Bad Hair Day inklusive. Sabrina Heilmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabrina Heilmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748566670
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Redaktion schon gar nicht.

      »Was bedeutet das für mein Volontariat?«, fragte sie leise und suchte die eiskalten, blauen Augen ihrer Chefin, die sie vor ein paar Tagen noch so sehr bewundert hatte. Jetzt war Nelia enttäuscht und verletzt.

      »Es tut mir leid, aber ohne die Kolumne kann ich deine Stelle nicht halten. Ich weiß nicht, woran du sonst arbeiten könntest.«

      »Stella, aber ...«

      »Ich habe alles versucht, Nelia, das musst du mir glauben. Du hast Potenzial, aber ich habe keine Möglichkeit, es hier länger zu fördern. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass du eine kleine Sonderzahlung erhältst, mit der du erst einmal eine Weile über die Runden kommen solltest. Außerdem habe ich ein Arbeitszeugnis aufgesetzt. Mit diesem solltest du schnell wieder einen Volontariatsplatz bei einem anderen Magazin bekommen. Ich denke, die Lifestyle-Richtung ist einfach nichts für dich. Probier es doch mal bei der Tageszeitung.«

      Stella reichte ihr eine Mappe mit ihren Unterlagen.

      »Weil ich für mein Alter zu langweilig bin, hm? Ich verstehe schon.«

      Nelia überflog die Unterlagen. Das Kündigungsschreiben, das sie sofort aus ihrer Anstellung entließ. Das Arbeitszeugnis, das auf den ersten Blick sehr für sie sprach. Und die Honorarabrechnung mit der Sonderzahlung.

      »Siebentausend Euro dafür, dass ich stillschweigend das Feld räume und aufgebe?«

      »So würde ich das nicht nennen. Sieh es als Start in eine Zukunft, die dir mehr liegt. Und lass dir die Lust am Schreiben nicht nehmen. Deine Kolumne war fachlich auf einem sehr hohen Niveau, sie passte nur leider nicht zu Berlin Trends

      »Ist das alles?«

      Nelia schlug die Mappe zu und richtete ihren Blick auf ihre ehemalige Chefin.

      »Ich wünsche dir für die Zukunft nur das Beste. Du kannst dir in der Branche einen Namen machen, wenn du nicht aufgibst.«

      Stella stand auf und wollte Nelia die Hand reichen. Aber diese erhob sich nur wortlos, nahm ihre Unterlagen und verließ das Büro. Alle Augen waren auf Nelia gerichtet und sie spürte das Brennen der aufsteigenden Tränen. Sie war maßlos über sich selbst enttäuscht und gleichzeitig so wütend auf Stella und all die Kollegen, die sich gegen ihre Kolumne ausgesprochen hatten. Wenn sie nicht die richtigen Themen getroffen hatte, dann hätte man ihr das sagen können. Man hätte ihr Hinweise und Tipps geben und ihr etwas Neues beibringen können, anstatt sie sechs Monate ins offene Messer laufen zu lassen.

      Nelia steuerte auf ihren Schreibtisch zu und stopfte alles, was ihr gehörte, in ihre Handtasche.

      »Kannst du mir erklären, was genau du da treibst?«, fragte Jennifer ahnungslos und stand von ihrem Platz auf. Sie und Nelia hatten sich auf Anhieb gut verstanden und angefreundet. Sie verbrachten nicht nur bei der Arbeit Zeit miteinander, sondern trafen sich auch in regelmäßigen Abständen privat.

      »Meine Kolumne ist Geschichte ... und ich bin es auch.« Mit zitternden Finger zog Nelia den Reißverschluss ihrer Tasche zu, was ihr nicht auf Anhieb gelingen wollte.

      »Was soll das bedeuten?«

      »Das ich jetzt zwar siebentausend Euro mehr auf dem Konto, dafür aber keinen Job mehr habe. Sei mir nicht böse, wir sprechen später. Ich will nur noch weg. Sie haben es alle gewusst.«

      Nelia kniff die Lippen fest aufeinander und atmete tief durch, um nicht vor allen in Tränen auszubrechen. Diese Niederlage würde sie sich auf keinen Fall eingestehen.

      »Ich habe es nicht gewusst«, brachte Jennifer zu ihrer Verteidigung hervor.

      »Das weiß ich, sonst hättest du es mir gesagt. Lass uns ... lass uns irgendwann etwas trinken gehen. Ja?«

      »Natürlich.«

      Nelia umarmte ihre Freundin und machte sich endgültig auf den Weg.

      Nelia versuchte, nicht zu weinen. Aber als sie sich auf der Bank im Haltestellenhäuschen niederließ, verlor sie den Kampf. Die Tränen rannen wie kleine Sturzbäche über ihre Wangen und machten den Tag völlig zunichte. Ihre Kopfschmerzen waren in den letzten zehn Minuten stetig stärker geworden und sie wollte nach Hause in ihr Bett. An so einem Tag halfen nur eine Kopfschmerztablette, ein Glas Wein und anschließend eine Decke über ihrem Kopf, die sie vor der bösen Umwelt schützen würde.

      Als die Passanten begannen, ihr komische und mitleidige Blicke zuzuwerfen, wischte Nelia sich hastig die Wangen trocken. Eine Sekunde später hatte sie ihre Sonnenbrille auf die Nase geschoben und war aufgestanden, um in den Bus zu steigen, der vor ihr hielt.

      Für einen kurzen Moment sprach sie sich selbst Mut zu, sagte sich, dass es nicht so schlimm war und dass sie vielleicht wirklich für das falsche Magazin gearbeitet hatte. Und dennoch saß der Schmerz darüber tief, dass sie gescheitert war.

      Sie stieg aus dem Bus und hörte schon von Weitem das Sirenengeheul. Plötzlich rasten Polizei- und Krankenwagen, sowie die Feuerwehr an ihr vorbei und bogen in die Straße ab, in der sie wohnte. Bereits als sie in den Kreuzungsbereich trat, blieb Nelias Herz stehen. Unzählige Menschen wurden von den Feuerwehrleuten auf die andere Straßenseite gebracht, während die ersten Rettungskräfte in das Haus liefen, in dem mehrere Etagen eingestürzt waren. Erst im nächsten Augenblick registrierte die junge Frau, dass es sich um ihr Wohnhaus handelte, das in Schutt und Asche lag – ebenso wie ihre Wohnung.

      »Oh Gott ...«, hauchte sie atemlos und rannte, so schnell ihre Pumps es zuließen, auf die Beamten zu, die sich vor dem Haus versammelt hatten und versuchten, die Anwohner, die unverletzt waren, zu beruhigen.

      »Nelia, Gott sei Dank«, rief plötzlich eine Frauenstimme. Ella Seidel, ihre fünfundsechzigjährige Vermieterin, trat aus der Menschentraube und schloss sie in die Arme. »Ich dachte, du wärst in der Wohnung. Ich hatte solche Angst um dich.«

      »Frau Seidel, was ist denn passiert?«

      Nelia sah zum Wohnhaus und betrachtete ihr völlig verwüstetes Schlafzimmer. Ihr Bett lag zertrümmert neben einem der Nachtschränke, ihrem Laptop und Trümmern der Hausfassade auf dem Gehweg, den die Polizei großräumig abgesperrt hatte. Fensterscheiben waren zersplittert, Betonteile begruben alles unter sich, Menschen weinten.

      »Eine Gasexplosion. Ich ... ich war gerade aus dem Haus gegangen, auf dem Weg zum Supermarkt. Als ich um die Kurve ging, gab es einen entsetzlichen Knall. Da war es schon zu spät. Wir müssen die Ergebnisse der Einsatzkräfte abwarten ... Es tut mir so leid.«

      Stunden vergingen, in denen Nelia mit allen anderen Hausbewohnern, die sicher aus dem Haus gekommen waren, auf den Ursachenbericht wartete. Sie hatte sich auf den Fußweg gesetzt, die Beine angewinkelt und starrte auf das teilweise zerstörte Haus. Sie fragte sich, ob dieser Tag noch schlimmer werden konnte, und ließ den Kopf an die Hauswand sinken, während sich die Tränen erneut ihren Weg suchten.

      Sie hatte keinen Job mehr, keine Wohnung und auch sonst nichts, außer den Dingen, die sie momentan bei sich trug.

      Es war später Nachmittag, als man bekannt gab, dass nur materieller Schaden entstanden war. Alle Hausbewohner konnten sich in Sicherheit bringen oder waren zur Zeit der Explosion nicht im Gebäude gewesen. Das Haus selbst jedoch war hochgradig einsturzgefährdet. Nelia schluckte schwer und rappelte sich auf.

      Dieser Tag war ein Albtraum.

      »Nelia, wo willst du jetzt hin?«, fragte Frau Seidel besorgt.

      »Ich werde zu meinem Freund fahren ... ich ... ich weiß auch nicht ... ich kann sicher bei ihm bleiben«, antwortete sie leise und atmete tief durch. Sie war völlig überfordert mit der Situation und wollte nur Abstand von allem gewinnen. Und sie brauchte jetzt eine starke Schulter zum Anlehnen, jemand, der sie in den Arm nahm und für sie da war.

      Frau Seidel nickte und ließ sie gehen, auch wenn ihr der verletzte Ausdruck ihrer jungen Mieterin überhaupt nicht gefiel. Doch in diesem Augenblick konnte sie nichts für Nelia tun.

      Eine halbe Stunde dauerte der Weg, den Nelia bis zur Wohnung ihres Freundes Maximilian