Einen Moment konnte Hope gar nichts sagen, zu vieles prasselte plötzlich auf sie ein. Ihre Eltern tot, die Großmutter eine Hexe und schon sooo alt ... Das Ganze schien unglaublich. Doch da kamen ihr ihre Adoptiveltern in den Sinn: „Was ist mit meinen Eltern? Ich meine die jetzigen. Werde ich sie Wiedersehen, wenn ich diese Welt verlasse — und wenn, wann? Wie sehen meine richtigen Eltern eigentlich aus? Als ich diesen Mortoluc berührte, sah ich eine Frau, die mir sehr ähnlich gesehen hat. War dies meine Mutter?“ Der Professor bejahte es. Er schwang schnell seinen Zauberstab und ein Foto erschien, einfach so. Darauf waren zwei Personen zu sehen. Sie sahen sehr glücklich aus. Die Frau entsprach der in ihren Visionen, der Mann ... Hope riss das Foto aus Prof. Prof. Scribbles Fingern. Sie hielt es sich dicht vor die Augen, konnte nicht glauben, was sie sah. Aufgeregt tippte sie mit dem Zeigefinger darauf: „Dieser Mann da, der sieht aus wie ein Junge aus unserer Klasse, wirklich, genau so! Ist er mein Vater?“
Der Professor bestätigte es und fügte beschwichtigend hinzu: „Keine Angst, Miss Hopper. Mr. Marshall ist nur sehr entfernt mit Ihnen verwandt. Irgendwo in der Blutlinie treffen Sie aufeinander. Die Haar- und Augenfarbe werden in dieser Familie eben sehr dominant vererbt. Es ist allerdings so, dass alle, die in der Straße der Hoffnung wohnen, ebenfalls ursprünglich von diesem Dorf stammen. Die fliehenden Hexen und Zauberer damals siedelten sich dort wieder an. So haben auch Miss McMore und Mr. Parker — bei ihm beinahe nicht vorstellbar — noch ein klein wenig Hexenblut. Mr. Marshall ebenfalls. Denn schlussendlich landen alle, die mit diesem Dorf verbunden waren, wieder in der Straße der Hoffnung. Deshalb gab Ihre Mutter Ihnen auch diesen Namen. Sie sind die Hoffnung der Hexenwelt. Ihre Großmutter ist nämlich die mächtigste Hexe dort ...“
Prof. Prof Scribble hielt inne, legte den Kopf schräg und meinte horchend: „Wir werden wohl belauscht! Bitte kommen Sie aus dem Gebüsch, meine Dame und die Herren!“ Es raschelte und Zweige knickten unter Schritten; auf der Lichtung erschienen Betsy, Gideon und George, alle ebenfalls im Trainingsanzug.
Prof Prof. Scribble seufzte genervt. Mit diesen Komplikationen hatte er allerdings nicht gerechnet. Hoffentlich hatten sie noch nicht so lange gelauscht, dann könnte Schlimmeres verhindert werden, wenn doch ... na ja, dann mussten sie wohl oder übel ebenfalls mit.
Mit gesenktem Kopf standen die drei Übeltäter vor dem Professor, welcher fragte: „Nun, was haben Sie gehört?“ Die Antwort kam von Betsy, die Jungs hatten wohl ihre Stimmen verloren: „Alles!“ Mutig atmete sie tief durch und sah dem Professor direkt in die Augen. Insgeheim imponierte ihm das hübsche Mädchen. Sie hatte eindeutig Klasse und schien eine sehr gute Freundin zu sein. Er setzte eine strenge Miene auf: „Nun, mit Ihrer Eskapade haben Sie mich in eine etwas schwierige Situation gebracht. Ich hatte eigentlich den Auftrag, nur Ihre Freundin einzuweihen. Mit Ihrer Lauscherei sind es somit drei mehr. Irgendwelche Vorschläge, wie wir dieses Problem lösen können?“
Dieses Mal kam die Antwort von Gideon — und es war genau die, die er hören wollte. Prof. Prof. Scribble hätte nicht gedacht, dass es so einfach sein würde. „Wir werden natürlich ebenfalls mitkommen. Laut Ihnen sind wir ja auch noch ein kleines bisschen Zauberer und Hexe. Ihr kommt doch mit?“ Er wandte sich an Betsy und George. Bevor die beiden antworten konnten, mischte sich Hope ein: „Halt, halt, das geht alles viel zu schnell. Ich habe noch gar nicht entschieden, ob ich überhaupt eine Hexe sein will und vor allem — was erwartet mich in der Hexenwelt? Sehe ich meine Eltern wieder oder nicht?“
Dr. Alexis Dummeros beruhigte sie: „Sicher sehen Sie alle Ihre Eltern wieder. Sie können alle Ferien bei ihnen verbringen. Allerdings müssen Ihre Eltern zuerst zustimmen, dass Sie die Schule wechseln. Das Gelernte bei uns unterscheidet sich doch sehr von dem normalen Lehrstoff.“ Prof. Prof. Scribble übernahm das weitere Reden: „Dr. Dummeros hat völlig Recht. Sie werden sicher nicht von Ihren Familien getrennt, sie sind immer herzlich willkommen bei uns im Hexenreich. Es ist wirklich so, dass Sie nur mitkommen können, wenn Ihre Eltern einverstanden sind. Deshalb bin ich auch ein bisschen in Zeitnot, denn Ihr Wechsel in die Hexenwelt muss unbedingt heute Nacht erfolgen, da ich schwer den Verdacht habe, dass Mortoluc plant, Hope morgen in seine Gewalt zu kriegen. So muss ich Sie jetzt verlassen, um Ihre Eltern zu informieren und die Erlaubnis einzuholen. Ich bitte Sie hier zu warten, bis ich zurück bin. Ich beeile mich.“ Bevor Hope noch etwas einwenden konnte, verwandelte er sich in eine Eule und erhob sich in die Lüfte, schnell war er nur noch ein Punkt in der Ferne. Hope kochte vor Wut: „Was bildet sich dieser ... dieser Zauberer eigentlich ein?! Wer sagt denn, dass ich in dieses Hexenreich will?! Wenn ich es mir nämlich genau überlege, verzichte ich auf diese zweifelhafte Ehre.“ Den anderen den Rücken zudrehend setzte sie sich auf den umgestürzten Baumstamm. Den Kopf in die Hände gestützt blickte sie mit leeren Augen auf den Boden. Sie konnte nicht einmal weinen. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, ln den letzten Tagen war ihr ganzes bisheriges ruhiges Leben völlig aus den Fugen geraten. Die sanfte Stimme von Dr. Bethany Dummeros drang nur langsam zu ihr durch: „Ich verstehe Ihre Gefühle, Miss Hopper. Sie sind in einer Welt aufgewachsen, in der es keinen Platz gibt für Zauberei; hier läuft alles geregelt ab, die Technik steuert alles. Man glaubt nicht an Hexerei. Leute mit solchen Begabungen werden belächelt und als Spinner verurteilt. Bei uns ist das genau umgekehrt. Wir kennen viele Techniken nicht, weil wir sie nicht brauchen. Bei uns ist vieles unerklärlich, das ist für Sie alle eine große Umstellung, aber wie schon gesagt, Sie, Miss Hopper, sind nun mal die Enkelin der größten Hexe von Hagith, und irgendwann wird sie Ihre Hilfe benötigen, um viele Hexen und Zauberer zu retten. Außerdem möchte sie Sie endlich kennen lernen. Verspüren Sie diesen Wunsch nicht auch tief in Ihnen? Horchen Sie einmal in sich hinein. Niemand will Sie zu etwas überreden, das Sie nicht wollen, glauben Sie mir, es ist Ihre Entscheidung. Es ist nur einfach so, dass wir Sie hier in der Menschenwelt unmöglich vor diesem Mortoluc beschützen können. Wenn Sie hierbleiben und auf die Ausbildung zur Hexe verzichten, wird Sie Mortoluc irgendwann erwischen ... und töten. Wollen Sie wirklich, dass Ihre Eltern umsonst gestorben sind?“ Ruhig wartete sie auf eine Reaktion von Hope. Erst als ihre drei Freunde ebenfalls zu ihr traten und George meinte: „Du weißt, Hope, dass ich ein absoluter Computer-Typ bin. Wenn ich daran denke, was alles auf mich zukommen könnte, würde ich am liebsten einfach sagen, geht ohne mich; aber du und Betsy seid immer zu mir gestanden, wenn mich die anderen gehänselt haben. Ihr seid meine Freunde - und Freunde lässt man nicht im Stich. Also wenn ich so viel Mut aufbringe, wirst du doch sicher nicht kneifen. Wenn du es dir nämlich genau überlegst, bleibt dir gar nichts anderes übrig, wenn dir dein Leben etwas wert ist.“ — „Genau, Hope, du weißt, auch ich