Im Zentrum der Wut. Irene Dorfner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Серия: Leo Schwartz
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742731159
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das habe ich dir doch vorhin klar und deutlich gesagt.“ Hans sprach viel zu laut. Einige der Mitreisenden wurden erneut hellhörig.

      „Wenn du mich nicht dabeihaben willst, mache ich das alleine. Ich stehe nicht tatenlos herum, während Leo in Lebensgefahr schwebt.“

      Hans ließ das unkommentiert. Sobald das Flugzeug landete, musste er Christine irgendwie loswerden. Wie er das anstellen wollte, wusste er noch nicht. Momentan waren ihm die Hände gebunden. Wenn Christine auf sich allein gestellt war, würde sie sicher wieder so schnell wie möglich nach Hause fliegen und das wäre auch das Beste für sie. Um Christine machte er sich keine Sorgen mehr, das Thema würde erledigt sein, sobald er sie abgeschüttelt hatte. Er hatte noch über eine halbe Stunde. Also lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Es wäre schön, wenn er etwas schlafen könnte, aber das war ihm nicht vergönnt. Die schlimmsten Szenen liefen vor ihm ab. Noch hatte er keine Ahnung, was wirklich in Heathrow passiert war und wie es Leo ging.

      Ob er noch lebte? Ganz sicher, denn eine andere Möglichkeit zog er nicht in Betracht!

      7.

      Carter sah auf die Uhr. Die von seinem Bruder vorgegebenen fünf Minuten waren schon lange vorbei. Er durfte nicht mehr hier sein, genau so wie Peter, der immer wieder einen Schuss auf eine offenbar verschlossene Tür abgab. Was machte der Trottel denn da?

      Die Tür wies bereits mehrere Löcher auf.

      „Was soll das?“, schrie Carter wütend und drückte Peters Waffe nach unten. „Wir müssten längst weg sein! Das hat ein Nachspiel, darauf kannst du dich verlassen!“

      Erst jetzt sah Peter auf die Uhr. Er hatte sich durch die verschlossene Tür, hinter der er wichtige Personen vermutete, ablenken lassen. Er hatte bereits mehrere Überfälle und einige Entführungen durchgeführt, die fast alle perfekt gelaufen waren. Hinter dieser Tür musste jemand sein, bei dem es ein fettes Lösegeld gab, das konnte er förmlich riechen.

      „Ich brauche nicht mehr lange, dann ist die Tür auf!“

      „Lass das! Was soll der Scheiß?“

      „Diese Tür ist keine normale Tür, sonst wäre sie längst offen. Ich vermute, dass sich dahinter ein fetter Fisch verschanzt hat. Was glaubst du, wie viel Lösegeld wir kassieren könnten – denk doch mal nach!“

      „Wir sind nicht wegen einer Entführung hier, hast du verstanden? Wir haben für unseren Job ganz klare Anweisungen bekommen – und das hier gehört nicht dazu. Wenn John davon Wind bekommt, wirst du deinen Alleingang bereuen, das kannst du mir glauben. Los jetzt!“

      Carter rannte los und Peter folgte ihm. Niemand stellte sich den beiden in den Weg, weshalb sie auf dem schnellsten Weg das Flughafengebäude verlassen konnten. Erst jetzt bemerkte Carter, dass Peter keine Maske trug.

      „Was ist mit deiner Maske?“

      „Kümmere dich um deinen eigenen Mist. Steig ein!“

      Endlich saßen sie im Wagen. Carter sah auf die Uhr und erschrak.

      „Wir sind fast eine Stunde zu spät! Dafür könnte ich dich umbringen, du verdammtes Arschloch! Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Carter startete den Wagen und fuhr so ruhig wie möglich los.

      „Jetzt bleib mal locker, Carter, es ist doch nichts passiert!“

      „Nichts passiert? Wir sind nicht im Zeitplan und werden sehr wahrscheinlich mitten in einer Straßensperre landen. Außerdem hast du deine Maske entgegen der Anweisung abgezogen. Dein Gesicht ist jetzt auf vielen Überwachungskameras deutlich zu sehen. Was bist du nur für ein Loser?“

      „Jetzt mach mal halblang! Wie redest du eigentlich mit mir?“

      „Johns Anweisungen waren…“

      „Das ist mir scheißegal! Du spielst dich hier auf und im Grunde genommen bin ich derjenige, der sauer sein könnte. Du hast mir vorhin die Tour vermasselt, ich war so knapp am Ziel.“

      „Gar nichts warst du! Du hast auf eine verschlossene Tür geballert, hinter der vermutlich niemand war. Du bist ein Loser, John, und wirst auch immer einer sein. Ich hätte dich nicht mit an Bord nehmen sollen. Ich hätte wissen müssen, dass du für den Job nicht geeignet bist.“

      Carter war stinksauer. Er hatte genug und wollte nur noch weg.

      „Weißt du was? John und du, ihr beide könnt mich mal!“

      Carter hatte das Ende des Parkplatzes erreicht. John hatte angewiesen, die Waffen mitsamt den Masken hier zu entsorgen. Dieser kleine Bereich wurde nicht von den Kameras erfasst. Carter stieg aus und machte das, was sein Bruder von ihm verlangte. Peter dachte überhaupt nicht daran, ihm das gleichzutun. Er ging einfach mitsamt seiner Waffe davon, die Maske warf er einfach weit von sich.

      „Was hast du vor? Bleib gefälligst hier!“

      Statt einer Antwort zeigte ihm Peter den Mittelfinger, dabei drehte er sich nicht einmal um. Er ging einfach weiter.

      „Bleib stehen, sofort!“ Carter war außer sich. Peter vermasselte alles. Wie sollte er John erklären, was hier gerade passierte? Carter war nervös und wusste nicht, was er machen sollte. Was würde John an seiner Stelle tun? Carter griff nach seinem Gewehr und legte an. Dann drückte er ab. Peter fiel um wie ein Stein. Carter warf die Waffe mitsamt der Maske weg. Er nahm die Folien aus dem Kofferraum und klebte die Firmenschilder aufs Auto. Dabei zitterte er und musste sich darauf konzentrieren, dass die Aufkleber einigermaßen gerade angebracht wurden. Dann zog er den Arbeitskittel über, nahm die Werkzeugtasche aus dem Kofferraum und stellte sie auf dem Rücksitz ab. Alles so, wie John es angewiesen hatte. Dann stieg er ein, zog die Handschuhe aus, legte sie auf den Beifahrersitz und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

      „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“, schrie er laut. Warum war Peter einfach weggelaufen? Wäre er zurückgekommen und einfach wie geplant in den Wagen gestiegen, hätte er ihn nicht erschießen müssen. Peter war selbst schuld daran! Wieder sah er auf die Uhr, er war viel zu spät dran. Wie sollte er John das erklären?

      Er kurbelte das Fenster der alten Karre runter und warf die Handschuhe während der Fahrt einfach raus. Alles wäre ein guter Plan gewesen, wenn Peter nicht so ein verdammtes Arschloch gewesen wäre.

      Leo Schwartz und Kevin Sparks hatten sich in die einzig sichere Ecke gekauert. Bei jedem Schuss zuckten sie zusammen.

      „Die Tür hält einiges aus. Die wurden nach 2005 alle erneuert“, erklärte Sparks, was Leo keineswegs beruhigte.

      „Aber auch die Tür gibt irgendwann nach“, sagte er so leise wie möglich. „Die ersten Geschosse gehen bereits durch.“

      Beide hatten bereits mit ihrem Leben abgeschlossen. Weder Leo, noch Sparks, glaubten daran, hier lebend rauszukommen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Tür nachgab.

      Dann war es plötzlich still. Leo war nicht sicher, ob er richtig verstanden hatte, was vor der Tür gesprochen wurde.

      „Es hat sich so angehört, als hätte der Schütze einen Rüffel kassiert. Mit viel Glück haben wir es geschafft.“

      Sparks hatte nicht darauf geachtet. Er hatte sich dazu gezwungen, sich nicht auf die Schüsse zu konzentrieren, sondern an all die lieben Menschen zu denken, die er nun nicht mehr sehen durfte. Langsam verstand er Leos Worte. Konnte das sein? War es so, dass er weiterleben durfte? Erst jetzt bemerkte er, dass er sich an so sehr an Leos T-Shirt festgeklammert hatte, dass er einen Krampf hatte. Dafür schämte er sich jetzt, was Leo bemerkte.

      „Denken Sie sich nichts. Ich habe nicht nur mit meinem Leben abgeschlossen, sondern mir vor Angst fast in die Hosen gemacht.“

      Jetzt lachten beide, was sehr befreiend war.

      „Was nun?“, fragte Sparks.

      „Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne hier bleiben. Für irgendeine Aktion fehlt mir momentan der Mut. Ich möchte einfach nur hier sitzen und mich darüber freuen, dass