Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Nordländer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738037159
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Nach den Tropfgeräuschen mussten es unzählige sein.

      Kurz darauf bestätigte sich seine Vermutung. Vor ihm traten die ersten Säulen fahl und unbeweglich aus der Finsternis, versteinerten Berggeistern gleich. Dahinter wurden es immer mehr. Trywfyn kehrte wieder um und ging zur Höhlenwand zurück. Mit seinem kleinen Licht konnte er sich leicht zwischen den Tropfsteinsäulen verlaufen. Wenn er sich recht an Drans Erzählungen erinnerte, dann gab es keine Seitenabzweigungen, weder aus den Höhlen heraus, von denen noch zwei weitere folgen sollten, noch aus dem Gang. Wenn er also wieder zu einem Ausgang kam, dann konnte es nur die Fortsetzung des Ganges sein. Also war es besser, sich an der Höhlenwand entlang zu bewegen.

      Sie glitzerte vor Feuchtigkeit im Schein des Lichtes. Ein wunderschön gewachsener Bergkristall kam in Sicht. Das erfreute Trywfyns Herz und gleichzeitig bedauerte er, dass ihn nach ihm kaum jemals ein Ogmari wieder zu Gesicht bekommen würde. Keinen Augenblick dachte er daran, dieses Schmuckstück aus der Wand zu brechen. Edelsteine ab einer bestimmten Tiefe gehörten Elveran und wurden von den Ogmari nicht mehr dem Erdreich beraubt.

      Schließlich kam er bei dem Ausgang an. Er blickte sich noch einmal um und verschwand dann in dem Tunnel.

      Die nächste Höhle erreichte er früher als er erwartete und sie musste kleiner sein, denn die Echos waren weniger beeindruckend und kamen schneller zurück. Trotzdem war sie zu groß, als dass er sie ausleuchten konnte. Die Luft war trockener und er konnte keine Tropfsteine entdecken. Auch an den Wänden fühlte er weniger Feuchtigkeit.

      Von der Tropfsteinhöhle bis dorthin hatte er einpaar hundert Meter Tiefe gewonnen und allmählich konnte er eine Veränderung feststellen. Es wurde wärmer. Je länger er durch den Tunnel gegangen war, desto mehr hatte ihn das Gefühl dafür verlassen, wie tief er sich schon in das Erdreich vorgewagt hatte. Trywfyn wusste zwar, dass es so war, aber darüber hatte er sich keine Gedanken gemacht. Nicht zuletzt deswegen, weil der Gang ständig auf- und abführte. Aber die Wärme war ein Anzeichen dafür, dass er bereits ziemlich tief gekommen war. Trywfyns Kleidung war immer noch nicht ganz getrocknet, aber es fühlte sich nicht mehr so unangenehm an.

      Den Ausgang hatte er bald erreicht, aber hier stellte sich ihm ein neues Hindernis in den Weg. Nach wenigen Schritten war der Gang verschüttet. Vermutlich hatte sich irgendwann in einem Erdbeben ein Teil der Decke gelöst und war herabgestürzt. Der Gang fiel die ersten Meter ziemlich steil ab und verschwand dann unter den Felstrümmern. Trywfyn war deshalb aber nicht beunruhigt. Er tauchte einfach wieder ins Gebirge ein - und war gleich darauf wieder da, triefend nass und nach Luft japsend.

      Dass hinter dem Hindernis wieder ein wassergefüllter Hohlraum war, konnte er nicht wissen. Der Schutt auf dieser Seite war trocken. Er musste so dicht sein, dass ihn das Wasser nicht durchdringen konnte. So war er in einem gefluteten Teil des Ganges herausgekommen, ohne seine Lunge ausreichend mit Luft gefüllt zu haben.

      Vor Schreck hatte er ohne zu überlegen den Rückzug angetreten. Tief holte Trywfyn Luft und ärgerte sich darüber, dass seine Kleidung schon wieder durchnässt war. Immerhin war das Wasser nicht mehr ganz so schaurig kalt gewesen wie weiter oben. Er räusperte sich und machte den nächsten Versuch. Die Lungen gut mit Luft gefüllt, drang er wieder in den Felsen vor. Dieses Mal war er vorbereitet auf das, was ihn erwartete - glaubte er.

      Aus einiger Entfernung starrten zwei blasse Augen auf die Stelle, wo der Ogmari verschwunden war. Das Wesen hatte ihn die ganze Zeit beobachtet. Jetzt setzte es sich auch in Bewegung und schneller als vorher.

      Trywfyn ahnte nichts von der Gefahr. Voller Zuversicht tauchte er in das Wasser, den Leuchtkristall vor sich ausgestreckt. Er konnte lange die Luft anhalten und bei seinem letzten Tauchgang war sie ihm nicht knapp geworden. Was also sollte ihm jetzt passieren? Immerhin hatte er noch die Möglichkeit, in den umliegenden Felsen auszuweichen, wenn er in Not geriet. Doch es dauerte nicht mehr lange, da musste Trywfyn auf erschreckende Weise feststellen, dass er sich verrechnet hatte.

      Bei seinem ersten Vorstoß war er sofort zurückgewichen. Mitten im Wasser aufzutauchen war ein äußerst seltener Unfall, deshalb hatte es ihn so überrascht. Dabei hatte er das Rauschen und Gurgeln überhört, das ihn umgab. Jetzt stürzte es förmlich auf ihn ein. Und als er merkte, wie er vorwärtstrieb und immer schneller wurde, konnte er nicht mehr umkehren. Doch es kam noch schlimmer. Er befand sich überhaupt nicht in der Fortsetzung des Ganges, sondern wieder in einer Höhle, die sich der vorherigen unmittelbar anschloss, nur durch eine Felswand getrennt. Eine unwiderstehliche Gewalt drückte ihn nach unten, ohne dass er den Boden erreichte. Verzweifelt hielt er seinen Kristall in der Hand, aber wo er auch hinschaute, der Schatten einer Felswand, in die hinein er sich hätte flüchten können, blieb außer Reichweite.

      Dann fing er an zu trudeln, denn um ihn herum gab es verschiedenen Strömungen. Er überschlug sich, Blasen umgaben ihn und das anfängliche Rauschen wurde zu einem beängstigenden Tosen. Kein Wunder also, dass er nach wenigen Augenblicken die Orientierung verlor. Jetzt bekam er Angst. Das erste Mal in seinem Leben spürte er Todesangst und nirgends war Rettung in Sicht. In seiner Verzweiflung verfluchte er seinen Entschluss, zu Drans Hallen aufzubrechen. Danach konnte er kaum noch einen klaren Gedanken fassen.

      Seine Luft ging ihm allmählich aus, und gnadenlos rollte und taumelte er immer weiter, ohne ein Ende des Wassers erreichen zu können. Oben und unten, rechts und links gab es nicht mehr. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, schloss er mit seinem Leben ab. Auch so etwas hatte es für ihn noch nie gegeben und wäre er noch im Stande gewesen, zu überlegen, hätte er sich dafür geschämt. Dann schwanden ihm die Sinne.

      Kräftige Arme packten ihn, beendeten seine Bewegungen und brachten ihn aus der Gefahr. Nicht mehr weit entfernt lag das Ufer des unterirdischen Sees. Dort legte ihn sein Retter ab. Weit unter ihnen auf dem Grund schimmerte im letzten matten Rot der Leuchtkristall und würde bald erlöschen. Trywfyn hatte ihn in seinem Todeskampf verloren. Das Wesen ließ sich in die Tiefe gleiten und brachte auch ihn wieder an die Oberfläche. Dann verstaute es den Edelstein in der Tasche des Ogmari bei den anderen beiden Kristallen. Ohne sie sich anzusehen, verschloss es die Tasche wieder.

      „Er kommt wieder zu sich“, hörte Trywfyn durch ein lautes Rauschen in seinen Ohren. Wie konnte er im Wasser so klar hören? Und warum konnte er unter Wasser überhaupt atmen? Zwei tiefe Atemzüge bewiesen ihm, dass er Luft bekam.

      Noch fehlte ihm die Kraft, seine Augen zu öffnen, aber die Bewegungen seines Brustkorbes und die leichten Zuckungen seiner Arme und Beine zeigten, dass noch Leben in ihm steckte. Hinter seinen Augenlidern nahm Trywfyn eine schwache Helligkeit wahr. Das musste es sein. Er war in der Halle der Ahnen angekommen. Dann war er also doch ertrunken. Eine schreckliche Erkenntnis durchfuhr ihn wie ein Blitz. Niemand, der noch lebte, würde je herausfinden, was mit ihm geschehen war. Und jene, die wussten, wohin er gegangen war, hatten keine Möglichkeit, ihn zu suchen. Doch am schlimmsten, die beiden Kristallfragmente waren endgültig und für immer verloren. Nein! Das durfte nicht sein! Mit aller Kraft, die er wieder besaß, schlug er seine Augen auf.

      Das sollten die Hallen seiner Ahnen sein? Wo waren die Ahnen denn? Er konnte niemanden sehen oder hören. Stattdessen blickte er in ein gestaltloses Grün. Das Rauschen in seinen Ohren ließ nach und er spürte die vollkommene Stille um sich herum. Aber die Stimme? Oder war es seine eigene gewesen, die festgestellt hatte, dass er noch lebte? Unsinn. Außerdem hörte sie sich ganz anders an.

      Trywfyns Augen wanderten hin und her, aber es gelang ihnen nicht, mehr Klarheit in seine Umgebung zu bringen. Er war umgeben von einem grenzenlosen, gestaltlosen Hellgrün, ohne Formen und Muster. Er konnte nicht einmal feststellen, ob es durchsichtig war oder jeden Blick auf andere Dinge, die vielleicht noch da sein mochten, verhinderte. Aber er lag auf festem Grund. Seine Hände tasteten hin und her. Es fühlte sich an wie Stein, aber es gab keinen Staub oder feines Geröll. Irgendjemand musste dort sorgfältig ausgefegt haben. Welch ein absurder Gedanke, dachte er.

      Mühsam richtete sich Trywfyn auf und stützte sich auf seine Arme. Dabei schob er seine Tasche zur Seite. Sie war wenigstens noch da. Aber seinen Leuchtkristall hatte er verloren. Vielleicht brauche ich ihn ja auch nicht mehr, tröstete er sich über den Verlust hinweg.

      Schon beim ersten Versuch, sich umzuschauen, stutzte er. Nur wenige Schritte von ihm entfernt