Ein Hellas Bitte!. Andrew Mills. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrew Mills
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847615101
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aber zweifelte die Frau, die mich bediente, an der Sicherheit der ausländischen Bank. Dass es die größte Bank Großbritanniens war, interessierte sie nicht sonderlich, sie kannte sie nicht, damit war die Diskussion beendet. Ich bat sie, sich per Anruf und Fax meine Kreditfähigkeit zu bestätigen, aber sie beharrte darauf, dass sie mir nur Geld geben könne, wenn ich eine Bestätigung meines Aufenthaltes von etwas, das „Kreisverwaltungsreferat“ hieß, mitbrächte und eine EC-Karte, wenn ich zwei Monatsgehälter von meinem Arbeitgeber auf dem Konto hätte. In der Zwischenzeit müsse ich Geld irgendwo leihen und dann mit meinen Unterlagen persönlich vorbeikommen.

      Nach sinnlosen Protesten füllte ich sehr ernüchtert verschiedenste Formulare aus. Dann ging ich zurück ins Büro. Hier konstatierte mein Chef, dass ich diesen Ausflug zur Bank ohne Reisegenehmigung gemacht hätte. Wegen der Versicherung müsse ich meine dienstliche Reise während der Kernzeit genehmigen lassen, egal wo ich unterwegs sei. Während der Mittagszeit sei dies in Ordnung, wobei er zugeben musste, dass alle Banken während unserer Mittagszeit geschlossen waren und dass man deswegen eine EC-Karte brauchte. Catch 22.

      Kollege P. lieh mir Geld und erklärte, was „Kernzeit“ bedeute, und dass ich, wenn ich genug Überstunden hätte (die auch genehmigt werden müssen), eine sogenannte „Kernzeitentnahme“ machen könne (Freizeit sozusagen).

      Die Zwangsjacke der Bürokratie wurde fester angezogen, und meine jugendliche Naivität wurde offensichtlicher. Es lag eine Genehmigung vor, dass ich den Rest der Woche auf einen Deutschkurs darf. Yes, Sir!

       Mittwoch

      Der Deutschkurs fing etwas später an, und zwar um 9 Uhr, dadurch hatte ich fast fünf Stunden Schlaf nach dem Wiesn-Besuch. Ein paar Stunden im Hagen anschließend war mittlerweile Pflicht.

      Etwas Seltsames passierte auf der Wiesn. Als ich die Rechnung von 32 DM mit einen 50-Markschein bezahlte, sagte ich in meinem besten Deutsch: „Danke!“ Die Bedienung lächelte sehr freundlich, sagte auch „Danke“ und ging, ohne mir meine 18 Mark Restgeld wiederzugeben.

      Ich fragte bei der Lehrerin nach, wie das zu verstehen sei, und sie erklärte mir, dass ich, indem ich mich bedankt hatte, der Kellnerin zu verstehen gegeben hätte, dass sie den Rest behalten könne. Sehr suspekt. Ich wollte von Herzen danken und nicht tief aus der Geldbörse.

      Im dem Kurs gab es viele Iren. Die Firma hatte 32 von 34 Studenten aus einem Jahrgang von einer Uni in Irland eingestellt. Die kannten sich alle; Conor, mein Mitbewohner, gehörte dazu.

      In unserem Lehrbuch ging es um ein Studentenpaar, Stephen und Mary, die ein Teil ihres Studiums in Hamburg verbrachten.

       Donnerstag/Freitag

      Wiesn-Hagen-Deutschkurs-Wiesn-Hagen-Deutschkurs-Wiesn-Hagen-Schlaf. Alles verlief wahnsinnig schnell.

      Beim Kurs traf ich viele Firmen-Neuankömmlinge; 90 Prozent von denen wollte ich nicht unbedingt wiedertreffen. Ich hatte meine Probleme mit der Integration, aber viele hatten es gar nicht vor, sich zu integrieren oder waren meiner Meinung nach dazu nicht in der Lage.

      Ich war unzufrieden, insbesondere, weil ich bisher fast ausschließlich Engländer, Iren oder Amerikaner getroffen und so wenig von der Stadt und ihre Menschen gesehen hatte.

       Wochenende

      Es war nicht möglich, trotz Wecker vor 13 Uhr aufzustehen, und die Geschäfte hatten geschlossen. Nur am Hauptbahnhof konnte ich UHT-Milch, trockene Semmel, ein Art Salami und Käseschnitten wie Gummi kaufen. Es schneite auch.

      Ich musste Wäsche waschen, hatte aber kein Waschmittel, musste ein letztes Mal auf die Wiesn und viel wichtiger: Ich musste mich allmählich von etwas anderem als Fischsemmi, Brathendl und Zuckermandeln ernähren.

      Am Sonntag war die Wiesn vorbei und ich ging mit Paul zu ungewohnt früher Stunde ins „Hagen“. Beim Warten auf das Pils kamen wir an der Bar mit einem Ehepaar ins Gespräch. Sie waren leidenschaftliche Grüne und ließen sich über die konservativen reichen Münchner und die CSU aus. Anlass war ein kleiner Autounfall, den sie am Vorabend hatten. Sie meinten dabei, Vorfahrt gehabt zu haben, und der Schaden wäre auch kaum zu sehen gewesen. Der dicke BMW-Fahrer (sowohl in Bezug auf das Auto als auch auf die Person) bestand trotzdem darauf, die Polizei zu rufen, und es drohten hohe Reparaturkosten.

      Mir war dieser Klassenkampf und die Verkehrsregeln neu. Dies war ein Fall von „rechts vor links“.

       Innsbrucker Ring

       Montag

      Ein Wiederbelebungsversuch für meine bereits völlig ausgetrocknete Semmel im Ofen schlug fehl und das Frühstück fiel schon wieder aus.

      In England gab es vorgeschnittenes Weißbrot in einer Plastiktüte, das mindestens eine Woche hielt, wahrscheinlich aber nicht dem hiesigen Reinheitsgebot entsprach.

      So konnte es nicht weitergehen. Ich hatte kaum noch saubere Kleidung und hohe Schulden. Ich musste meinen Alltag in den Griff kriegen und mich auf das Wesentliche konzentrieren.

      Erster Beschluss: Nie wieder Wiesn – ein Leben lang nicht! Ich würde auch mit meinen Eltern sprechen und bitten, dass sie mir Geld überweisen, sodass ich meine Schulden begleichen konnte.

      Montags und Dienstags wurde gearbeitet und dann ging es weiter zum Deutschkurs unter Iren. So sollte ich die nächste drei Wochen meistern.

      In der Arbeit gab es endlich etwas zu tun und die Möglichkeit, meine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Mir wurde ein Herrn Mueller vorgestellt. Sein Akzent war sehr gewöhnungsbedürftig, er war ein echter Bayer. Ich würde mit ihm die nächsten vier Wochen an einem Projekt arbeiten.

      Mein Chef brauchte zehn Minuten, um mich vorzustellen, acht, um mir zu erklären, das Herr Mueller nicht „Muller“ oder „Moeller“ heißt, und dass ich von Glück sprechen könne, dass ich nicht mit den Gebrüdern Mayer, Meyer, Meier, Maier mit und ohne Doktortiteln zu tun hätte.

      Beim Kaffeekränzchen sprach er wieder ganz stolz über die schon montierten Winterreifen und darüber, dass er in die Berge gefahren sei. Der Oberarzt konterte mit einem sehr interessanten Gespräch über Schneeketten und darüber, wo man sie billig, sorry, preiswert kaufen könne und wie schnell man höchstens damit fahren dürfe und welche Pässe in Südtirol wo und wann meistens zugesperrt seien. Nur der Kaffee hielt mich wach.

       Dienstag

      U-Bahn-Stress: Es gab morgens auf dem Weg zur Arbeit nur selten einen Sitzplatz, alle waren hart umkämpft. Ich hatte folgendes beobachtet: Die U-Bahnfahrer waren schlechtgelaunt, und die Pendler ließen sich in vier Gruppen einordnen. Die U-Bahn Profis: Sie stehen genau dort am Bahnsteig, wo sich die Türen öffnen, wenn die Bahn hält. Sie warten ab, bis noch vier oder fünf Leute aussteigen, und drängen sich dann in die U-Bahn. Sie schnappen als erste die freien Plätze, holen ein Buch oder eine Zeitung heraus und vermeiden jeglichen Augenkontakt. Falls eine alte Frau Platz braucht, gibt es dafür die Behindertenplätze, hier müssen sie sich allerdings ausweisen, sonst haben sie eigentlich kein Recht auf einen Sitzplatz.

      Die Mitläufer bilden die zweite Welle, die einsteigt, und sie sind nicht ganz so rücksichtslos wie die Profis, fast immer bekommen sie deshalb nur einen Stehplatz.

      Die Letzten, die aussteigen wollen, werden von dieser strömende Menschenmasse überrollt, und die Schwächsten und Langsamsten schaffen es nicht mehr und müssen bis zur ersten ruhigen Station warten, um auszusteigen. Sie sind die ewigen Pendler.

      Die Loser hingegen schaffen es nicht mal einzusteigen. Sie sprinten meistens von der Rolltreppe. Die Bahnführer erkennen die Loser sofort und warten bis kurz vor deren Ankunft, um ihnen dann die Türe vor ihrer Nase zu schließen. Die Loser versuchen dann, die Türen zu öffnen, und fluchen, wenn sich der Zug in Bewegung setzt.

      Wegen meines englischen Höflichkeitssinns war ich als Mitläufer prädestiniert. Zweimal konnte ich aus lauter Höflichkeit nicht mehr einsteigen und musste auf den nächsten