Verlorenend. S. G. Felix. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: S. G. Felix
Издательство: Bookwire
Серия: Verlorenend
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750233881
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Freund hier dachte, er könne sich einen kleinen Spaß erlauben«, sagte Antilius mit zittriger Stimme und zeigte dabei auf seinen Spiegel, der immer noch in seinen Hosengürtel geklemmt war. Die Augen der Wache folgten ungläubig seinem Fingerzeig. Doch in diesem Moment schien die Sonne so unglücklich auf die Spiegeloberfläche, dass das Licht vom Glas reflektiert wurde, und man das Innere nicht sehen konnte. Danach schaute die Wache Antilius wieder ins Gesicht, mit einem noch düstereren Blick als zuvor. Er war überrascht, dass es diesbezüglich noch eine Steigerung gab.

      »Aber sicher. Dein kleiner Spiegel hat herumgebrüllt.«

      »Ja. Glauben Sie mir etwa nicht?«

      »Jetzt hör mir mal ganz genau zu, du armer Irrer. Wenn du noch einmal auf die Idee kommst, Ärger zu machen, dann werde ich persönlich dafür sorgen, dass du nie wieder einen Ton von dir geben kannst. Hast du mich verstanden?«, knurrte die Wache gefährlich ruhig und durchbohrte Antilius mit ihren Augen. Für einen verrückten Augenblick dachte Antilius, er könne kleine Dampfwölkchen aus den großen Nasenlöchern seines wütenden Gegenübers strömen sehen.

      In Anbetracht dieser überzeugenden Drohung hielt er es für angebracht, nicht darauf zu bestehen, dass in Wahrheit Gilbert für den Schlamassel verantwortlich war. Und so nickte er nur brav und piepste: »Es kommt nicht wieder vor. Ich verspreche es. Es tut mir Leid.«

      »Ja, mir auch«, sprach der Wachmann und riss Antilius den Spiegel aus seinem Gürtel, warf ihn auf den Boden und trat mit zwei kräftigen Fußtritten darauf.

      Antilius war entsetzt, traute sich aber nicht, etwas zu sagen. Er stand nur wie gelähmt da, mit weit aufgerissenen Augen.

      Die Wache verabschiedete sich dann mit einem höhnischen Grinsen und verschwand ebenso schnell, wie sie aufgetaucht war wieder in der Menge der Passanten.

      Als Antilius überzeugt war, dass er unbeobachtet war, bückte er sich hastig, um nach dem Spiegel zu schauen. Er erwartete einen Scherbenhaufen, aber er wurde wieder überrascht. Das Spiegelglas war weder zerbrochen, noch hatte es den kleinsten Kratzer abbekommen. Durch das völlig unversehrte Glas konnte er Gilbert sehen, der in etwas größerem Abstand als sonst zur Spiegelwand stand und einen perfekt reuigen Blick aufgelegt hatte. Antilius’ Schrecken wandelte sich erst langsam aber dann immer schneller in brodelnde Wut um. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«, zischte er Gilbert an.

      »Es tut mir wirklich Leid. Ich hatte ja keine Ahnung, dass hier ein Ordnungshüter sein Unwesen treibt. Hätte ich das gewusst, hätte ich niemals so etwas getan.

      Am besten wir vergessen das Ganze und gehen weiter nach Pais suchen. He, ich habe eine Idee: Wenn wir im Wirtshaus angekommen sind, dann solltest du dir dort einen blauen Bergquell bestellen. Ein wunderbares Getränk, das dich nach dem kleinen Schrecken ganz sicher wieder eine wenig beruhigen wird, und dann kannst du diesen dummen Vorfall ganz einfach vergessen.«

      »Ich habe eine bessere Idee: Ich werde nach Pais suchen und lasse dich einfach hier liegen. Was hältst du davon?«, fauchte Antilius wütend.

      Gilbert sah plötzlich sehr besorgt, ja ängstlich aus. »Also, ehrlich gesagt, halte ich davon nicht besonders viel. Ich entschuldige mich nochmals. Mehr kann ich nicht tun, als dir zu versprechen, dass so etwas nie wieder vorkommen wird. Ich wollte diesem dummen Gorgen einfach eine kleine Lektion erteilen. Ich konnte mich einfach nicht beherrschen.«

      Daraufhin entspannte sich Antilius wieder und atmete ein paar Mal tief durch. »Es ist meine Schuld«, sagte er resigniert. »Ich hätte erst gar nicht hierher kommen dürfen. Ich war auf dieses Land völlig unvorbereitet. Deswegen ist alles schief gelaufen.«

      »Ach was! Hier ist alles für dich vielleicht ungewohnt, aber das waren nur ein paar Startschwierigkeiten. Es wird dir schon noch gefallen, warte nur ab«, sagte Gilbert, obwohl er sich nicht ganz sicher war, ob dies auch der Wahrheit entsprechen würde.

      Er legte eine Pause ein, die Antilius zum Nachdenken nutzte.

      »Komm, gehen wir! Es ist nicht mehr weit bis zum Wirtshaus. Dort kannst du dich ausruhen.«

      Antilius atmete noch einmal tief ein. »Also schön«, seufzte er und stand auf, wobei er sich den Spiegel wieder in den Gürtel steckte.

      »Ach, eines noch, Meister.«

      »Was denn?«

      »Du hast die Wache mit 'Sie' angeredet. Auf Bétha, dort wo du herkommst, mag das so üblich sein, aber auf den meisten anderen Inselwelten ist 'Ihr' und 'Euch' gebräuchlicher. Wenn du dich daran hältst, merkt auch keiner sofort, dass du nicht von hier bist.«

      »Gut, das werde ich mir merken.«

      Wenig später erreichte Antilius endlich das Wirtshaus.

      Weil heute ein angenehm warmer und sonniger Tag war, bediente das Personal auch außerhalb des Hauses, vor dem ein paar bescheidene Tische und Stühle aufgestellt waren. Es herrschte Hochbetrieb. Das Wirtshaus hatte einen guten Ruf in der Stadt. Antilius stellte sich an die Seite der vollbesetzten Tische.

      »Also, wie sieht dieser Pais aus?«, fragte er Gilbert.

      »Na ja ... äh, braune Haare, ... ein Bart, glaube ich. Oder hatte er keinen Bart? Äh ...«

      Antilius fasste sich kopfschüttelnd an die Stirn: »Geht es vielleicht noch etwas genauer?«

      »Gilbert!«, Die Stimme kam irgendwo aus der Menge der Gäste. Antilius bemühte sich herauszufinden, woher genau.

      Kurz darauf stand ein Mann von seinem Platz auf und rannte regelrecht auf ihn zu.

      »Gilbert! Alter Freund!«, Der Mann hatte einen Vollbart und braune, kurze Haare, die allerdings schon ins Graue übergingen.

      »Das ist Pais!«, rief Gilbert aufgeregt.

      Antilius zog den Spiegel aus seinem Gürtel und gab ihn Pais Ismendahl in die Hand, der überglücklich schien, Gilbert wiederzusehen.

      »Pais, du erinnerst dich noch an mich?«

      »Aber ja! Du hast schließlich noch Spielschulden bei mir, wenn ich mich recht erinnere.«

      »Oh … äh, das weißt du noch? Ich muss schon sagen, dein Gedächtnis ist noch in Höchstform«, sagte Gilbert mit einem gekünstelten Lächeln.

      Pais lachte laut. »Ich freue mich, dich wiederzusehen. Du meine Güte, das muss ja schon Jahre her sein, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«

      »Jahre?«, wiederholte Antilius ungläubig. Er wunderte sich darüber, wie alt Gilbert schon sein musste. Er sah kaum älter aus als Antilius selbst. Und Antilius schätzte sich selbst auf Anfang dreißig. Sein genaues eigenes Alter kannte er aber nicht.

      »Wie ich sehe, hast du einen neuen Meister gefunden?«, stellte Pais fest, wobei er Gilberts neuen Meister von oben bis unten genau musterte.

      »Mein Name ist Antilius, und ich bin nicht Gilberts Meister. Wohl eher bin ich ein Opfer seiner üblen Späße.«

      Pais lachte wieder laut und kräftig. »Ja, ich glaube, ich weiß, was du meinst. Nun, Gilberts Freunde sind auch meine Freunde. Mein Name ist Pais Ismendahl, aber das hat dir Gilbert sicher schon verraten.

      Kommt! Setzen wir uns doch.«

      »Also ich ...« Antilius kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden, denn schon war Pais zurück zu seinem Tisch gestürmt, den er sich zuvor mit zwei merkwürdigen Wesen mit grauer Haut und weißen Haaren geteilt hatte. Sie waren viel kleiner und schmächtiger als Pais. Diesen Vorteil nutze dieser für sich aus und verscheuchte die beiden mit wilden Handbewegungen. Die schüchternen Grauhäutigen verließen ihren Platz ohne Proteste.

      »Setz dich!«

      Antilius zögerte, weil es ihm unangenehm war, dass wegen ihm zwei Gäste vertrieben wurden.

      »Na los! Setz dich! Gilbert kannst du auf den Tisch stellen«, wiederholte Pais und warf beiläufig die beiden Teller der Vertriebenen in einen nahe gelegenen Busch.

      Dann kam Antilius der Aufforderung