Viele dieser Bilder hier im Louvre, hat mein Sohn Wally gemalt. Wer weiß, wie viele Pseudoleben er während meiner über sechshundertjährigen Abwesenheit gelebt hat. Aber sicherlich hat Wally, der ebenfalls ein Vampir ist, alle Leben als Maler gelebt. Und das konnte ich im Louvre eindeutig sehen. Und ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll und vor Stolz platzen, oder eher Beschämung verspüren, denn nicht alle Malstile und Motive seiner Bilder gefielen mir. Welche verrate ich nicht, ich will niemanden desillusionieren. Bei jedem Bild, das er gemalt hat, ist ein kleines Stück seiner Selbst mit eingeflossen. Und deshalb diese Auren, die mir schon fast Übelkeit bereiteten.
Jemand tippte mir auf die Schulter. Wer wohl? Barbiel.
»Du guckst leicht angewidert, was ist?«
»Du Pappnase! Was war das vorhin für ein entsetzliches Französisch? Wenn du damit Probleme haben solltest, setz dir diesen verdammten Übersetzungskobold ins Ohr« knirschte ich hervor.
»Ähm, ich bin ein wenig aus der Übung, das wird schon wieder. Den Übersetzungskobold habe ich im Hotelzimmer gelassen. Ich mag es nicht so gern, wenn mir ein kleiner Kerl ins Hirn guckt«, konterte Barbiel.
»Kann ich verstehen, bei dieser Leere würde ich auch depressiv werden!«
Nachdem ich mich umgeblickt hatte, gab ich meine erste Prognose ab. »Der ganze Laden hier macht mich krank! Er ist riesengroß und der reinste Albtraum. Wenn wir alle Räume im Auge behalten wollen, bräuchten wir noch mindestens zwanzig Leute.«
Mein Partner nickte. »Ja, aber vergiss nicht, wir haben Brutus. Und ihm entgeht so schnell kein Dämon.«
Sollten wir die ganze Dämonenjagd von einem Chihuahua leiten lassen? Brutus war auch nicht mehr der Jüngste und auch er konnte mal einen schlechten Tag haben. Deprimiert zog ich die Schultern hoch.
»Toller Urlaub! Frag mich nicht, aber ich denke, die Sache könnte komplizierter werden als es den Eindruck macht. Außerdem deprimiert mich der ganze Schuppen. Er führt mir vor Augen, was ich in der Zwischenzeit alles verpasst habe.«
Doch der Engel schien ungebrochen optimistisch zu sein.
»Kopf hoch, wir haben genug Zeit, um uns alles anzusehen, was du versäumt hast.«
Da Brutus immer noch ruhig war, schien der Belphegor vorerst nicht in Sicht zu sein. Also machten wir uns auf, diese elendigen Polizisten davon zu jagen. Wieder klingelte mein Handy, nachdem ich erkannte, um wen es sich handelte, blockte ich das Gespräch nochmals ab.
Irgendwann wird er es aufgeben, dieses undankbare Kind ... Gungnir.
*
Alles klar, Herr Kommissar?
(Falco)
Für Commissaire Etienne Bruno begann der Tag nicht so angenehm. Neben ihm lagen keine Schönheiten, nicht mal eine davon - die andere Seite seines Bettes war seit mehr als einem Jahr verwaist. Seit Josephine nicht mehr da war, bestand sein Leben nur noch aus der Pflicht und die ließ keine Zeit für Vergnügungen. Natürlich gab es da noch Pierre, seinen zehnjährigen Sohn. Doch auch er war nicht gerade das, was sich ein Vater wünschen konnte. Jedenfalls in letzter Zeit. Der Junge hat es auch nicht leicht, so ganz ohne Mutter aufzuwachsen!, dachte Bruno und schleppte sich aus dem Bett. Das Bild von Josephine zeigte ihr auf Ewigkeiten eingefrorenes Lächeln. Während die Kaffeemaschine müde hustend den Kaffee in die Kanne spie, wollte Bruno seinen Sohn wecken. Wenigstens einer der schlafen konnte. Ihm selbst war das Schlafen nicht gegönnt, ohne dass ihn mindestens einmal in der Nacht dieser Albtraum mit den schrecklichen Bildern überfiel. Und jedes Mal war er so wehrlos und musste mit ansehen, wie dieser Vampir seine Josephine angriff. Nie zuvor glaubte er an so etwas wie Vampire, bis er einen sah. Nachdenklich versuchte er die Traumgebilde der letzten Nacht zu verscheuchen. Doch es half nicht, diese Bilder würden bis ans Ende der Zeit in seiner Hirnmatrix eingebrannt bleiben.
Er klopfte an die Tür. Neuerdings wollte es sein Sohn so und er als Vater, respektierte diesen Wunsch.
»Pierre? Aufwachen! Madame Rozier kommt gleich, bis dahin solltest du dich gewaschen haben«, ermahnte der Vater sanft seinen Sohn. »Ich weiß, dass die Rozier ist eine alte Hexe ist, aber mein Freund, sie ist die einzige die sich überhaupt bereit erklärt, auf dich ein Auge zu werfen. Alle anderen hast du schon vergrault. Man bekommt eben das, was man verdient. Auf, auf! Die Sonne lacht!«, meinte Bruno und dachte daran, dass es nur für die Sonne etwas zu lachen gab. Nochmals wollte Monsieur Bruno an die Tür klopfen, ließ es jedoch bleiben. Seinem Sohn die Zeit zu lassen die er brauchte, hielt er für richtig.
Da Pierre sein eigenes Badezimmer besaß, schlurfte Etienne in das seinige, warf einen Blick in den Spiegel und erschrak wie jedes Mal. Diese Bestie hatte ihm ein bleibendes Andenken verpasst. Zwar nicht körperlich schmerzhaft, doch erinnerten die drei Narben ihn jeden Tag daran, dass er, obwohl Polizist, als Beschützer ein Versager war. Auch das graue Haar war für ihn immer noch ungewohnt. Dafür fühlte er sich eindeutig zu jung. Nach dem Duschen und Rasieren begab er sich in die Küche und versuchte seinen Kaffee zu genießen. Jedenfalls gab er sich Mühe, doch die Plörre schmeckte schrecklich. So wie jeder Kaffee, der nicht von Josephine aufgebrüht worden war. Deprimiert versuchte sich Bruno auf die Zeitung zu konzentrieren, doch die Zeit reichte nicht, um auch nur einen Fetzen zu lesen. Dabei hätte er sich Zeit nehmen sollen, der Leitartikel handelte von ihm und der Pariser Polizei. Auch ein Foto von ihm war abgebildet, eher weniger schmeichelhaft zeigte es ihn bei der unschönen Tätigkeit, wie er aufgebracht einen seiner Schuhe auf den Pressefotografen abfeuerte. Im Bildhintergrund hielt ihn ein großer, dunkelhaariger Bursche an der Jacke fest. Letztendlich war es Bruno wieder einmal gelungen die Presse dermaßen zu erzürnen, dass sie die Frage stellte, in wieweit die Polizei noch fähig sei den Bürger zu schützen. Und was sie bei einer Invasion Außerirdischer tun wolle. Etwa mit Schuhen werfen?
Die Türklingel gab einen enervierenden Ton von sich. Der Commissaire seufzte und zündete sich eine Zigarette an, die er sofort ausdrückte, weil er seinem Sohn ein Versprechen gegeben hatte. Obwohl Madame Rozier einen Türschlüssel besaß, versäumte sie es nie ihre Anwesenheit durch einen langgezogenen Klingelton anzukündigen. Sie war eine ältere Dame und schätzte noch so etwas wie Diskretion.
»Bonjour, Monsieur Bruno! Haben Sie etwa wieder geraucht?«, krähte Madame Rozier, die lautstark ihren Schlüssel in die dafür vorgesehene Schale warf.
»Bonjour, Madame Rozier. Wer raucht denn hier?«, fragte Bruno und versuchte zu lächeln. Für ihn fühlte es sich falsch an und erreichte