Das Labyrinth der Medea. Gabriela Hofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriela Hofer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783746731599
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einem nassen Spaziergang durch den Wald gelangten sie schließlich an eine große Einfriedung. Der Eingang war geöffnet, ein Kassahäuschen stand dort und eine lange Menschenschlange wartete bereits davor. Dieses Dorf war die Hauptattraktion der Region. Trotz des schlechten Wetters zog es die Menschen wie magisch an. Die Schüler konnten mit ihrem Führer direkt eintreten. Sobald sie durch das riesige Portal getreten waren, verstummten die Stimmen schlagartig. Es war sehr seltsam, aber jeder spürte eine plötzliche Beklemmung, so als würden die armen Seelen dieses Dorfes das unermessliche Unrecht, das ihnen angetan worden war, herausschreien. Der Leiter unterbrach den Bann, indem er in die Mitte des Platzes trat. Ein dicker Pfahl war dort in den Boden gerammt worden. Darum herum lag ein großer Holzhaufen. Er erklärte den damaligen Verlauf, wenn eine Person als Hexe identifiziert worden war. Dies war dann das Ende. Sie wurde verbrannt oder manchmal auch ertränkt. Mrs. Phillips schaute ihn etwas erstaunt an, es schien beinahe so, als ob er Freude an diesen geschehenen schrecklichen Verbrechen hätte. Weiter ging es durch die einzelnen Häuser, die oft mit sehr viel Liebe eingerichtet worden waren. Die Leute waren sicher sehr glücklich hier gewesen, bevor dieses Unheil über sie hereingebrochen war. Zu jedem Häuschen wusste Mr. McMorris etwas zu erzählen: wer hier gewohnt hatte und was mit den Bewohnern geschehen war. So verging die Zeit sehr schnell. Hope war darüber sehr froh, denn in jedem Haus spürte sie ein Gefuhls- chaos, das sie sich nicht erklären konnte, Freude, Leid, Angst, Wut ... Es war sehr anstrengend. Den anderen wollte sie aber hiervon nichts sagen, sie konnte ja nicht erklären, was das sollte — und dann dieser Leiter! Er machte ihr irgendwie Angst. Immer wieder glitt sein Blick zu ihr hin. Seine Musterung empfand Hope schon bald als Beleidigung. Was hatte dieser Mann nur gegen sie? Seine Augen wirkten kalt und provozierend.

      Das letzte Haus der Führung stand etwas abseits, am Rande der Einfriedung. Es hatte als einziges einen kleinen Garten und die Fensterläden waren nicht grün gestrichen, sondern in einem knalligen Gelb. Kaum hatten die Schüler dieses Haus betreten, war ihnen sofort bewusst, dass hier wirklich eine Hexe gewohnt haben musste. An der rechten Wand standen hölzerne Regale, auf denen lauter Döschen standen mit irgendwelchen Heilkräutern. Der Führer trat dorthin: „Hier lebte die damalige Oberhexe! Sie widersetzte sich sehr lange dem Richter dieses Gebietes. Ihr Mann war ein menschliches Wesen. Diese Heilkräuter hier — so wurde es zumindest überliefert — waren als sehr wirksam bekannt. Diese Überlieferungen werden wir dann morgen im Museum sehen.“

      In diesem Haus waren die auf sie einstürzenden Gefühle so extrem, dass Hope die Tränen in die Augen schossen. Um Fragen ihrer Freunde zu umgehen, trat Hope schnell zwei Schritte zurück, berührte dabei mit der ausgestreckten Hand ein gefülltes Tintenfass und warf es zu Boden. Es zerbrach klirrend und die Tinte floss über den Holzboden. Erschrocken hielt sie die Hände vor den Mund: „O nein! Das wollte ich nicht! Mir war schwindlig, da habe ich mich festhalten wollen ... und dabei ist es geschehen.“ Betreten sah sie nun zu Boden. Mrs. Phillips meinte beschwichtigend: „Ist schon gut, Hope. Geh nach draußen an die frische Luft, wenn dir schwindlig ist; Betsy, begleite sie bitte.“ Und an Mr. McMorris gewandt: „Selbstverständlich wird die Schule für den Schaden aufkommen. Hoffentlich ist es ersetzbar.“

      Mr. McMorris nahm sein Handy hervor, tippte eine Nummer ein, gab den Befehl durch eine Putzfrau herzuschicken und beruhigte dann die Lehrerin: „Das ist nicht so schlimm. Es war ein Original, aber es handelt sich ja nur um ein Tintenfass. Schauen wir lieber nach, wie es Ihrer Schülerin geht.“ Das Handy wieder in einer seiner großen Taschen verstauend trat er schnell hinaus. Die Lehrerin und die Schüler folgten ihm. Betsy und Hope standen mitten im strömenden Regen und warteten schweigend. Hope hatte sich geweigert mit ihr zu sprechen und nun herrschte das erste Mal seit ihrer Freundschaft eisiges Schweigen. Mr. McMorris berührte Hopes Arm. Sie wurde kreidebleich, riss sich los und kippte einfach um. Gideon, der hinter ihr stand, konnte sie gerade noch auffangen. Durch die Wucht fielen beide in den Schlamm. Nun lag er auf dem Boden, auf sich die ohnmächtige Hope. Alle waren so erstaunt über Hopes Ohnmacht, dass sich im Moment keiner regte.

      Hope kam sehr schnell wieder zu sich und schlug die Augen auf. Entsetzt rappelte sie sich hoch, rutschte aber immer wieder aus, und als Gideon ihr helfen wollte, verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige: „Nimm deine Tatschen von mir, du ... du Gigolo! Was fällt dir eigentlich ein, mich ...“ Betsy fiel ihr ins Wort, sie hatte sich als Erste von ihrer Verblüffung erholt: „Halt, Hope! Was tust du denn da?! Gideon hat nichts getan. Im Gegenteil, er hat einen Sturz von dir verhindert, indem er dich aufgefangen hat, als du ohnmächtig wurdest!“

      Verblüfft schaute Hope zwischen Gideon und Betsy hin und her: „Was war ich? Ohnmächtig? Ich bin noch nie in Ohnmacht gefallen.“

      „Nun, eben bist du es“, war die lakonische Antwort von Gideon. Er rieb sich die schmerzende Wange. Man konnte schon den Handabdruck erkennen „Du hast einen kräftigen Schlag, Mädchen. Es wäre allerdings nett, wenn du aufstehen würdest. Es wird nämlich immer feuchter hier unten, obwohl ...“, ein freches Grinsen erschien auf seinem Gesicht, „... obwohl es recht angenehm ist dich auf einem sitzen zu haben.“

      Hope bekam einen roten Kopf. So schnell war sie wahrscheinlich noch nie im Leben auf die Beine gesprungen. Die anderen Schüler prusteten los. Mrs. Phillips unterbrach das allgemeine Gelächter: „Das ist nicht lustig! Ruhe! Gut so; nun, Hope, fühlst du dich wieder etwas besser? Was war denn los?“ Sie nahm Hope bei der Hand und trat mit ihr etwas zur Seite. Keines der Kinder konnte etwas verstehen. Nach kurzer Zeit kehrten beide zurück.

      „Mr. McMorris, ich nehme an, die Führung ist für heute sowieso zu Ende. Morgen steht ja nach dem Frühstück noch der zweite Teil an, die Besichtigung des Museums. Ich danke Ihnen schon einmal für alles. Es war sehr interessant, nicht wahr, Kinder?“ Alle bejahten und klatschten mehr oder weniger begeistert Beifall. Mr. McMorris verbeugte sich: „Herzlichen Dank. Ihr wart auch ein sehr aufmerksames Publikum. Für morgen ist noch Folgendes zu erwähnen: Damit alle von diesem sehr emotionalen Teil profitieren können, werden wir zwei Gruppen machen. Gleich nach dem Frühstück wird die erste Gruppe mit mir kommen. Die zweite kommt dann nach dem Mittagessen dran. Folgendermaßen wurde von mir die Aufteilung vorgenommen: nach dem Frühstück die Schüler mit den Nachnamen A—K, danach der Rest. Ich wünsche allen einen schönen Abend — und Ihnen, Miss Hopper, gute Besserung. Auf Wiedersehen morgen in alter Frische.“ Er winkte allen noch einmal zu und ging dann mit schnellen Schritten davon.

      Der Rückweg verlief beinahe schweigend, alle waren durchgefroren und müde. Betsy warf der immer noch blassen Hope besorgte Blicke zu, auch Gideon und George hielten sich an ihrer Seite, die stillen Bodyguards. Man merkte Betsy an, dass sie beinahe vor Neugierde platzte, doch erstaunlicherweise war sie einmal ruhig.

      Im Camp zurück waren alle froh die nassen Sachen gegen trockene eintauschen zu können. Gideon und George trafen sich bei den beiden Mädchen im Zelt. Sie wollten genauso wie Betsy wissen, was eigentlich mit Hope los gewesen war. Als sie nach dem Mittagessen gestartet waren, schien Hope noch völlig in Ordnung gewesen zu sein. Nun saßen alle auf dem Boden, gespannt auf ihre Erklärung wartend. „Also, nun erzähl uns doch, was da in dem Dorf mit dir passiert ist! Du warst wie ausgewechselt, Hope!“ Betsy nahm tröstend ihre Hand. Nachdem die große Anspannung nachgelassen hatte, zitterte Hope nun am ganzen Körper. Immer noch sah sie die schrecklichen Bilder vor sich, die über sie hereingebrochen waren, als dieser McMorris sie berührt hatte. Schon in diesem letzten Haus herrschte in ihrem Innern ein absolutes Gefühlschaos; was aber besonders irritierend war: Sie hatte das Gefühl gehabt, zu Hause zu sein! Sie schaute jedem ihrer Freunde ins Gesicht, bevor sie, den Blick wieder senkend, leise zu sprechen begann: „Ich weiß, dass alle ein beklemmendes Gefühl hatten in diesem Dorf, besonders in den Häusern. Die Geschichten dazu waren ja auch aufwühlend. Bei mir war es allerdings noch viel extremer. Ich konnte es richtig fühlen, den Schmerz, die Wut, die Trauer, aber auch die Glücksgefühle, die dort einmal geherrscht hatten. Besonders schlimm wurde es dann im letzten Haus; ich hatte so starke Empfindungen, dass mir entsetzlich schwindlig wurde, deshalb stieß ich auch das Tintenfass um. Was dort ganz besonders war: Ich hatte das Gefühl, endlich nach Hause zu kommen! Es war so beängstigend!“ Nun rannen ihr Tränen über die Wangen. Sie schluchzte und konnte nicht mehr aufhören. Die Freunde saßen wie versteinert neben ihr. Alle drei begannen dann miteinander zu sprechen: „Ich hatte diese Gefühle auch in einem der Häuser, nicht so stark wie du