Die Gier in dir. Mark G. Hauser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mark G. Hauser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738029352
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Schmerzen tatsächlich nachgelassen. So hatten sie den Tag zusammen verbracht, ohne dass das Gespräch noch einmal auf dieses Thema zurückgekommen war. Sie waren einkaufen gewesen, hatten am Nachmittag noch zusammen ihre wöchentliche Laufeinheit absolviert und hatten dann am Abend gemeinsam gekocht. Ein Samstag, wie man ihn sich eigentlich nur wünschen konnte. Der Tag hatte auf der Couch geendet. Sie hatten sich einen Film angesehen, waren zum Ende hin eingenickt und hatten sich anschließend in ihr Bett verkrochen. Doch während Siska endgültig eingeschlafen war, wurde Roy wieder richtig munter. Er spürte, wie es in seinem Kopf arbeitete. Tausend Dinge liefen in Sekunden vor seinem geistigen Auge vorbei. Es war, als würde er viele Filme gleichzeitig auf einem Bildschirm sehen, bis ihm letztendlich eins klar wurde: Er musste nach draußen. Das kleine Schlafzimmer beengte ihn, er musste raus, vor die Tür und seinen Gedanken freien Lauf lassen. Hier, in dieser kleinen Wohnung war kein Platz für ihn. Vorsichtig schlug er die Decke zur Seite und stand auf. Er blickt auf Siska hinunter, die immer noch friedlich im Bett lag und schlief. Sie hatte nichts bemerkt. Sehr gut. Roy schlich zum Kleiderschrank und zog eine dunkle Hose, sowie einen schwarzen Kapuzenpullover heraus. Langsam verschwand er aus dem Schlafzimmer, zog sich im Flur um, und ging zur Küche, wo er sich ein paar Einweghandschuhe aus der Schublade nahm. Nachdem er sie eingesteckt hatte, ging er zurück in den Flur und holte sein ältestes Paar Schuhe aus dem Wandschrank. Er zog sie an, nahm seinen Hausschlüssel von der Kommode und verließ die Wohnung. Als er unten an der Straße angekommen war, atmete er einige Male tief durch und sog die frische Nachtluft in sich ein. Er beschloss, einen Spaziergang zu machen und in den nahegelegenen Park zu gehen. Während er auf dem Weg dorthin durch die schmalen Gassen lief, spürte er, wie er sich zunehmend entspannte. Es war eine gute Idee gewesen, die Wohnung zu verlassen und ein paar Schritte zu gehen. Er fühlte sich befreit und losgelöst. Ob er Siska hätte wecken sollen? Nein, lieber nicht, sie würde sich nur Sorgen machen und Fragen stellen. Außerdem würde er ja in wenigen Minuten zurück sein und wenn er es geschickt anstellte, würde sie nicht einmal bemerken, dass er das Zimmer verlassen hatte. Er ging weiter und sah schon nach kurzer Zeit den Eingang zum Park vor sich. Während er sich der Grünanlage näherte, machte sich ein Kribbeln in ihm breit. Er spürte es in seinen Händen und in seinen Armen, in seinen Beinen und auch über den ganzen Rücken hinauf. Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. Roy fühlte sich gut. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich von allen Lasten und Sorgen befreit, als könnte er über dem Boden schweben, wenn auch nur wenige Zentimeter. So ein Gefühl hatte er lange nicht mehr gespürt, und er stellte fest, wie sehr er es doch vermisst hatte. Er kannte sich gut in dem Park aus, schließlich hatte er hier mit Siska schon einige wundervollen Sommertage, aber auch romantische Winterspaziergänge genossen. Zielstrebig ging er an den Bäumen und Sträuchern vorbei. Auch den kleinen Teich mit den angrenzenden Blumenbeeten, die er zusammen mit seiner Freundin bewundert hatte, ließ er unbeachtet, während er seinen Schritt beschleunigte. Er wusste genau, wohin er wollte, und als er nach wenigen Minuten sein Ziel erreicht hatte, fühlte er, wie sich das Kribbeln in seinem ganzen Körper ausbreitete. Wer hätte gedacht, dass er sich so über den Anblick einer Parkbank freuen könnte? Nun ja, genau genommen, war es nicht die Parkbank, die ihn in Erregung versetzte, vielmehr war es das, was sich darauf befand. Wie er vermutet hatte, befand sich um diese Uhrzeit ein Obdachloser auf der Bank und schlief. Roy blieb ein paar Meter vor der Bank stehen, und holte die Einweghandschuhe aus seiner Tasche.

       Sehr gut, endlich bist du zurück.

      Ich weiß nicht, ob ich es wirklich tun soll.

       Tu es!

      Und wenn ich erwischt werde?

       Bist du schon einmal erwischt worden?

      Nein.

       Dann tu es!

      Roy ging auf den Mann zu. Er war etwa vierzig Jahre alt, vielleicht ein wenig älter. Sein langer, ungepflegter Bart und die grauen Haare ließen ihn zumindest älter wirken. Er war völlig heruntergekommen und verwahrlost. Neben der Bank standen ein löchriger Rucksack und ein paar alte Plastiktüten. Vermutlich waren das alle Habseligkeiten, die der Mann besaß. Er stank, und je näher Roy der Bank kam, desto schlimmer wurde der Geruch. Wobei er nicht wusste, ob es der Mann oder sein alter Mantel war, der diesen fürchterlichen Gestank verbreitete. Vermutlich eine Mischung aus beiden. Doch das war in diesem Moment egal. In Roy stieg dieses unglaubliche Gefühl auf. Gleich war es soweit. Gleich würde dieser einzigartige Rausch durch seinen ganzen Körper sprühen. Er konnte es nicht mehr erwarten.

       Weck ihn erst auf.

      Soll ich wirklich…?

       Warum nicht?

      Er hat vielleicht Frau und Kinder?

       Bist du verrückt? Er ist obdachlos. Niemand wird ihn vermissen.

      Du hast Recht.

       Natürlich habe ich Recht. Und jetzt tu es!

      Roy blickte sich um, doch es war weit und breit niemand zu sehen. Langsam legte er seine Hände um den Hals des Mannes. Sein widerlicher Gestank aus Schweiß und Dreck drang Roy in die Nase, so dass ihm beinahe übel wurde. Das würde ihn jetzt aber nicht abhalten. Er rüttelte den Mann ein wenig am Hals, so dass dieser aufwachte. Mit verschlafenen Augen blickte er nach oben. „Was zum…?“, war alles was er noch sagen konnte, denn als der Obdachlose begriff, was eigentlich passierte, war es schon zu spät. Roy drückte mit ganzer Kraft seine Hände um den Hals des Mannes. Er begann zu röcheln und rang schwer nach Atem, doch je mehr er versuchte, an Luft zu gelangen, desto fester drückte Roy zu. Er stellte sicher, dass er dem Mann trotz des Kampfes genau in die Augen sah. Der Mann schlug wild mit den Armen und Beinen nach Roy, doch nur die wenigsten trafen ihn wirklich. Die meisten Schläge waren zu ungenau, und Roy war zu kräftig. Nach kurzer Zeit wurden die Bewegungen des Mannes jedoch langsamer und er hatte kaum noch die Kraft, sich zu wehren. Verzweifelt und flehend blickte er Roy an. In seinen Augen spiegelten sich die Hoffnungslosigkeit und die Erkenntnis, dass er keine Gnade erwarten konnte. Alles was er sah, war Roys Grinsen und der Rausch, in dem er sich befand. Kurze Zeit später und nach einem letzten, verzweifelten Aufbäumen, verlor der Obdachlose seinen Kampf. Seine Gliedmaßen erschlafften und hingen lose neben der Bank herunter. Auch sein Kopf zeigte keinerlei Bemühungen mehr, sich aus dem harten Griff des Angreifers zu befreien. Roy blickte immer noch in die Augen des Mannes. In dem Moment, als der Mann starb, hatte sein Rausch den Höhepunkt erreicht. Der Moment, in dem das Leben aus seinen Augen verschwand und er nur noch ein lebloser Körper war, versetzte Roy geradezu in Ekstase. Als er sich sicher war, dass der Mann tot war, ließ er seinen Oberkörper zurück auf die Bank fallen und atmetet durch. Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet, und sein Puls raste. Mit einem Lächeln betrachtete er die Leiche auf der Parkbank. Er hatte es wieder getan. Er hatte wieder getötet. Und es war ein unbeschreibliches Gefühl.

       Du warst großartig.

      Ich weiß.

       Du hast es vermisst, nicht wahr?

      Ja.

       Aber jetzt bist du zurück.

      Ich bin zurück.

      Roy blickte sich nochmals um, doch es war immer noch niemand zu sehen. Mit zügigen Schritten entfernte er sich von der Parkbank. Er wählte einen etwas anderen Weg zurück, als den, auf welchem er gekommen war. An diesem Weg gab es höhere Büsche und Sträucher, so dass der Weg besonders dunkel war. Zum einen konnte er so vielleicht noch besser vermeiden, gesehen zu werden. Zum anderen gefiel ihm die Dunkelheit gerade am Besten. Er schmunzelte. Der Tod kommt aus der Dunkelheit und verschwindet nach vollbrachter Tat wieder dorthin zurück. Der Gedanken gefiel ihm. Was für eine Nacht. Was für ein Rausch.

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