Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844236200
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und für wen sie kämpfen. Und wir müssen die Cas warnen, wenn sie nicht schon längst davon wissen.

      Der Verdacht liegt nahe, dass diese Axtkrieger aus der Halbinsel im Nordosten kommen. Seit jeher ist dieses Volk der größte Widersacher Cycalas, doch kennt es unsere Stärke und hält sich aus Angst vor uns schon seit Jahren im Ödland verborgen. Jetzt, da der halbe Kontinent sich im Krieg gegen uns befindet, mögen sie ihre Chance wittern, doch weiß ich nicht, wer sie zu diesem neuen Kampf aufgerufen hat. Mit dem Streit in Orio haben sie nichts zu tun und was bringt es ihnen, unsere Brüder und Schwestern fern der Heimat zu erschlagen?

      Shaj Saton wird mehr darüber wissen. Ich bete, dass er tatsächlich bei den Cas ist, und dass wir jene auch bald finden werden.

      5. Tag des Wentril

      Ich habe sie gesehen. Zwei Gestalten wahrlich widerlicher Natur machten sich über totes Wild her, als wir sie durch die Bäume beobachteten. Sie bemerkten uns erst, als wir von hinten auf sie zustürmten und ihnen die Kehlen durchschnitten.

      Kein Zweifel, sie kommen aus Zrundir.

      Der Junge, den wir mehr tot als lebendig am Mondsee gefunden haben, hat den Kampf gegen seine tiefen Wunden verloren. Wer auch immer diese Zeilen liest, mag es als kaltherzig ansehen, wenn ich sage, dass es uns keinen Kummer bereitet hat. Wir kamen mit ihm nur langsam voran und konnten kaum steile Hänge erklimmen, was uns zusätzliche Gefahr einbrachte.

      Trotzdem war er uns eine große Hilfe und hat durch seine Worte vielleicht unser aller Leben gerettet, jetzt, da wir auf einen weiteren Kampf vorbereitet sind. Wir ehrten ihn mit einem großen Totenfeuer und einigen Tropfen Feindesbluts.

      Noch gibt es keine Spuren der Cas, doch wir vermuten sie inzwischen weiter tief im Wald und werden ihren wahrscheinlichen Aufenthaltsort morgen erreichen. Von Phio und den anderen fehlt noch jede Spur, aber ihre Reise führt durch die Sümpfe und sie werden dort viel Zeit verlieren. Nun werde ich mir noch ein paar Stunden Schlaf gönnen, denn je näher wir unseren Erwählten kommen, desto enger werden auch die Reihen unserer Feinde. Sie wissen wohl noch nicht, wer sich in ihrem Zentrum befindet.

      5. Tag des Wentril – Nachtrag.

      Eben haben wir wieder eine Handvoll Zrundir-Kämpfer besiegt, doch ihr nun recht häufiges Erscheinen macht mir Sorgen. Dorfbewohner und Soldaten des Landes scheinen immer seltener zu werden. Zum ersten Mal fürchte ich, die Cas könnten nicht mehr alle am Leben sein. Auch wir sind nur noch Fünf von einst Dreizehn.

      6. Tag des Wentril

      Wir haben sie gefunden und sie sind wohlauf! Morgen mehr.

      7. Tag des Wentril

      Lange Stunden liegen hinter mir und der dreizehnte Morgen seit unserer Ankunft an der Westküste naht. Doch dies muss ich niederschreiben, denn vielleicht wird es keine weiteren Worte mehr von mir geben.

      Nach vielen weiteren Kämpfen haben wir gestern mittag eine Anhöhe erreicht, die in eine niedrige Felswand mitten im Wald übergeht. Wie groß war die Freude, als der Erwählte Haz-Gor uns plötzlich begrüßte und zu dem geheimen Ort brachte, der seit Tagen das Lager der Cas beherbergt. Sie waren alle da, alle Neun, und alle noch fähig zu kämpfen. Ich fragte sie nach Saton, unserem Shaj der Nacht, doch sie wollten mir zunächst nichts über seinen Verbleib sagen. Erst als ich vom Tode Droms und der Schlacht am Mondsee berichtete, nickten sie sich zu und brachten mich in eine niedrige Höhle in der Felswand, wo der Shaj mich erwartete. Nie zuvor habe ich mich so erleichtert gefühlt, denn solange er lebt, gehört der Sieg uns.

      Ich erzählte noch einmal von Drom, von Phio, von den fremden Kriegern und von den Verlusten, die meine Gruppe erlittten hatte. Saton dankte mir und ließ mich wissen, dass es tatsächlich Soldaten aus Zrundir waren, die uns so zusetzten. Anscheinend hatten sie von niemand anderem als der Gräfin Orjope selbst gehört, was hier vor sich geht. Zrundir hasst alles, was aus dem Sichelland kommt, denn zu gern würden diese Barbaren unser Reich ihr Eigen nennen. Hier, den Rücken von naiven Bauern gestärkt und unter dem Schutze des Sonnenbanners Orios, können sie uns gefahrlos töten, und die Tatsache, dass Orjope sie für ihre Dienste reich entlohnt, stachelt sie noch mehr an. Wir kämpfen nun gegen drei Fronten... gegen dumme, aufgehetzte Dorfbewohner, gegen eine rachsüchtige Gräfin und ihre Diener und gegen die Kreaturen aus Zrundir – die vielleicht die Grausamsten von allen sind.

      Saton ist siegesgewiss. Er ist stolz, dass so viele Gebieter der Nacht hierher gekommen sind, um ihn zu unterstützen, denn obwohl uns niemand im Zweikampf besiegen kann, ist eine Rückkehr nach Cycalas für jeden einzelnen doch ungewiss. Doch er betonte, wie so oft, dass es wichtig ist, dass die meisten unserer Krieger nördlich Valahirs bleiben, denn nur dieses Land gilt es zu beschützen. Nur er und die neun Cas hätten die Pflicht, uns über die Grenzen Cycalas' hinaus zu verteidigen, selbst, wenn es ihr Leben kostet.

      Über die neun Erwählten darf ich an dieser Stelle nicht sprechen. Die größten Kämpfer des Landes, deren Sichel tödlicher ist als alle Säbel Cycalas' zusammen, sie werden den Kampf entscheiden und alles für den letzten Schlag Satons vorbereiten. Doch sollten diese Seiten den Falschen in die Hände fallen, ist der Schaden jetzt schon groß genug, weshalb ich an dieser Stelle lieber schweige.

      Nun warten wir auf Phio, aber auch auf andere Nachrichten aus dem Norden. Der Zug nach Orio ist nicht mehr fern und wir sind zuversichtlich, die Burg Orjopes zu stürmen, bevor Zrundir uns mit einer größeren Kriegsmacht angreifen kann.

      Wer weiß, ob ich noch einmal schreiben kann, jeder Tag und jede Stunde sind von jetzt an eine einzige Schlacht. Allein heute haben wir mehr Feinde erschlagen als in all den Tagen zuvor, doch dank der Cas hatten wir keine neuen Verluste. Mögen unsere Mächte uns weiter beschützen.

      10. Tag des Wentril

      Ich kann nicht mehr beschreiben, was ich sah. Die Cas sind am Leben, doch Saton ist tot.

      Orjope wird sterben, doch ich werde nicht dort sein, um ihren Tod zu begrüßen. Hier liege ich wieder am Ufer des Ben-Apu und sehe denen hinterher, die bald die Grenzen zu Orio überschreiten werden. Ich kann ihnen nicht mehr helfen, meine Kraft ist am Ende. Wer weiß, wo ich eine Bleibe finde, doch sehne ich mich nach Ruhe fernab des Sichellandes, fernab von Kampf und Krieg und den Erinnerungen, die mich plagen. Diese Seiten werde ich bei mir tragen und eines Tages wird der Moment kommen, da sie vielleicht jemandem nützlich sind.

      Dies schrieb Gromuit, Säbelwächter aus Askaryan, der seine Klinge der Tiefe Saguns übergeben wird, um nie wieder zu kämpfen.“

      Die Öllampe war fast ausgebrannt, doch Sara reagierte nicht auf das Flackern, sondern sah noch lange auf die letzten Worte Gromuits. Beinah wünschte sie, sie hätte diese Aufzeichnung nie in die Hände bekommen. Mehr Fragen als Antworten hatten sich ergeben, mehr Befürchtungen waren gesät denn zerstreut worden. Was wirklich geschehen war, wusste sie nicht, doch sie zweifelte jetzt an den undeutlichen Geschichten, die man sich im Tempel und auf den Dörfern erzählte. Manchen von ihnen musste sie jedoch mehr Wahrheit anerkennen, als sie es bisher getan hatte, doch der Umstand, dass sie das nicht erschreckte, machte ihr mehr Angst als die wahren Tatsachen.

      Sie hätte gern gewusst, was aus Gromuit geworden war, ob er es geschafft hatte, sich in Sicherheit zu bringen und vor allen Dingen, wie dieses Dokument seinen Weg in den Nebeltempel gefunden hatte. Der Shaj der Cycala, Saton, war gestorben, doch hatten es seine engsten Vertrauten, die Cas, geschafft, in ihre Heimat zurückzukehren? Shaj... das war vermutlich ein Herrscher, eine Art König. Und die Cas? Wohl so etwas wie eine Leibgarde oder die obersten Krieger. Was war in dem Wald geschehen, der sich westlich von ihr ausbreitete, wie war Saton ums Leben gekommen und was hatte es mit dieser düsteren Grafschaft Orio auf sich? Was war überhaupt vorgegangen vor zwölf Jahren und warum um alles in der Welt sprach niemand darüber? Warum gab es keine Aufzeichnungen, warum war alles ein so großes Geheimnis? Zwölf Jahre, damals war sie noch ein kleines Mädchen gewesen, und sie hatte nichts von dem geahnt, was gar nicht so weit von hier in den Wäldern passierte. Es war doch keine Ewigkeit her, nur ein Wimpernschlag im Anbetracht der Geschichte des Kontinents. Und doch taten alle so, als wäre nie etwas Besonderes geschehen.

      Die Lampe erlosch und Sara saß nun in dem dunklen Zimmer, allein mit ihren