Mädchen heißen Bille und Tanja. Alles ganz solide – nur Mama mal wieder mit ihrem Getue!“ Sie schnaubte. „Was glauben Sie, warum sich Papa vom Acker gemacht hat? Ein Wunder, dass er´s überhaupt so lange ausgehalten hat…“

      „Haben Sie seine Adresse auch noch? Wir glauben zwar nicht, dass er uns viel weiterhelfen kann…“

      „Glaube ich auch nicht. Wir haben zwar mit ihm eine Whatsapp-Gruppe, aber da tauscht man ja keine Geheimnisse aus, nicht?“

      „Vor allem, da Whatsapp zu Facebook gehört“, nickte Katrin. Sie bekam noch eine Adresse in München und erkundigte sich dann, ob Becky einen Freund gehabt habe.

      „Ja, den Markus. Markus Sonnleitner, ein ganz lieber Kerl, auch wenn er Jurist ist.“ Fiona grinste kurz. „Er wohnt aber tatsächlich noch bei seinen Eltern, mit allem Pipapo. In Leiching.“

      „Schick!“, reagierte Katrin pflichtgemäß.

      „Ja, der Vater ist irgendwas Wichtiges. Was genau, hab ich vergessen. Bank oder so ähnlich? Ich kann´s rauskriegen, wenn Sie das brauchen!“

      „Machen wir selbst, danke schön.“

      Draußen sahen sie sich an: Immerhin! „Dann mal in die WG. Und danach sollten wir den Freund informieren. Den wird es wohl ziemlich treffen…“, legte Joe fest, der gerade an seine Kira dachte.

      In der WG trafen sie nur Bille an, die den Namen Sybille Bauernfeind zu Protokoll gab und gebührend schockiert war: „Ausgerechnet die Becky, die ist – war – doch so eine Nette! Und total harmlos, wirklich! Hat nie einem was Böses gewollt, hat allen geholfen, hat mit allen gut zusammengearbeitet… wenn Tanja oder ich mal wieder vergessen hatten, die Spülmaschine zu füllen, hat sie das stillschweigend übernommen und wenn wir uns verlegen entschuldigt haben, hat sie nur abgewunken: Ist doch egal… So war sie eben – und so jemanden bringt einer um? Und fleißig war sie, jeden Tag in der Bibliothek, damit diese verflixte Seminararbeit perfekt wurde. Ich meine, es sind doch gerade Semesterferien! Nicht für Becky. Ich will ja auch ein gutes Examen machen, obwohl das mit Mathe/Physik nicht ganz so wichtig ist, da kriegt man leichter eine Stelle, aber ich mach doch jetzt nichts für die Uni, lieber jobbe ich, damit ich Geld fürs nächste Semester habe.“

      Katrin nickte zu diesen sprudelnd vorgetragenen Informationen; Joe runzelte die Stirn. „Und Becky musste nicht arbeiten?“

      „Ach doch, natürlich. Ihre Mutter war ja offensichtlich beleidigt, weil sie ausgezogen ist, also hat sie von der nichts bekommen. Ihr Vater hat ihr ein bisschen was gezahlt, aber das hat gerade für die Miete gereicht. Wenn sie was essen wollte oder mal ein T-Shirt kaufen, musste sie schon auch was arbeiten. Wie wir alle. Tanja kellnert und Becky hat bei einer komischen Firma in der Altstadt die Ablage gemacht und Rechnungen geschrieben und solchen Kram. Ich glaube, dreimal pro Woche. Damit ist sie ganz gut hingekommen.“

      „Wie heißt denn die Firma?“

      „Sorry, das weiß ich nicht. Die sind irgendwo in der Nähe vom Markt, in einem Hintergebäude, und sie machen irgendwas Langweiliges.“

      „Wo ist denn Beckys Zimmer? Vielleicht finden wir da etwas Genaueres?“

      „Dürfen Sie das denn? Müssen Sie mir da nicht so ein rosa Blatt zeigen?“

      Joe lächelte. „In diesem Fall nicht. Sie sollten nicht alles glauben, was Sie im Fernsehen sehen. Also, wo ist Beckys Zimmer?“

      Bille ging voraus und stieß eine von drei Türen auf. „Hier!“

      Katrin und Joe staunten, als sie sich umsahen: Welch perfekte Ordnung! Ziemlich untypisch – oder war das ein Vorurteil? Die Möbel waren zum größten Teil IKEA- Produkte, die schon einige Male zu oft umgezogen waren, wie ihr abgewracktes Aussehen nahelegte, aber alles war blitzblank und staubfrei, Bücher und Ordner standen in Reih und Glied, die Ordner waren auf das Sauberste beschriftet, der kleine Schreibtisch war fast leer, das Bett ordentlich gemacht und der Kleiderschrank geschlossen.

      „Respekt“, sagte Katrin deshalb zu Bille, „so sah mein Zimmer während des Studiums nicht aus.“

      Bille lächelte traurig. „Ja, Becky ist – war – einfach perfekt. Ich will ja nicht sagen, dass es viel besser jemand anderen hätte erwischen sollen, aber – nun ja.“

      „Das denkt man sich in einer solchen Situation verständlicherweise oft“, beruhigte Joe sie. Katrin setzte sich an den Schreibtisch und begann, die Schubladen rasch, routiniert und ohne die Ordnung zu zerstören durchzusehen.

      Studienunterlagen, Nachweis der Krankenversicherung, Bescheinigungen über erzielte ECTS-Punkte, ein kurzer Briefwechsel mit einer Versicherung wegen eines belanglosen Haftpflichtfalls, das Bonusheft der Krankenkasse… alles sauber in Klarsichthüllen in einer Mappe verwahrt. In einer Pappschachtel lagen davor einige garantiert funktionierende Stifte und ein USB-Stick. Immerhin gab es auch eine Visitenkarte mit Logo und Adresse eines Immobilienbüros in der Burggasse.

      Katrin hielt sie hoch: „Ist das das Büro, in dem Becky gearbeitet hat?“

      Bille trat näher. „Ja, stimmt.“

      Katrin schaltete den Laptop ein und stellte fest, dass Becky Rottenbucher einen Passwortschutz eingerichtet hatte.

      „Joe, hast du etwas gefunden?“

      „Nein. Alles extrem ordentlich und extrem harmlos. Keine Drohbriefe, keine dubiosen Erkenntnisse,