519 Park Avenue. Peter Stockfisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Stockfisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783745091854
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nur mit Glück entkommen war. Allerdings war er sich nicht so sicher, ob die Russen selbst seinerzeit über den Hergang der Dinge zu der gleichen Schlußfolgerung gekommen waren. Spätestens bei seinem plötzlichen Verschwinden nach dem Tod des Mädchens waren in der sowjetischen Botschaft wohl Zweifel an der offiziellen Theorie aufgekommen. Ob es aus dieser Wolke nach so langer Zeit und dem Untergang der Sowjetunion heute noch regnen würde, hielt Bergstraesser für eher unwahrscheinlich. Allerdings konnte man beim KGB und seinen Nachfolgern, wenn es um einen ihrer Leute ging, nie ganz sicher sein.

      Der Fall mit dem Mädchen wog natürlich schwer. Das war es auch, was ihn jetzt, als er über die beiden Ex-Kameraden nachdachte, beschäftigte. Mit einer halbherzigen Lösung war es daher auch nicht getan. Er musste entschlossen und radikal handeln. Hilfe von anderer Seite konnte er nicht erwarten. Das hatte ihm der CIA-Mann damals in Langley ganz klar zu verstehen gegeben. Nie gesehen, nie gekannt.

      Der Deal damals vor über 20 Jahren war, dass er den Amis alle Informationen über das MfS, seine Strukturen, Aktivitäten, Personen, Rolle der Stasi in den diplomatischen Vertretungen der DDR, die Waffengeschäfte in allen Einzelheiten preisgab im Austausch für eine neue Identität, für ein neues Leben in einer neuen Welt. Man ließ keinen Zweifel daran, dass er von nun an auf sich allein gestellt sei und zu keinem Zeitpunkt und in keiner Situation mit der Unterstützung der Agentur rechnen könne. Als hätte es niemals einen Kontakt zwischen ihnen gegeben.

      Das Haustelefon brummte:

      “Hier ist Mike. Herr Bergstraesser, Vadim ist da. Brauchen Sie Hilfe ?”

      “Nein danke, ich bin in fünf Minuten unten.”

      In der Lobby angekommen, nahm ihm Mike seine Reisetasche aus der Hand und reichte sie am Ausgang an Vadim, der unter dem Baldachin wartete, weiter. Die Wagentür stand bereits offen.

      Der Feierabendverkehr war in vollem Gange.

      “Wie sieht’s aus, Vadim ?”

      “Ich nehme den FDR Drive. Um diese Zeit ist zwar stop-and-go, aber es bewegt sich. Und wir sind dann gleich beim Heliport”.

      “Okay.” Kutschinski lehnte sich zurück und überlegte.

      “Vadim, Du kennst doch einige Leute in New York, die auch High-Risk-Jobs übernehmen, oder ?”

      “Kommt drauf an, was sie mit High-Risk meinen.”

      “High-Risk und High Reward. Ein Job, bei dem viel Geld zu verdienen ist”.

      “Darüber lässt sich immer reden. Aber worum geht es ?”

      “Vergiß es, wir reden ein anderes Mal darüber.” Er wollte das Thema jetzt nicht weiter erörtern. Aber er hatte den Nagel schon einmal eingeschlagen. Vielleicht gab es ja noch eine andere Lösung.

      Sie waren jetzt auf dem FDR Drive. Es war sehr dichter Verkehr und sie kamen nur langsam voran. Aber der Heliport an der 34. Straße war nicht mehr weit.

      11.

      Thomas Kirsten wollte gerade zum Tradingraum rübergehen, als sein Telefon klingelte.

      “Ja !”

      “Trevis, Trevis Mohan von CALO Solutions.”

      “Hi, sind sie wieder zurück in Kalifornien ?”

      “Ja, ich wollte mich noch einmal bei ihnen und Lars für das konstruktive Gespräch gestern bedanken. Wann können wir konkret werden ? Wie lange brauchen sie für das Due Diligence ? Ich glaube, wir müssen uns einen engen Zeitplan setzen. Das wirtschaftliche Umfeld ist nicht gerade rosig. Wir würden diese Runde allerdings nur ungern verschieben.”

      Kirsten hatte noch nicht mit seinen Leuten gesprochen.

      “Ich denke, das sollte in den nächsten zwei Wochen erledigt sein. Wenn sie mit dem Filing auf dem Laufenden sind, können wir Vieles online bekommen. Wir schicken ihnen aber noch einen detaillierten Fragenkatalog. Und unser Service Agreement. Ich rufe sie in der nächsten Woche an.”

      “Okay, ich verlass’ mich auf Sie. Schönes Wochenende.”

      Kirsten musste unbedingt noch mit ein oder zwei Analysten der großen Finanzhäuser sprechen, um ein besseres Gefühl für die aktuelle Marktsituation zu bekommen. Die Engelhard Capital Group unterhielt keine eigene volkswirtschaftliche Abteilung oder einen Chef-Volkswirt. Er hätte auch gerne noch ausführlicher mit Bergstraesser gesprochen, aber der war heute irgendwie von der Rolle und hatte sich früh ins Wochenende verabschiedet.

      So sehr sie auch an dem neuen Kunden und der Konsortialführerschaft bei dieser Kapitalerhöhung interessiert waren, einen Flop konnten sie sich nicht leisten. Er griff zum Telefon:

      “Jeff, kannst Du mal kommen, ich muss etwas mit dir besprechen.”

      “Gib mir 10 Minuten, ich bin gerade dabei, einen Brief an die FINRA zu schreiben, der heute raus muss”.

      “Okay.”

      Jeff Cohan war ein Veteran, der praktisch von Anfang an dabei war. Kirsten hatte ihn vor etwa 18 Jahren von einer anderen Wall Street Firma zu Engelhard geholt. Sie machten ihn bereits nach kurzer Zeit offiziell zu ihrem CFO. Er war ein sehr erfahrener Finanzmann und, was das Wichtigste war, Kirsten und Bergstraesser konnten sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Mit seinem kleinen, aber hochkalibrigen Team hatte Jeff die Dinge stets unter Kontrolle. Und das war nicht immer ganz leicht. Seit ENRON und dem Sarbanes-Oxly-Act waren die Compliance-Anforderungen immer umfangreicher und komplexer geworden. Immer mehr und häufiger mussten Berichte und Zahlen an die Aufsichtsbehörden geliefert werden. Ihre Kosten für Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer hatten sich in den letzten beiden Jahren verdoppelt.

      “Da bin ich; was gibt’s ?”

      Jeff Cohan war eine positive Erscheinung: Mit seinen leicht angegrauten kurzen Haaren, seiner randlosen Brille, schlank und rank wirkte er eher wie ein Gymnasiallehrer für die Fächer Deutsch , Geschichte und Sport. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht.

      “Setz’ dich. Jeff,” Kirsten kam gleich zur Sache.

      “Du siehst doch in Ausschüssen und Kommittees einige Leute. Wie wird in der Branche die derzeitige wirtschaftliche Situation eingeschätzt. Und was ist deine eigene Meinung ?”

      “Das Bild ist uneinheitlich. Natürlich sind alle einigermaßen geschockt, was vor einigen Wochen mit Bear Stearns geschah, nachdem Alan Schwartz noch kurz vorher bei CNBC ihre Zahlungsfähigkeit beschworen hatte. Das werde ich so schnell nicht vergessen. Ich war übrigens am 14. März, an dem Freitag, mit einem Banker in Maggie’s Bar verabredet, gleich gegenüber von Bear Stearns an der 47. Straße. Da waren viele, die ihr ganzes Geld verloren hatten. Ihre Bear Stearns Aktien, die sie in all den Jahren angesammelt hatten und die einmal bei 154 Dollar notierten, waren an dem Tag nochmals um 40 % auf fast 2 Dollar gefallen. Da war Weltuntergangsstimmung”.

      Jeff machte eine Pause. Die Erinnerung daran schien ihn immer noch zu beschäftigen.

      “ Und die zahlreichen Pleiten der Hypothekenfinanzierer im letzten Jahr haben natürlich zur Verunsicherung beigetragen. Inzwischen werden etwa 25 % aller Hypothekendarlehen nicht mehr bedient. Überwiegend besteht allerdings die Meinung, dass es sich um eine Krise bei der Immobilienfinanzierung handelt, die weitgehend ausgestanden ist. Einige sind pleite gegangen, andere sind übernommen worden, und die Banken haben den überwiegenden Teil ihrer Risiken bereits abgeschrieben.”

      “Ja, auch die Schweizer, die Deutschen, die Franzosen und die Briten haben bereits alle massive Abschreibungen auf Immobilienkredite vorgenommen. Ackermann hat sogar etwas Optimismus verbreitet, als er kürzlich verkündete, dass die Deutsche Bank voraussichtlich nur noch einen kleinen Teil ihrer Immobilienkredite abschreiben müsse. Die Deutsche hat für 2007 sogar wieder ein Bombenergebnis vorgelegt und die Cobank glänzte mit einem Rekordgewinn.”

      “Die Abschlüsse vom letzten Jahr haben sich allerdings als trügerisch erwiesen. Die Deutsche musste im ersten Quartal in diesem Jahr noch einmal die Hosen runterlassen. Ich glaube, die mussten noch einmal 3 Milliarden Dollar abschreiben.