Versuchung. Nina Galtergo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Galtergo
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783844279184
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atmete tief ein und aus, er sah resigniert aus.

      „Na gut, es tut mir leid,“ begann er zögerlich, „wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin, Frau Meiffert. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“

      NEIN! Hat er das wirklich gesagt? Das darf nicht sein. Lass ihn nicht ziehen!

      „Du bist mir nicht zu nahe getreten!“, brach es schnell aus ihr heraus, als er sich gerade wegdrehen wollte, „Du bist mir wirklich nicht zu nahe getreten. Und seit wann siezen wir uns wieder?“

      „Ich dachte nur, weil“, er brach ab und begann von Neuem, „ich hatte den Eindruck, meine Anwesenheit ist dir irgendwie unangenehm. Und ich will dir ja nicht die Weihnachtsfeier ruinieren.“

      Oha, er hat es bemerkt. Jetzt nur nichts anmerken lassen, Mädchen!

      „Das ist das erste Mal seit Jahren, dass ich mich auf der Weihnachtsfeier mit jemandem länger als eine Minute unterhalte und du willst gehen? Ich wusste ja, dass ich nicht die Unterhaltungsbombe bin“, seufzte sie mit gespielter Empörung.

      Er grinste. „So schlimm ist es nicht. Und wenn du mich so bittest, bleibe ich noch etwas. Wenn es dir nichts ausmacht natürlich.“

      „Es macht mir nichts aus.“

      „Dann ist es ja gut.“ Er lächelte, viel zu umwerfend. „Dann bleibe ich gerne an deiner schönen Seite und unterhalte mich mit dir.“

      Wieder ein Kompliment... Er findet dich schön. Und du ihn erst!

      „Wie läuft es denn so für dich in der Firma?“, fragte sie schließlich, bemüht um Schadensbegrenzung, „Willst du später hier anfangen?“

      „Bisher wollte ich das, aber seit letzter Woche nicht mehr. Was wohl heißt, dass ich doch das Angebot meines Vaters annehme und ihn beerbe.“

      „Was ist denn passiert letzte Woche? Gab es Stress?“

      Er lächelte wieder, dieses Mal mit einem Hauch bitterer Ironie: „Nein, letzte Woche habe ich dich kennengelernt.“ Er biss sich verlegen auf die Unterlippe und starrte zu Boden.

      Seine Aussage versetzte ihr einen Schlag in die Magengrube. Von wegen unverfängliches Geplänkel, Fräulein, nun wird das Eis unter deinen Füßen aber langsam dünn.

      Wütend funkelte sie ihn an. Sie war wütend auf ihn, weil er ihrem harmlosen Abenteuer die Unschuld nahm und immer das Falsche sagte. Sie war aber noch viel wütender auf sich selbst, weil sie seine Antworten nur zu gerne hören wollte. Wenn sie nicht ins Straucheln geraten wollte, musste sie jetzt die Bremse ziehen, dann war es wieder Essig mit dem schönen Abend.

      „So etwas solltest du nicht sagen!“, fauchte sie ihn leise an, „Ich bin die Frau deines Chefs und ich bin noch dazu etliche Jahre älter als du!“ Reiß dich zusammen, Kirsten, du vergraulst ihn und dann bleibt wieder nur der Champagner! - Egal, so geht es nicht.

      Er zuckte mit einer bedauernden Geste die Schultern: „Es tut mir wirklich leid, dass du die Frau meines Chefs bist. Das kannst du mir glauben.“ Er zögerte. „Aber ich finde dich sehr interessant“, am Schluss wurde er äußerst leise, denn die neugierigen Geier zogen in enger werdenden Kreisen durch den breiten Flur.

      Langsam gingen sie immer weiter auf die Ecke zu, weg von den anderen, die mit ihren Blicken folgten, weil es ihnen ungewöhnlich vorkam, dass sich die schweigsame Frau des Chefs ausgerechnet mit dem Referendar unterhielt.

      „Ich finde dich interessanter, als du es für mich sein solltest. Um genau zu sein, es regt mich auf, dich zu sehen. Dass du ein bisschen älter bist, macht die Sache doch eigentlich nur interessanter für uns beide“, flüsterte er weiter und blickte ihr erwartungsvoll in die Augen.

      Seine Augen waren blau, wunderschöne blaue Augen, in denen man sich verlieren konnte, wenn man es zuließ. Lass es nicht zu, er wird dich nur ausnutzen und enttäuschen! Schiel auf den Boden, lenk dich ab, ignorier das Kribbeln.

      Seine Offenheit hatte sie nicht erwartet. Sie hatte damit gerechnet, an diesem Abend ein wenig unverfänglich mit ihm zu plaudern und vielleicht ein bisschen zu flirten, aber mehr auch nicht, denn dieser Mann war für sie nach wie vor eine Taube auf dem Dach. Ein junges, verbotenes, leckeres, knuspriges Täubchen, liebevoll auf dem Silbertablett angerichtet, das sie mit ihrem Verhalten mit dem Rücken an die Wand drückte wie ein verschrecktes Wiesel und Entscheidungen von ihr verlangte, die sie nicht zu treffen wagte. Dieses alte Lied sauste durch ihren dröhnenden Kopf. Barfuß oder Lackschuh, alles oder nichts. Dazu die lustige Nummer dieser Comedytruppe. Billige Reize...

      „Was willst du von mir?“, fragte sie leise. Wenn sie sich auf glattes Eis wagte, musste sie den Einsatz genau kennen. Für bloße Vermutungen war das Unternehmen zu riskant.

      „Kirsten, ich will dich doch nur ein bisschen kennenlernen, mehr nicht. Da ist nichts dabei“, antwortete er betont unbedarft. Was er sonst noch wollte, fügte er nur in Gedanken hinzu, denn das traute er sich nicht zu sagen. Er war sowieso schon viel zu offensiv gewesen und hatte sie mit seinen Äußerungen total überrumpelt, das spürte er deutlich und sah es auch an ihrem Blick. So hatte sie sich den Abend gewiss nicht ausgemalt. Doch ihr Anblick hatte ihn kopflos gemacht und ihr Geruch ihn berauscht. Nie zuvor hatte er sich bei einer Frau, die er kaum kannte, so weit aus dem Fenster gelehnt und dabei so viel riskiert. Was, wenn sie ihrem Mann erzählte von den Dingen, die er von sich gegeben hatte? Das konnte ihn einen glatten Start in seine berufliche Zukunft kosten. Doch viel schlimmer war die Vorstellung, sie zu verschrecken und in die Flucht zu schlagen mit seinem liebestollen Verhalten. Deswegen atmete er nun tief durch und beschloss, ihre Reaktion abzuwarten.

      Sie wurde puterrot und schwieg.

      Er zählte die Sekunden der Stille.

      George Michael sang Last Christmas, das ganze Lied, ohne dass einer von ihnen noch etwas sagte.

      - Er wartet auf eine Antwort, sag was, irgendwas. Er will was von dir! Yeah! Was er alles von ihr wollte, konnte sie ohne Probleme erahnen, denn er sah sie voller Erwartung und unverhohlener Begierde an. Vor ihrer Ehe hatte sie sich genug ausgetobt, um diesen Blick zu kennen und zu entschlüsseln. Florian hatte sie niemals so angesehen, vielleicht konnte er das mit der Brille auch gar nicht, doch das war jetzt egal, denn Florians Gleichgültigkeit hatte sie erst in diese Lage gebracht. Wäre Florian ihr gegenüber nicht abgetaucht wie ein U-Boot in feindlichen Gewässern, dann hätte sie jetzt überhaupt keine Zweifel gehabt, sondern Christoph sofort eine Abfuhr erteilt nach dem Motto: Tut mir leid, du bist ein toller Mann, aber ich bin glücklich verheiratet. Und der letzte Funken Verstand in ihr, der zaghaft aufglimmte, plädierte entschieden für diese Variante. Doch ihre Abenteuerlust und ihr ganzer Ehefrust, der ganze Frust an ihrem Leben, gewannen einen ungleichen Kampf und sie schwieg. Fakt war, dass dieser junge Typ sie wollte, Fakt war, dass sie sich aufgebretzelt hatte, um diesem Typen zu gefallen, und dafür gab es einen einfachen Grund: Sie wollte auch. Zumindest sehen, wie weit das gehen würde, was passieren würde. Die Bremse würde sie schon noch früh genug ziehen, beruhigte sie sich, was konnte auf einer Weihnachtsfeier schon passieren? Doch zunächst wollte sie den Zug an Fahrt gewinnen lassen. Verbuch es als Marktanalyse.

      Aber sie durfte ihn nicht wollen, sie war verheiratet, und das nicht mit irgendwem. Doch sie spürte, wie seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlten, wie das blinde Huhn in ihr feixte wegen des einen Korns, das es gefunden hatte, und allen anderen Hühnern im Stall jubelnd die Zunge herausstrecken wollte. Sie musste eine Entscheidung treffen, ein feiges Kneifen würde sie nicht weiterbringen, kneifend würde es nicht bei dem Bisschen Champagner bleiben, es würde ausarten, sie würde sich besaufen und morgen jammernd in ihrem Bett der Tristesse ihres Daseins erliegen.

      „Wir sollten reden, irgendwo, wo es nicht so viele Lauscher an der Wand gibt“, sagte sie schließlich leise mit belegter Stimme.

      Er nickte, erleichtert darüber, dass sie nach seinem Frontalangriff überhaupt noch etwas von sich gab. Beruhigend sprach er sich innerlich Mut zu, denn die Spannung war kaum mehr zu ertragen: "Ruhig Blut, sie redet mit dir, das ist schon einmal gut. Sie könnte dich auch gleich hier vor allen zum Teufel jagen."

      Nach