Ein Hellas Bitte!. Andrew Mills. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrew Mills
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847615101
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zum 4. Stock. Es musste Probleme mit dem Aufzug gegeben haben, denn beim Aussteigen befand ich mich im Flur 5 und ging dann zu Fuß eine Etage wieder nach unten.

      Die Gänge und das Treppenhaus waren leer und kühl, getrennt durch sehr schwere Brandschutztüren, am Boden eine graue Steinoberfläche mit dunklem Muster. Alles roch nach Chemielabor, einer Mischung aus Staub und irgendeinem billigen Reinigungsmittel.

      Angekommen, klopfte ich höflich an und wurde von meinem Chef, Herrn Dr. Schmidt, empfangen, einem kleinen grauhaarigen Mann, der sehr freundlich war, aber auch sehr formell. Mein Kollege Herr Ploss wurde mir auch vorgestellt, sonst war das Büro leer und außerdem viel zu warm. Ich schwitzte wieder; Herr Ploss bot mir ein Glas Wasser an. Aus eine Glasflasche bekam ich Sprudelwasser, das viel zu salzig, aber zumindest kalt war.

      In den ersten Minuten kam ich mir vor wie an meinem ersten Schultag. Ich wurde ausgefragt und bekam viel zu viele Information auf einmal. Unter anderem erklärte Herr Dr. Schmidt, dass er zu einen Generation gehöre, die lieber die „Sie-Form“ benutzt, und lachte dann über den Spruch You can call me you.

      Ich bekam einen Schlüssel für meinen Rollschrank, ein paar leere Ordner, ein Notizbuch, auf das ich meinen Namen und die neue Dienstellenbezeichnung „WIG WD SIM PD LOG FA 05“ schrieb, ferner ein paar Stifte und einen Taschenrechner.

      Die Arbeitszeitregeln wurden erklärt, waren aber sehr kompliziert. Ich verstand zumindest, dass ich jeden Tag um 7:30 Uhr erscheinen musste.

      Danach musste ich wegen meiner Übergangswohnung zurück zur Pforte. Dort angelangt, traf ich jemanden von der Hausverwaltung, um erneut viele Formulare ausfüllen zu müssen und um einen Schlüssel und eine Wegbeschreibung zu bekommen.

      Ich musste mit der U-Bahn zu meiner neuen Wohnung fahren und meinen Koffer zunächst 1 Kilometer zur Haltestelle schleppen. Der U-Bahnhof war leer und die Ticket-Ausgabe völlig unverständlich. Ich kaufte eine Karte für 3 DM 20 und bekam kein Wechselgeld zurück, obwohl ich aus Frust ein paar Mal gegen das Gerät trat. Der Zug war ziemlich voll, es gab kaum Platz für mich und meinen Koffer. Keiner bewegte sich, keiner machte Platz, und so wie am Flughafen drängelte ich mich dann einfach hinein.

      Von der Haltestelle war die Wohnung mithilfe der Wegbeschreibung leicht zu finden. Im 8. Stock - zum Glück mit Aufzug - konnte ich endlich meine Tasche abstellen.

      Die Wohnung hatte 5 Zimmer – eine Wohngemeinschaft, wie es schien – mit einem Bad und einer Küche. Alles in Dunkelbraun (sogar die Fliesen im Bad und der Herd!), die Wände weiß. In meinem Zimmer gab es ein Sofabett, einen Kleiderschrank und ein Fenster. Die Vorhänge waren braun. Ich war so erledigt, dass ich mich hinlegte, ohne meine Mitbewohner zu treffen, ohne auszupacken und ohne Mittag oder Abendessen. Was für ein Tag!

       Dienstag

      Ich stand früh auf, um mögliche Warteschlangen vor dem Bad zu vermeiden, aber niemand war wach. Es war schön, dass es sofort heißes Wasser gab und dass Bad und Dusche getrennt waren. England kam mir so altmodisch vor, mit der Dusche als Anhängsel in der Badewanne und getrenntem Heiß- und Kaltwasserhahn. Auch hatte jedes Haus sein eigenes, heimtückisches Wassersystem. Bei uns beispielsweise gab es so wenig Wasserdruck, dass man, wenn jemand anderer im Haus ebenfalls Heißwasser brauchte, unversehens unter einer kalten Dusche stand. An diesem Morgen duschte ich sehr lange und ausgiebig und genoss den Luxus des heißen Wassers.

      Ich hatte kein Frühstück und keine Milch für einen Tee und ging deshalb direkt zur Arbeit. Wieder musste ich dem Ticketautomat Geld schenken und die unglücklichen Mienen der Pförtner ertragen und war recht früh an meinem Arbeitplatz.

      Das Büro bestand aus einer Glaskabine für meinen Chef, einem Besprechungstisch, zwei Schreibtischen, ein paar großen Rollschränken und einem kleinen. Auf diesem stand eine Kaffeemaschine auf einer Art Kachel, darüber war eine Pinwand angebracht. Alles war in Braun, allerdings in unterschiedlichen Tönen. Mein Stuhl war unbequem.

      Herr Dr. Schmidt war leider ziemlich beschäftigt, und nach einem kurzen „Guten Morgen“ und einem Händedruck musste Herr Ploss, der eigentlich genug zu tun hatte, mich unterhalten, zunächst mit einer Einführung in die Organisation.

      Ich widmete mich einem Stapel Organisationsplänen, bis Herr Dr. Schmidt Zeit für mich erübrigen konnte. Die Organisation schien mir sehr kompliziert zu sein, mit Hunderten von Blättern, die alle gleich ausschauten, nur mit unterschiedlichen Namen. Kollege P. bestätigte, dass jeder Abteilungsleiter versuche, die Aufgaben für sich zu beanspruchen, deswegen säßen mehrere Leute aus unterschiedlichen Abteilungen oder Dienstellen vor den gleichen Aufgaben oder sogar an den Fertigungsgeräten und kämpften um die Zeit, Experimente durchzuführen. Sehr ineffizient, wie ich fand, nicht unbedingt das, was man als „typisch deutsch“ bezeichnen würde.

      Dann durfte ich in die Glaskabine, um etwas über die Gehaltsstrukturen zu erfahren. Als einer derjenigen im Dienst ohne Titel bin ich im Tarif. Das heißt, es gibt einen Preis auf meinen Kopf, und soweit ich das beurteilen konnte, war ich ein Sonderangebot. Dann sagte Herr Dr. Schmidt, dass ich Fachhochschul-Absolvent sei. Ich versuchte zu erklären, dass ich einen Uni-Abschluss in Chemie hätte. Dabei wurden mir zwei Sachen klar: Die englischen Universitäten sind zweitklassig, und um Chemie zu studieren, muss man mindestens 30 Jahre alt sein und muss auch promoviert haben.

      Das heißt, dass ich mich nach dem Fachhochschulabschluss und zwei Jahren Arbeitserfahrung in Tarifkreis 5 und Tarifgruppe 5.3 befand. Ich protestierte - ohne Erfolg. Nachdem ich hier doppelt so viel verdienen würde wie in England und sowieso keine Verhandlungsposition hatte, ließ ich es dabei bewenden, glaubte aber, meinen Chef irritiert zu haben, weil er dann erzählte, dass ich eine sechsmonatige Probezeit hätte. Es klang wie eine ernste Sache.

      Zu Mittag zeigte mir Herr Ploss, wie ich mein Essen zu kaufen hatte. Wie alles hier hat auch das Mittagessen seine Ordnung. Es gab Essensmarken für Essen 1, 2 und 3. Jedes Essen besteht aus einer Hauptspeise mit Beilage (außer Süßspeisen, die mit Apfelmus oder Pflaumenkompott ergänzt werden mussten) und einem Nachtisch. Die Essensauswahl bestand aus Menüs, die wöchentlich mit der Hauspost geliefert und auf der Pinwand über der Kaffeemaschine aufgehängt wurden.

      Um die Marken zu kaufen, musste man in der Kantine ins Untergeschoss und in einer ewig langen Schlange stehen. Ich hatte nur genug Geld, um jeweils 2 Marken für Essen 1 und 2 zu kaufen. Das Essen sah furchtbar aus. Das Gemüse war zu lange gekocht, der Salat schwamm im Wasser, und die zwei Nachspeisen waren entweder Schokopudding mit Klumpen, die wie Mehlstärke aussahen, oder Quark mit Obststückchen. Quark gab es in England nicht, wir hatten nur Joghurt, und so probierte ich ihn also. Er schmeckte wie Kalkstaub in Sahne untergerührt. Als Hauptspeise gab es Rinderroulade mit Kartoffeln.

      In der Kantine gab es viele Menschen in Lederhosen und Dirndl, was die These meiner Mutter über die Alpennähe bestätigte, aber Herr Ploss erklärte mir, dies sei nur wegen des Oktoberfests. An unserem Tisch kam ich mir vor wie beim Mittagessen mit Heidi. Die Männer mit rotem Halstuch schauten alle irgendwie schwul aus, und die Frauen trugen Kleider, die alles nach oben drängten, um to have wood in front of the hut...

      Am Nachbartisch saß ein älterer Herr in roter Arbeitskleidung mit einem Riesenbauch. Herr Ploss sagte, dass dieser Mann für einen Umzugsfirma arbeite, und nachdem so oft umorganisiert wurde, habe dessen Firma ein eigenes Büro am Standort. Der Mann hatte einen weißen Bart, der vom Nikotin gelb gefärbt war, dasselbe galt für seine Finger.

      Vor ihm standen drei Gläser mit Apfelsaft, wie ich annahm. Ich fragte, wo der Apfelsaft zu finden wäre, und Herr Ploss erklärte mir, dass dies kein Saft sei, sondern Bier. Er zeigte mir auch die Zapfsäulen. Ich war baff; jetzt verstand ich zumindest die Warnungen in der Arztpraxis.

      Danach gingen wir das Geschäft am Standort besuchen. Man konnte hier auch Bier, Wein und Schnaps kaufen. Ich war erstaunt - wann tranken sie bloß so viel während der Arbeit?

      Nach einem Verdauungsrundgang um das Gelände tranken wir Kaffee und ich fragte nach wegen der Fahrkarten und der geldfressenden Automaten in der U-Bahn. Dr. Schmidt erklärte, dass es unterschiedliche Tickets gäbe, um mit der U-Bahn, dem Bus und der Tram zu fahren und