Eine unberechenbare Zeugin. Gabriele Schillinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriele Schillinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750229051
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Ausrutscher gewesen, doch bald musste er sich eingestehen, dass sein Freund Sexsüchtig war. Walter schlief mit jedem, der willig war, egal welches Alter oder welches Geschlecht die Person hatte. Noch schlimmer war, er tat es ungeschützt und riskierte sich, und auch Viktor, mit Krankheiten anzustecken. Diese Erkenntnisse waren damals sehr schmerzhaft. Viktor hatte sich bereits in Walter verliebt und konnte nur schwer verstehen, wie er sich derart in diesem Mann täuschen konnte.

      Nachdem Viktor Elena die Geschichte erzählt hatte, war die Mittagspause zu Ende. Er ging wieder in seinen Boxraum und Elena in den ihren.

      Die letzte Gruppe an diesem Tag war die, in der auch Julia dabei war. Während dem Training konnte sie nicht allzu viel mit ihr reden. Da Elena öfter kurze Einzelgespräche mit ihren Teilnehmerinnen durchführte, fiel es nicht sonderlich auf, als sie das Mädchen zur Seite bat. Damit ihre Fragen nicht zu aufdringlich wirkten, fragte sie zuerst danach, wie es ihr in der Gruppe gefiel und ob die Übungen hilfreich für sie waren. Danach fragte sie, ob der Mann, der sie immer abholte, ihr Vater war und ob er auch im Kampfsport arbeitete, weil er durchtrainiert aussah. Ja, es war ihr Vater. Bezüglich seiner Arbeit konnte sie jedoch nicht viel sagen. Sie wusste nur, dass er im Verkauf tätig war. Allerdings arbeitete er nicht in einem Geschäft mit Kundenverkehr, sondern er besuchte seine Kunden vor Ort. Deswegen war er auch nicht immer zu Hause, sondern unternahm auch längere Reisen im Ausland. Was genau er verkaufte, wusste sie nicht. Dass ihr Vater sportlich aussah, amüsierte sie, denn zu Hause saß er meist nur vor dem Computer. Noch bevor sich Julia über ihr Interesse am Vater wundern konnte, lenkte Elena die Fragen wieder auf den Kurs.

      Sie gingen wieder in den Saal zurück und Elena zeigte den Teilnehmerinnen einen neuen Verteidigungsgriff.

      Am Heimweg kaufte sie noch ein wenig Obst und Gemüse ein. Es war wahrscheinlich der einzige Markt in Wien, der um diese Uhrzeit noch offen hatte. Für Berufstätige ein Traum. An einem Stand gab es sogar noch frisches Brot, welches sie heute noch zu ihrem Salat essen wollte. Mit einem vollbeladenen Rucksack ging sie die Stufen zu ihrer Türe hoch. Der Papierstreifen war noch an seinem Platz.

      Nachdem sie wieder die Kommode vor die Türe geschoben hatte, widmete sie sich gleich ihrem Laptop. Da sie den Vornamen des Mannes nicht kannte, musste sie versuchen, über Julias Spuren im Netz zu ihm zu finden. Jugendliche liebten das Internet und sie wäre wahrscheinlich die einzige, wenn sie sich nicht auf sozialen Netzwerken befand. Ja, das Mädchen hatte mehrere Seiten, auf denen sie sich aufhielt. Und siehe da, auf einer hatte sie die Namen ihrer Eltern bekannt gegeben. Ihr Vater hieß Erwin Braun. Nun konnte sie direkt nach ihm suchen. Allerdings gab es viele mit demselben Namen. Die Suche würde mehr Zeit in Anspruch nehmen, als sie ursprünglich dachte.

      Hungrig ging Elena in die Küche, um sich ihren Salat zuzubereiten. Obwohl es sie gereizt hätte, während dem Essen im Internet weiter zu suchen, hielt sie sich zurück, bis der Teller leer war. Schnell das Geschirr in die Küche, ein Fruchtsaft aus dem Kühlschrank und weiter ging die Recherche.

      Der Abend war allerdings zu kurz, um Verwertbares zu finden. Doch würde sie nicht aufgeben, am nächsten Tag hatte sie arbeitsfrei und genügend Zeit, um weiterzusuchen.

      Elena benötigte den Schlaf und stand erst zur Mittagszeit auf. Dennoch war die Nacht unruhig gewesen, denn seltsame Träume weckten sie stündlich. Immerfort schreckte sie hoch. Einmal dachte Elena, jemand war an der Türe, ein anderes Mal weckte sie ein ziemlich real anfühlender Kampf. Etwas erschöpft stapfte sie zur Toilette, ihre Augen waren noch fast geschlossen. Eine morgendliche Dusche sollte Abhilfe schaffen.

      Wie gewohnt schaltete sie den Radio ein, während das Frühstück zubereitet wurde. Die Musik motivierte Elena, sich wieder einmal um die Schmutzwäsche zu kümmern. Die Arbeitskleidung verströmte bereits einen unangenehmen Geruch, wie es bei verschwitzter Sportkleidung üblich war. Als sie gerade überlegte, in der Wohnung staubzusaugen, kamen Nachrichten im Radio. Bei der Leiche im Wald handelte es sich um den bereits länger vermissten Sekretär vom Verteidigungsminister. Man ging von einer Gewalttat aus. Bevor noch weitere schreckliche Ereignisse erzählt wurden, schaltete sie den Staubsauger ein.

      Nachdem sie soweit mit ihrer Hausarbeit zufrieden war, setzte sich Elena wieder zu ihrem Laptop. Sie gab erneut den Namen Erwin Braun ein.

      Nach einer Stunde auf den Bildschirm starren wurden die Augen erneut müde. Eine Pause tat ihnen gut. Zudem war bereits die Waschmaschine fertig und musste in den Trockner. Anschließend zog sich Elena ihre Straßenschuhe an und machte sich auf den Weg zum Supermarkt.

      Sie kaufte frische Milch für den Kaffee, denn die im Eiskasten war bereits verdorben. Toilettenpapier und Putzmittel, die am Markt nicht erhältlich waren, benötigte sie ebenfalls.

      Die Kunden waren um diese Uhrzeit anders als die am Abend. Mütter mit ihren Kleinkindern, Pensionisten und Arbeitslose schlenderten durch die Gänge. Die Frischeabteilung verfügte über volle Vitrinen, es war noch keine Bodenreinigungsmaschine unterwegs, die einen zu überführen drohte und die Menschen waren gelassener als Abends.

      Bei der Kasse bemerkte sie, dass mehr am Laufband lag, als sie vorhatte zu kaufen. Ihr Müsli war aufgrund der kaputten Milch unbrauchbar. Ja, hungrig einkaufen gehen war nicht gerade das Beste. Mit leerem Magen kaufte sie fast immer zu viel ein.

      Gerade, als sie ihre Sachen einpackte, bemerkte sie Julias Vater neben sich. Er lächelte und meinte, nachdem er sie begrüßt hatte, dass sie sich doch schon irgendwo einmal gesehen hätten. Elena zuckte zusammen und noch bevor sie es verneinen konnte, fragte er, ob sie nicht die Trainerin von seiner Tochter sei. Erleichtert holte sie tief Luft, denn sie hatte kurz vergessen zu atmen. Sie dachte schon, er spielte auf die Verfolgungsjagd im Park an. Anscheinend sah man ihr den Schreck an, denn er entschuldigte sich, sie erschreckt zu haben.

      War diese Begegnung ein Zufall? Wohnte er etwa in der Nähe ihres Zuhauses?

      Elena lächelte verkrampft zurück und bejahte.

      Sie warf schnell ihre Einkäufe in die Tasche und verabschiedete sich hurtig. Das Herz schlug ihr spürbar bis zum Hals. Sicherheitshalb drehte sie sich des Öfteren um, ob er sie nicht verfolgte. Doch war niemand zu sehen.

      Was war bloß los mit ihr? Warum konnte ihr der Mann einen derart großen Schrecken einjagen? Vielleicht schaute er dem Verfolger auch nur ähnlich und sie waren schon einige Male im gleichen Supermarkt, ohne sich zu kennen. Beschuldigte sie ihn zu Unrecht? Immerhin war es damals sehr dunkel und sie sah den Mann lediglich vom Baum aus.

      Trotz allem widmete sie sich, nachdem die Einkäufe in der Küche verstaut waren, wieder dem Internet. Plötzlich wurde sie fündig. Auf einer Homepage eines Unternehmens war er als Mitarbeiter abgebildet. Er war Vertreter einer Waffenfirma. Gänsehaut lief ihr über den Rücken. Nun war verständlich, dass seine Tochter nicht wusste, was er verkaufte.

      Ihre Hände wurden zittrig, als sie schließlich das Foto vom Inhaber der Firma sah. Es war der Mann, der geschossen hatte. Das wäre wohl ein zu großer Zufall. Erwin Braun war ziemlich sicher einer der Männer in dieser Nacht.

      Elena bereitete sich erneut ein Müsli zu, diesmal mit der frischen Milch.

      Nachdenklich schaute sie aus dem Fenster. Benutzte der Mann seine Tochter, um an sie ran zu kommen? Allerdings hatte er bis auf sein seltsames Auftauchen keinerlei Drohungen an sie gerichtet. Die Situation war sehr verwirrend. Elena hoffte, dass Erwin Braun nach Beenden des Selbstverteidigungskurses wieder aus ihrem Leben verschwinden würde.

      Etwas nervös und angespannt begann sie die Küche zu putzen. Zur vollen Stunde brachte man im Radio erneut Nachrichten. Als gesagt wurde, dass der Politiker im Wald erschossen wurde und bereits länger dort gelegen hatte, als man ursprünglich dachte, wurde Elena hellhörig. Handelte es sich vielleicht um das Opfer vom Waffenhändler?

      Mona rief an. Elena wurde aus ihren Gedanken gerissen.

      Die Haustüre stand weit offen und keine Spur von ihrer Mutter. Sie bat Elena um Hilfe sie zu suchen. Natürlich konnte sie in diesem Fall nicht ablehnen. Rasch zog sie sich an und traf sich mit Mona vor einem Einkaufszentrum. Es befand sich nicht unweit von der Wohnung der Vermissten. Gemeinsam klapperten sie alle Geschäfte ab, denn dort hatte Mona ihre Mutter schon