Missgriffe. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737561563
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unten! Und am Samstag oder Sonntag war die Chance wahrscheinlich schon wieder vertan.

      Mist, verdammter.

      Ich sollte diesen schwachsinnigen Plan fallen lassen. Über so einen Kerl wusste ich doch auch gar nichts, vielleicht hatten sie in seiner Familie alle irgendeine Krankheit, Thalassämie oder so, die gab´s doch am Mittelmeer oft, oder? Und ich musste dann beim Kinderarzt zugeben, dass ich keine Ahnung von den Erbanlagen meines eigenen Kindes hatte, weil ich nur wusste, dass der Vater Luigi oder Tonio geheißen hatte. Viel zu peinlich.

      Ich könnte mir natürlich auch hier jemanden schnappen... aber den traf ich dann bloß im falschen Moment wieder. Samenspende?

      Ich hatte keine Ahnung, ob das so einfach war. In den USA vielleicht, dort konnte man wahrscheinlich einfach in eine Samenbank marschieren, eine Portion groß-blond-blauäugig-Akademiker-Footballcaptain kaufen und sich injizieren lassen und bingo. Aber hier? Tausende von Formularen. Was, Sie sind nicht verheiratet? Und berufstätig auch noch? Ja, können Sie sich denn dann angemessen um das Kind kümmern? Klappt es auf natürlichem Wege denn nicht? Haben Sie eine Bescheinigung ihres Hausarztes? Ihres Gynäkologen? Ihres Psychologen? Ihrer Hausbank? Wie gesichert sind Ihre Verhältnisse? Können wir Ihr Abiturzeugnis sehen? Ihr Diplom? Hm - Wirtschaftswissenschaften... Können Sie überhaupt kochen? Windeln wechseln? Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Ach, nein? Hm...

      „Mann, hat die Titten!“ Christian quiekte entzückt auf.

      „Männer sind ja so billig zu amüsieren“, sagte ich zu Sabine, die mir nur einen gequälten Blick schenkte. „Ich wette, mit einem alten Playboy könnte man ihn ein ganzes Wochenende ruhig stellen.“

      „Ich finde das grässlich.“

      „Was, meine Männerkommentare? Oder Christians Jubel?“

      „Beides. Habt ihr keine Achtung voreinander?“

      „Doch. Wir wissen doch beide, dass das nur Geblödel ist. Und er jubelt doch sicher auch ein bisschen, weil er weiß, was er seinem Image schuldig ist. Soll ich dir auch einen schönen Bildschirmschoner suchen? Vielleicht mit einem netten Familienfoto? Oder kleinen Kätzchen?“

      „Fiese Ratte.“ Nun musste sie doch lachen.

      Sabine war ein braves Mädchen, das konnte man nicht bestreiten. Ende zwanzig, richtig verlobt, der Stolz ihrer Eltern und auf eine zurückhaltende Weise sehr hübsch, goldblond, grünäugig, schlank und korrekt gekleidet. Gerüchten zufolge hatte man sie sogar schon mal in einer Kirche gesehen. Ich hatte schon öfter Seminare mir ihr zusammen geleitet und wusste, dass sie nicht so ein Hase war, wie sie manchmal vorgab, sie wurde mit einem Raum voller Aktenkofferträger (und ein oder zwei waren immer dabei, die glaubten, die Kursleiterin blöde anquatschen zu müssen) im Handumdrehen fertig. Nicht auf die harte Tour wie ich, sondern mit einem eisig-damenhaften Ton, den ich für mein Leben gern auch draufgehabt hätte, aber mir gelang er nicht, egal, wie oft ich übte.

      Ich grinste vor mich hin, suchte und fand den perfekten Bildschirmschoner – kleine Brautpaare fuhren in Hochzeitskutschen durchs Bild und warfen Brautsträuße – und schickte ihn ihr als E-Mail-Anhang. Als es bei ihr piepte, stutzte sie, klickte sich durch und lachte dann. „Na gut. Und jetzt?“

      „Rechte Maustaste, Bildschirmschoner.“

      Sabine installierte sich die Hochzeitspaare und betrachtete sie sich in der Vorschau. Christian hatte seine Aufmerksamkeit schon wieder seiner Arbeit zugewandt; so sexbesessen war er eben doch nicht, wie er immer tat.

      Ich versank wieder in meinen Familiengründungsplänen, die mir aber zunehmend bescheuerter vorkamen. Ohne Gesundheitsgefährdung kam ich nicht an die notwendige Portion Sperma, und ob ich in der Nachsaison so die riesige Auswahl unter dem Zuchtmaterial haben würde... mit irgendeinem leicht beschränkten, pickligen Kellner wollte ich mich ja auch nicht begnügen.

      Nein, was mir vorschwebte, war in etwa Folgendes: Student (höheres Semester, sonst konnte ich ja seine Mutter sein!), hoher IQ, gutes Aussehen, nette Umgangsformen, jemand, der sich noch nie auf eine flüchtige Affäre eingelassen hat, aber mir nicht widerstehen kann – und jemand, der unmittelbar danach abreisen muss und vergisst, sich meinen Namen zu notieren oder den Portier des Appartementhauses auszuquetschen.

      So was fand ich nie, schon gar nicht in einer knappen Woche! Heute war doch schon der siebte Tag, und der vierzehnte wäre perfekt. Es hatte keinen Sinn, so etwas zu planen. Wenn ich mit einem Mach mir ein Kind-Blick in Jesolo auftauchte, würde ich nur Idioten treffen.

      Vielleicht lernte ich ja doch mal wieder einen brauchbaren Mann kennen. Nicht nur so einen wie Wolfi mit seiner panischen Angst davor, jemand könnte seine Bequemlichkeit beeinträchtigen, nicht so einen Hohlkopf wie Christian (nicht, dass ich mit dem je etwas gehabt hätte, der sollte ruhig weiter seine Annette nerven) und auch nicht so einen wie meine diversen anderen Verflossenen. Entweder hatten sie sich davongemacht (Bindungsunfähigkeit!) oder ich hatte ihre schlechten Eigenschaften entdeckt und hatte meinerseits Schluss gemacht. Nick hatte eindeutig zu viel getrunken, Andi fand, dass sich ein Studium für eine Frau doch gar nicht lohnte und ich besser Geld verdienen gehen sollte, damit er studieren und später für uns beide und die fünf Kinder, die ihm vorschwebten, sorgen konnte. Er hatte es sehr egoistisch gefunden, dass mir dieser Plan nicht zugesagt hatte. Bernhard war immer frommer geworden und wollte unser Leben strikt nach den Lehren der Bibel ausrichten. Das reichte dann bis zu Wer sein Weib liebt, der züchtigt es, was wahrscheinlich so gar nicht drinstand. Ich hatte mich daraufhin an Auge um Auge, Zahn um Zahn erinnert und seinem Zahnarzt damit einen hübschen Verdienst beschert.

      Peter mit den genialen Methoden, ohne Arbeit an das ganz große Geld zu kommen, hatte ich verlassen, als er gerade eine Schneeballaktion aufzuziehen begann, die ihn ein Jahr später in den Knast brachte. Glück gehabt! Und ein paar andere waren einfach unordentlich, ohne besondere Interessen, schlecht im Bett oder ganz allgemein entnervend im täglichen Umgang gewesen.

      Männer waren eben doch blöd, jedenfalls die meisten. Ganz hatte ich die Idee noch nicht aufgegeben, dass irgendwo da draußen zwar nicht die Wahrheit, aber doch der eine Mann sein musste, der der Richtige war. Der, bei dem mir die Macken egal wären (genauso wie ihm meine Spleens), mit dem es im Bett zuginge wie in einem Kitschroman, der meine Karriere unterstützte und seine eigene nicht überbewertete, mit dem man sich endlos unterhalten konnte – schön musste er gar nicht sein, solange er nicht irgendwie eklig war.

      Andere fanden doch auch etwas Passendes, wieso denn ich nicht? War ich zu wählerisch? Oder hatten die anderen gar nicht das Passende? Die hohen Scheidungsraten sprachen eher für diese Theorie. Ich sollte mich mal umhören, warum bestimmte Leute noch mit ihren Partnern zusammen waren – aus Liebe? Wegen der Kinder? Wegen der hohen Hypotheken auf das Haus? Aus Resignation? Weil nichts Besseres vorbeikam? Weil eine Scheidung mit dem Eingeständnis des Versagens gleichgesetzt wurde? Weil man nicht aufgibt, was man einmal angefangen hat?

      „Ich geh was essen“, verkündete Christian und stand ruckartig auf.

      „Guten Appetit“, wünschte ich geistesabwesend. „Sabine, willst du auch gehen?“ Sabine schüttelte den Kopf und zog zwei Tupperdosen aus der Tasche. „Ich muss meinen Diätplan einhalten. Nächste Woche ist doch die Party bei Markus´ Eltern, und dieses Kleid ist immer noch knalleng. Drei Pfund in der Taille weg und es sitzt perfekt.“ Sie seufzte und entfernte die Deckel, dann beäugte sie den Inhalt ohne große Begeisterung. Ich riskierte einen Blick.

      „Fettfreier Quark mit Kleie?“, riet ich voller Mitgefühl.

      Sie nickte. „Schmeckt wie es aussieht, nach überhaupt nichts. Aber es macht verblüffend satt, man muss nur genug dazu trinken, sonst kriegt man einen Darmverschluss.“

      „Und was ist in dem anderen drin?“

      Sie verzog das Gesicht. „Ungesüßtes Apfelkompott.“

      „Klasse. Aber es könnte noch schlimmer sein.“

      „Wie denn? Ich hasse Äpfel, aber so steht´s nun mal im Diätbuch.“

      „Es könnte Rhabarber sein. Den bekämst