Verlorenend. S. G. Felix. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: S. G. Felix
Издательство: Bookwire
Серия: Verlorenend
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750233881
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willst du auch eine Kleinigkeit essen? Die Gerichte hier sind wirklich ganz ausgezeichnet. Ich komme fast jeden Tag hierher, nicht zuletzt wegen dem süchtig machenden Grünwein. Ich könnte dieses Gesöff den ganzen Tag über trinken. Der Wirt hat sogar schon in Erwägung gezogen, mir Hausverbot zu erteilen, damit die anderen Gäste auch mal von dem Wein probieren können.« Pais lachte wieder abschließend herzhaft und begann, seinen rohen Tintenfisch weiter zu speisen.

      »Also? Wie sieht es aus? Soll ich dir das Gleiche bestellen?«, fragte er mampfend.

      »Ich glaube, ich habe schon gegessen«, sagte er gedämpft.

      »Schade! Du weißt nicht, was dir entgeht, mein Freund. Sie schmecken viel besser, als sie aussehen.«

      »Ich möchte es lieber gar nicht wissen.«

      »Wie du meinst. Dann erzählt mal! Was führt euch nach Fara-Tindu?«

      »Ach, wir sind nur hier, um ordentlich einen draufzumachen«, erwiderte Gilbert fröhlich. Doch damit fing er sich von seinem Meister einen warnenden Blick ein, was ihn dazu veranlasste, zunächst zu schweigen.

      »Ich komme von der Vierten Inselwelt und bin hier, um nach einem Sternenbeobachter zu suchen. Ich habe erfahren, dass er hier in der Nähe leben soll.«

      »Ah! Du meinst sicherlich den alten Brelius«, sagte Pais, ohne dabei seinen Blick von seinem schleimigen Mittagessen zu lösen.

      »Genau! Kennt Ihr ihn?«

      »Und ob! Sehr gut sogar. Wir haben früher in unserer Freizeit Riesenglühwürmchen gezüchtet. Wenn wir sie abends, wenn es dunkel wurde, ihre einstudierten Formationen fliegen ließen, war das die Attraktion auf der gesamten Inselwelt.«

      »Wo ist er?«, fragte Antilius ungeduldig.

      »Das weiß ich nicht.« Pais hatte es geschafft, seine Mahlzeit in Rekordzeit aufzuessen und schob nach einem kleinen Rülpser seinen Teller ein Stück von sich. »Er ist vor einiger Zeit einfach verschwunden. Niemand hat ihn gesehen oder weiß, wo er hingegangen ist. Nicht einmal mir hat er etwas erzählt. Allerdings ist mir aufgefallen, dass er, als ich ihn zuletzt gesehen habe, irgendwie geistesabwesend und manchmal verstört wirkte. Er war tatsächlich die meiste Zeit damit beschäftigt, den Himmel zu erkunden. Und wenn er ausnahmsweise mal nicht durch sein Fernrohr schaute, dann kümmerte er sich um die Glühwürmchenzucht. Seine einzige Freude, die er zuletzt hatte. Sag, Antilius, warum suchst du nach ihm?«

      »Er hat mir einen Brief geschickt, in dem geschrieben stand, dass er umgehend meine Hilfe benötige. Er schrieb, er hätte einen furchtbaren Fehler begangen. Und er schrieb, ich wäre der Einzige, der ihm helfen könne, weil ich ‚Die Augen’ hätte.«

      »Die Augen?« Pais untersuchte Antilius’ Augen, konnte aber außer einer intensiven Braunfärbung der Iris nichts Besonderes ausfindig machen. »Warum hat er gerade dir geschrieben. Kanntet ihr euch?«

      »Nein. Brelius war mir bis dahin auch unbekannt. Ich vermute, dass er recherchiert hat und so auf meinen Namen gestoßen ist. Es gibt nur sehr, sehr wenige Sternenbeobachter auf Thalantia.«

      Pais machte ein nachdenkliches Gesicht: »Das ist wirklich sehr seltsam. Brelius war ein Eigenbrötler. Er hat nie jemand anderen um Hilfe gebeten. Es muss wirklich etwas Schreckliches passiert sein.«

      »Der Brief könnte ja etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben«, sagte Gilbert.

      »Möglich.«

      »Das sollten wir unbedingt herausfinden. Ich weiß, wo Brelius lebte und gleichzeitig arbeitete. Vielleicht finden wir bei ihm zuhause ein paar Antworten.«

      »Ihr habt Zugang zu seinem Heim? Können wir denn da so einfach hinein spazieren?«

      »Ja, das können wir. Mach dir darum mal keine Sorgen, Antilius. Und du kannst du zu mir sagen«, beruhigte ihn Pais.

      Er stand auf, streckte sich und sprach: »Ich denke, wir sollten keine Zeit verlieren. Je eher wir herausfinden, was geschehen ist, desto besser.«

      »Wie weit ist es denn?«

      »Nicht weit. Brelius wohnt auf dem kleinen Wurmhügel am Rande der Stadt. Und um deine Frage vorwegzunehmen: Er wird deshalb Wurmhügel genannt, weil wir dort regelmäßig nachts unsere Riesenglühwürmchen schwirren ließen und sie für das Publikum ihre Runden drehten.«

      Antilius schnappte sich wieder den Spiegel und steckte sich ihn in den Gürtel, währenddessen Pais schon vorauseilte.

      »Habe ich es dir nicht gesagt? Ich finde jemanden, der uns zu Brelius führen kann. Jetzt sag bloß nicht mehr, dass ich für dich nicht nützlich sei«, bohrte Gilbert.

      »Ja, du bist ganz nützlich«, presste Antilius immer noch ein wenig ärgerlich hervor.

      »Ganz nützlich?«

      »Entschuldige. Ja, danke, dass du mir hilfst! Du bist mir eine große Hilfe.«

      »Keine Ursache, Meister«, sagte Gilbert zufrieden.

      Auf dem Wurmhügel

      Als Pais Ismendahl und Antilius den Wurmhügel bestiegen hatten, bot sich ihnen ein wunderbarer Blick über die Stadt Fara-Tindu. Windschiefe Dächer, die mit dunkelroten Backsteinziegeln bedeckt waren, verwinkelte Gassen und zahllose umherschlendernde Stadtbewohner, die von hier oben wie kleine Ameisen ausschauten.

      Inmitten des dichten Rotes der Dächer ragten drei Turmspitzen einer Abtei hervor.

      »Und? Ist das nicht ein umwerfender Anblick?«, schwärmte Pais, der über Antilius’ Faszination erfreut war.

      »Es ist sehr beeindruckend. Jetzt verstehe ich, warum Brelius diesen Ort für sein Heim und seine Arbeit gewählt hat.«

      Pais wandte sich dem einzigen Häuschen auf dem Hügel zu. Es war eher eine einfache Blockhütte, die im Dach eine aufklappbare Luke hatte, welche beim Öffnen die Sicht auf den Himmel für das darin befindliche Teleskop freigeben konnte. Eine schlichte, aber effiziente Lösung.

      Das muss ich mir auch in mein Dach einbauen, dachte Antilius.

      Pais öffnete die Tür, welche quietschend nachgab. Zu Antilius’ Überraschung besaß sie kein Schloss. Anscheinend fürchtete Brelius nicht, dass ihm irgendetwas gestohlen werden könnte.

      Das Innere der Hütte präsentierte sich ebenso bescheiden wie das Äußere. Den engen Raum teilten sich ein einfaches Bett sowie eine relativ große Werkbank, die fast die Hälfte der Wohnfläche in Anspruch nahm. Sie war übersät mit Schriftrollen, Bergen von Papieren, Werkzeugen unterschiedlichster Art, zwei kleinen Mikroskopen, Karten vom Sternenhimmel und dutzenden Linsen für das für einen Sternenbeobachter unverzichtbare Teleskop, welches gleich neben der Bank aufgebaut war. Das Ende des Rohres zeigte zur Dachluke. Sie war geschlossen.

      Pais runzelte die Stirn. »Hmm. Er hat alles genauso gelassen, wie es vorher war: unordentlich. Obwohl es noch chaotischer ausgesehen hat, als ich das letzte Mal hier war. Vielleicht finden wir auf seiner Werkbank einen Hinweis.«

      »Für mich sieht es so aus, als ob seine Sachen hier durchwühlt worden sind«, sagte Gilbert.

      Pais brummte nur nachdenklich. »Das könnte man vermuten.«

      Nach einer Weile des Suchens fand Antilius einen blau schimmernden Kristall. Nach kurzer Begutachtung stellte Pais fest, dass es sich um einen Stimmenkristall handelte. Diese Art von Kristallen waren geeignet, Töne oder auch Stimmen in sich zu speichern, sodass man damit Nachrichten aufzeichnen konnte.

      »Das muss es sein«, sagte Pais.

      »Was ist das?«

      »Das ist sein Tagebuch. Ja, ich erinnere mich! Vor einiger Zeit hat er mir erzählt, er hätte sich einen dieser sündhaft teuren Stimmenkristalle gekauft, um ein Tagebuch zu führen. Er hat mir aber nicht gesagt, warum.«

      »Wieso hat er nicht einfach Tinte und Papier benutzt?«,