519 Park Avenue. Peter Stockfisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Stockfisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783745091854
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Repressalien in Mosambik etwas aufgemotzt hatte und viele Fragen beantworten musste – überwiegend zu seinem Job bei der DDR Botschaft in Maputo. Er war damals 25 Jahre alt und machte offensichtlich einen vertrauenswürdigen Eindruck. Die politischen Verhältnisse in Mosambik waren zwar gerade im Wandel begriffen, sie waren aber immer noch geprägt von dem Einfluss des Sowjetblocks. Saidis Antrag auf Anerkennung als Refugee wurde daher ohne große Schwierigkeiten bearbeitet.

      Es dauerte einige Wochen, in denen er in einem einfachen Hotel auf Kosten der US Botschaft untergebracht war, bis er nach New York ausgeflogen wurde. Alles arrangiert von der International Organisation for Migration (IOM) mit späterer Rückzahlungsverpflichtung.

      Er wird nie vergessen, von welchen Gefühlen er bei seiner Ankunft in Amerika überwältigt wurde: Einerseits dieses Hochgefühl, im ‘Traumland’ USA gelandet zu sein, wo für ihn ein neues Leben beginnen würde. Andererseits eine gewisse Traurigkeit, alles hinter sich gelassen zu haben: Seine Eltern, seine Freunde, seine Heimat, in der er aufgewachsen war .

      Ein Vertreter der USCRI Albany hatte ihn am JFK-Flughafen in Empfang genommen. Es folgten Wochen, in denen er mit Umsiedlungs- und Integrationsorganisationen zu tun hatte, mit viel Bürokratie.

      Ein leises Brummen ertönte. Elviras Wecker.

      “Liebling, du brauchst nicht zu schleichen. Ich bin wach und stehe mit dir auf.”

      “Was ist denn mit dir los, sonst schläfst du doch wie ein Bär um diese Zeit. Was hast du, Alter ?” Sie beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuss auf ein Augenlid.

      “Die Erinnerungen an früher. Ich habe die ganze Zeit daran gedacht. Ich erzähl dir später.”

      “Lasst uns heute Abend darüber reden. Aber grüble nicht so viel über die Vergangenheit.” Sie verschwand im Badezimmer und drehte die ziemlich geräuschvolle Dusche auf. Daher konnte er auch nicht hören, was sie noch sagte: ‘Uns geht es doch gut.’

      Als Elvira gegangen war und etwas später auch die Kinder, wollte Saidi sich wieder hinlegen. Zuvor musste er aber seine Gedanken ordnen. Kutschinski ! Er lebt ! In New York ! Unter einem anderen Namen, und offensichtlich lebte er nicht schlecht. Wie oft hatte er sich ausgemalt, was er mit ihm machen würde, wenn er ihm begegnen sollte. Ein qualvolles Ende hatte er ihm gewünscht. Doch jetzt, nach so vielen Jahren waren Hass und Rachegefühl abgeebbt.

      Aber etwas musste geschehen. Er sollte zahlen ! Und nicht zu knapp. Warum sollten Saidis Kinder eines Tages nicht aufs College gehen und vielleicht einen Universitätsabschluss machen können ? Kutschinski wird zahlen, der hat bestimmt genug Cash – und keine andere Wahl. Anderenfalls würde Saidi ihn hochgehen lassen.

      Es kam ihm nicht in den Sinn, dass er sich mit seinem Ansinnen strafbar machen würde. Vielmehr war er davon überzeugt, dass sein Plan lediglich ein kleiner gerechter Ausgleich wäre für den Schmerz, den dieser Mann ihm und seiner Familie zugefügt hatte.

      Er musste sehen, wie und wo er ihn erreichen konnte. Er würde heute, bevor er seine Schicht antrat, zur Pine Street fahren, wo er Kutschinski und den anderen an dem ehrwürdigen Bürogebäude abgesetzt hatte. Er würde den Pförtner in der Lobby fragen, wer die beiden waren, die um kurz nach sechs am Empfang registriert wurden. Er würde vorgeben, dass sie ein Schlüsselbund in seinem Taxi vergessen hätten, das er ihnen gerne zurückbringen wollte. Ja, das würde er tun. Und dann würde er Kutschinski, oder wie er jetzt hieß, auf die Pelle rücken.

      Sobald er den Namen und gegebenenfalls seine Firmenzugehörigkeit in Erfahrung gebracht hatte, würde er sich noch einmal vergewissern, um ganz sicher zu gehen. Sie hatten sich vor einem Jahr einen Computer angeschafft. Sowohl Elvira als auch er waren von ihren Arbeitgebern dazu ermuntert worden, und die Kinder hatten auch schon eine zeitlang gedrängelt, insbesondere Jazmin. Über die Schule und der öffentlichen Bibliothek in ihrer Nähe hatten sie zwar regelmäßig Zugang zu Computern, aber zuhause war es natürlich weitaus bequemer. Kutschinski würde unter seinem neuen Namen bestimmt im Netz zu finden sein. Er würde dort nach einem Lebenslauf und vor allem nach Fotos suchen.

      Mit diesem Entschluß ging er ins Schlafzimmer, schloss die Jalousien, zog die Fenstervorhänge zu und legte er sich wieder hin. Es dauerte noch eine Weile, bis er schließlich in einen etwas unruhigen Schlaf verfiel.

      *

      Es war gar nicht so einfach gewesen. Der Pförtner in der Pine Street hatte sich nicht sehr zugänglich gezeigt. Die Männer und Frauen, die am Empfang in den Lobbies der großen Bürogebäude arbeiteten, waren alle Angestellte von Sicherheitsfirmen. Und das nicht erst seit September Eleven. Und die hatten natürlich ihre strengen Vorschriften.

      “Ich darf keine Namen weitergeben.”

      “Aber wie kann ich den Herren denn das Schlüsselbund wiedergeben, das sie in meinem Taxi verloren haben ?”

      “Sie können es hier deponieren und darauf hoffen, dass jemand nachfragt, ob wir ein Schlüsselbund gefunden haben.”

      Saidi gab nicht so schnell auf: “Warum sollten die sich ausgerechnet hier melden. Die Herren waren vermutlich gestern an verschiedenen Orten und haben mehr als einmal ein Taxi benutzt.”

      Ein zweiter Pförtner, der die ganze Zeit neben seinem Kollegen gestanden und das Gespräch mit angehört hatte, schaltete sich jetzt ein.

      “Wann war das gestern ?” Saidi schöpfte Hoffnung.

      “Ich erinnere mich genau. Es war kurz nach 18 Uhr.”

      Der Pförtner , der gefragt hatte, gehörte, wie Saidi, zu den Minorities, wie man hier die Gruppe der Afroamerikaner, der Asiaten, der Latinos, und anderer Dunkelhäutiger bezeichnete. Er schien Saidi helfen zu wollen und hatte augenscheinlich Sympatien mit dem Taxifahrer, der ohne die gewünschte Information vermutlich um ein stattliches Trinkgeld kommen würde. Er ging an seinen Computer und bewegte die Maus.

      “Um die Zeit kommen nicht mehr viele. Die meisten verlassen dann das Gebäude. Die zwei, die ich hier habe,” er schaute dabei auf seinen Bildschirm, “sind hier an der Wall Street ziemlich bekannt, besonders der Eine.”

      “Gut, dann verraten Sie ja kein großes Geheimnis, wenn Sie mir deren Namen geben,” sagte Saidi und lächelte den Pförtner kumpelhaft an.

      “Wissen Sie was ? Ich gebe Ihnen den Firmennamen. Das ist alles.”

      “Okay.”

      “Engelhard Capital Group.”

      “Besten Dank !”

      Wieder auf der Straße überlegte er und schaute auf seine Uhr. Elvira würde nach ihrer Frühschicht die Kinder gegen 15 Uhr von der Schule abholen. Bis zum Beginn seiner Schicht hatte Saidi noch viel Zeit. Im Moment wollte er Elvira nicht einweihen. Jetzt noch nicht. Sie würde sich Sorgen machen und versuchen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Er würde daher seine Nachforschung nicht an ihrem Computer zuhause anstellen, sondern zu seinem Kumpel gehen, einem Brasilianer, der in Astoria einen Copy-Laden betrieb. Er kannte Lucas schon lange. Immer wenn er Fotokopien brauchte, ging er zu ihm. Sie unterhielten sich dann auf Portugiesisch. Lucas hatte neben den zwei Kopiergeräten auch drei Computer aufgestellt, die seine Kunden gegen Gebühr benutzen konnten. In der Gegend gab es viele Menschen aus allen Teilen der Welt, die keinen eigenen Computer besaßen und zunehmend darauf angewiesen waren, online zu gehen, sei es, einen Job zu finden, sei es, irgend etwas billig zu erwerben. Daher florierte das Geschäft des Brasilianers recht gut.

      ‘Engelhard Capital Group’ hatte der Pförtner gesagt. Und, wenn die Männer bekannt waren, musste es sich um Personen aus dem Topmanagement handeln. Saidi brauchte dann nur noch nach einem Lars zu suchen. So wurde sein Fahrgast von dem anderen genannt.

      Tatsächlich, Saidi konnte mit drei Klicks die Webseite von Engelhard Capital aufrufen. Lars Bergstraesser stand da unter CEO. Er war also der Boss der Firma. Mit Bild. Das Bild hätte er gerne vergrößert. Er wusste aber nicht mehr genau, wie das ging. Und Lucas wollte er nicht fragen. Es ging Niemanden etwas an, wonach er suchte. Das Wenige, das er auf dem Computer machen konnte, hatte er von Jazmin gelernt. Er hatte ihr auch schon einmal über die Schulter