"Ko", stellte sich der Neue vor. "Ich nehme an, wir duzen uns!" Grinsend gab er Flinker die Hand, dann auch Birtele, der sich als "Joe" vorstellte, während Flinker sehr betont seinen Nachnamen genannt hatte.
"Nennen Sie mich Flinker!", sagte der Kommissar. "Und mein Kollege ist der Birtele."
"Ko?", fragte Birtele. "So wie der Ko aus der Fernsehserie?"
"Kenne ich leider nicht", antwortete Ko und sein Grinsen wurde noch ein Stück breiter. "Also Flinker und Birtele - und Sie?"
Flinker nickte. "Das sind wir so gewohnt."
"Willkommen!", sagte Birtele und rang sich ein Lächeln ab. Und Flinker bat den Neuen, sich zu setzen.
"Sie spielen Schach?", fragte Ko, der das Schachtischchen einmal aktenfrei bewundern konnte - vermutlich das letzte Mal. Flinker hatte sich, auf Anraten von Birtele, zu einer Aufräumaktion durchgerungen, um den Neuen nicht gleich mit der gewohnten Unordnung zu schockieren. Auch das Schachtischchen war bei dieser Gelegenheit von dem Aktenstapel befreit worden.
"Ein wenig", erwiderte Flinker, der befürchtete, der Schönling könnte ein gewiefter Schachspieler sein. "Birtele spielt auch", ergänzte er in der Hoffnung, damit von seinen eigenen Schachkünsten abzulenken.
"Auch nur ein wenig", sagte Birtele, als ihn Ko anschaute. Auch Birtele hatte gehörig Respekt vor dem Spielvermögen des Neuen.
"Ich kann es leider gar nicht!", bemerkte Ko. "Bin froh, wenigstens ein Spielbrett zu erkennen. Ich schreib lieber Bücher." Dabei tippte er mit der rechten Hand auf die beiden Bücher, die unter seinem linken Arm klemmten. Die Kommissare schauten sich an und sagten nichts dazu. Ko erschien ihnen als Angeber und sie wollten seinem Ego nicht mit Nachfragen weitere Nahrung verschaffen.
Etwas verunsichert bemerkte der Schönling, noch einmal Richtung Schachbrett schauend: "Ist wohl wenig los, auf der Dienststelle?"
Flinker, der sofort verstand, dass Ko meinte, er würde täglich mit Birtele zum Zeitvertreib Schach spielen, schüttelte mit dem Kopf. "Das Brett haben wir bei einem wichtigen Fall gebraucht. Wir beide spielen hier nicht miteinander."
"Interessant!", sagte Ko. "Ein Mord mit dem Schachbrett."
Nun hatte Flinker keine weitere Lust, die Sache richtig zu stellen. Er zeigte Ko einen kleinen Schreibtisch, der etwas abgerückt an einer Wand stand. "Was Besseres kann ich Ihnen nicht anbieten."
"Ist in Ordnung!", entgegnete Ko. "Oder wie ihr Ur-Bayern sagt: Passt scho!"
Wieder reagierten die Kommissare mit einem gequälten Lächeln auf das breite Grinsen des Neuen. Auf dem leeren Tisch legte er Bücher und ein paar andere persönliche Sachen ab. "Der Rest ist noch im Auto."
Das Telefon klingelte. Flinker nahm den Anruf entgegen. Dann sagte er: "Von wegen wenig los!" Ohne weitere Erklärung stand er auf, nickte Birtele zu und ging aus dem Raum. Beim Vorbeigehen am Tisch des Neuen tat er dann doch noch ein wenig interessiert. "Passt scho", murmelte er und rollte mit den Augen.
3
Im Rückspiegel sah Flinker Kos Auto, ein rotes Cabrio. Den Blick über seine geliebten Hügel und Berge des Oberpfälzer und des Oberen Bayerischen Waldes konnte er kaum genießen. Zu schnell war er unterwegs und zu wichtig war es ihm, einen flotten Eindruck bei Ko zu machen. Birtele lächelte auf dem Beifahrersitz in sich hinein, aber er verstand seinen Chef nur zu gut.
"Kommt er nach?", fragte er.
Flinker nickte. "Basst scho."
Birtele lachte. Und beide spürten, wie so ein Neuer die Alten zusammenschweißen kann.
"Was gab es denn?", wollte Birtele nun wissen.
"Die Kollegen haben einen anonymen Anruf erhalten. Ein Toter am Regen. Genauer im Regen auf einem Felsen."
"Bei Hochwasser?"
"Vermutlich hängengeblieben."
Die letzten Tage war endlich der ersehnte Regen gekommen, der Regen vom Himmel, der in den Fluss Regen, aber auch auf das trockene Land fiel. Doch natürlich konnte der harte, ausgedörrte Boden das Wasser nicht aufsaugen, sondern es strömte in braunen Sturzbächen in die Flüsse hinein, samt Gülle, Plastikabfällen, Ästen und Heu, das nicht rechtzeitig von den Wiesen in die Scheunen gebracht werden konnte. Und einer Leiche, vielleicht. Oder einem Betrunkenen, der zu einem Ertrunkenen wurde.
Als sie ankamen, standen zwei Polizeiautos am Ufer und mehrere kopfschüttelnde Beamte. Sie hätten schon einige Kilometer weiter oben und weiter flussabwärts abgesucht, berichteten sie, aber keine Leiche gefunden. Entweder sei sie fortgespült worden oder es habe keine Leiche gegeben.
Unterdessen gab es am Absperrband einen lauten Disput, weil dort partout ein flotter Cabriofahrer zu den Kommissaren wollte.
"Der gehört zu uns!", rief Flinker den pflichtbewussten Streifenbeamten zu. Sie ließen ihn durch.
"Ich weiß nicht, wo ich meinen Ausweis habe", erklärte Ko die Situation mit hochrotem Kopf.
"Sie sollten ihn nicht auf dem Schreibtisch liegen lassen!", sagte Flinker und reichte ihm schmunzelnd den Ausweis.
"Ach, Sie haben ihn", sagte Ko. Er wusste nicht, was er von der Geschichte halten sollte.
"Eine fehlende Leiche", klärte Birtele den Neuen auf und deutete mit einer Kopfwendung zum braunen Fluss.
"Oder ein saudummer Scherz!", fügte Flinker an.
Ko jedoch ging auf das Ufer zu, vorsichtig auf eventuelle Spuren achtend, stellte sich zwischen das indische Springkraut, das hier überall das Ufer säumte, und schaute nachdenklich in den braunen Regen. Dann schüttelte er mit dem Kopf, drehte sich wieder um und ging zu den Kommissaren zurück.
"Ist was?", fragte Flinker.
"Nein, nein", sagte er. "Weiter flussabwärts kommt doch ein Wehr?", fügte er an.
"Ja", bestätigte Flinker. "Sie meinen, der Tote könnte dort hängenbleiben?"
Ko antwortete nicht, sondern sinnierte wieder vor sich hin.
Ein Streifenbeamter berichtete Flinker vom Telefonat: "Klang sehr glaubwürdig", sagte er. "Ich hab das Telefonat entgegengenommen, beziehungsweise mit angehört, als es in der Dienststelle ankam. Ich bin mir sicher, dass dort auf dem Felsen mitten im Fluss ein Toter lag. Er hat mir die Stelle genau beschrieben."
"Er?", unterbrach ihn Flinker.
"Ja, nicht der Tote. Die Stimme am Telefon, mittelalt, schätze ich."
"Okay, aber ich meinte ja eine Männer- oder eine Frauenstimme. Also ein männlicher Anrufer. Was ist mittelalt?", fragte Flinker nach.
"So um die Vierzig", erläuterte der Polizist.
"Akzent?"
"Nein, ein Deutscher, hochdeutsch redend, also nicht von hier."
"Na ja, bei uns gibt es auch welche, die Hochdeutsch reden können."
"Meinetwegen", brummte der Polizist. "Glaub aber trotzdem, dass der nicht von hier ist."
"Und was hat er gesagt, als Sie nach seinem Namen gefragt haben?"
"Der tue nichts zur Sache, hat er gesagt."
"Danke, Kollege!", erwiderte Flinker. "Mal sehen, was draus wird. Hier können wir jedenfalls nichts mehr tun. Geben Sie es mir durch, wenn eine Vermisstenmeldung reinkommt oder was gefunden wird!"
Der