Begnadet - Buch 1-2. Sophie Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sophie Lang
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742741516
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darunter so etwas wie ein Gebäudeplan und eine leuchtende blaue Linie, die den Weg nachzeichnet, den ich gehen muss.

      Und das alles in 3D. Ich starre fasziniert auf den Monitor.

      Rechts daneben, auf der zweiten Hälfte des Monitors, geht es dann zur Mensa: Ebene 0, Gate Mensa. In einer Gedankenblase steht eine Bemerkung: Geschätzte Dauer, bei normaler Schrittgeschwindigkeit, 12,356 Minuten bis zur Ankunft.

      Ich freue mich über so genaue Informationen.

      »Danke Eve, das ist super.«

      »Das habe ich sehr gerne gemacht, Aeia. Kann ich noch etwas für dich tun, Aeia?«, fragt mich die KIF, als ich schon halb auf dem Sprung zu einem der Fahrstühle bin.

      »Nein, vielen Dank.«

      »Ich wünsche dir einen angenehmen Arbeitstag.«

      »Oh. Danke. Ich wünsche dir auch einen tollen Tag.«

      Ich wende mich dem Fahrstuhl zu und rufe ihn mit meinem Daumen herbei. Da flackert Eves Monitor noch einmal hinter mir auf und ich höre ihre sanfte Stimme, die sich kein bisschen elektronisch anhört.

      »Aeia?«

      »Ja, Eve? Ich stehe hier drüben.«

      »Aeia, ich finde dich sympathisch und ich wünsche dir eine super schöne Zeit im Institut«, sagt sie. Ich fasse mir an den Mund, muss mir ein Lachen verkneifen. Ich verstehe nun, was 50% Freiheitsgrad und Lernfähigkeit bedeuten.

      »Eve, ich finde dich auch sehr nett«, sage ich fröhlich und dann zischen schon die beiden Fahrstuhltüren direkt vor mir auseinander. Ich frage mich, wann es so etwas in meinem Leben schon einmal gegeben hat. Zwei Begegnungen, wo man sich so offen gesteht, wie sympathisch man sich findet. Noch nie, stelle ich fest und es spielt für mich keine Rolle, dass es sich bei der einen Person um ein Computerprogramm handelt.

       Alex - Machtverhältnisse

      Alex starrt ins Leere. Die Leiterin von Gate 11 kann ihn nicht aus der Fassung bringen. Abgebrüht lässt er die Strafpredigt über sich ergehen. Alex mag es nicht, fremdgesteuert zu werden.

      Schon vor Jahren wurde er zu den Außenteams beordert. Aufgrund seiner Qualifikation: Führungs- und Methodenkompetenz. High Potential. So wurde es ihm gesagt.

      Anfangs war er begeistert. Reisen. Fremde Kulturen. Flexibel in äußerst kniffligen Situationen ein Team zu koordinieren. Eine großartige Herausforderung. Ein wirklich großer Job. Anfangs war noch alles gut.

      Zu seinen erfolgreichsten Einsätzen zählt jener vor fünf Monaten in Peru: Die Nazca-Ebene. Eine riesige Wüstenebene, die nach der Stadt Nazca benannt wurde.

      Auf der Ebene sind auf riesigen, uralten Scharrbildern Vögel, Menschen, Affen, Wale und andere Wirbeltiere abgebildet, die nur vom Flugzeug aus zu erkennen sind.

      Das größte Bild, ein Vogel, hat von der Schnabelspitze bis zum Fußende eine Länge von zwei Kilometern. Diese Bilder werden als Nazca-Linien bezeichnet. Über ihr Entstehen gibt es neben wissenschaftlichen Theorien zahlreiche weitere spektakuläre Spekulationen. Von prähistorischen, spirituellen Naturvölkern, bis hin zu Landebahnen für Außerirdische.

      Alex kennt die wahre Geschichte hinter den Scharrbildern. Ein Geheimnis, das nur den Mitgliedern des Instituts bekannt ist und im Artefaktenarchiv vor dem Rest der Welt geheim gehalten wird.

      Alex erledigt seine Aufträge ohne nennenswerte Verluste. Ohne Aufsehen und mit einer bestechenden Erfolgsquote. Mittlerweile scheinen sich die Schwerpunkte seiner Arbeit jedoch auf hausinterne, politische Auseinandersetzungen zu konzentrieren. Die Amtsbestätigung der Institutsleiter steht bevor.

      Sie findet jährlich statt und dieses Mal ist bei all denjenigen, die Ansprüche auf neue Machtverhältnisse erheben, eine enorme Anspannung zu spüren. Wobei doch jedem klar sein muss, dass es keine Veränderungen geben wird. Nicht solange die Mehrheit den Institutsleitern vertraut. Ein Leiter kann nur durch ein Misstrauensvotum aus dem Amt entlassen werden, somit ist die Bestätigung eine rein formelle Sache.

      Angelique, Alex‘ Auftraggeberin, ist keine Bürokratin oder Strategin. Sie ist religiös, ein Arbeitstier und geht für Stufen auf der Karriereleiter, wenn es sein muss, über Leichen.

      Die kleine rothaarige Leiterin von Gate 11 hat sich hinter ihrem Schreibtisch erhoben und brüllt Alex an. Ihr Gesicht läuft rot an. So rot wie die Farbe ihrer Haare. Und aus ihren Augen springen grelle Funken. Aber Alex bleibt cool.

      Es ist nicht der erste Ausbruch - ein Ausbruch der einem Vulkan in nichts nachsteht - den er live miterleben muss.

      Seine Loyalität als Teamleiter des Außenteams LT 7 verpflichtet Alex die Anweisungen eines Gate-Leiters zu befolgen.

      In diesem Fall geht es um Formalitäten. Leider erforderliche Formalitäten. Überflüssig aus der Sicht von Angelique. Auslandseinsätze sind von einem der drei Institutsleiter zu genehmigen. Schriftlich und mit ihrem Blut besiegelt.

      »Das werde ich als Erstes abschaffen, wenn die Priesterin wieder die alleinige Institutsleitung übernimmt«, flucht sie. Alex zieht eine Augenbraue hoch.

      »Wenn ich eine der drei wäre«, schiebt sie hastig hinterher. Angelique faucht wie ein Drache. Ihr Kopf droht zu explodieren. Alex sieht ihre Zornesröte und keine Scham. Er weiß, sie hat soeben ihre wahren Absichten preisgegeben.

       Aeia - Selbstgespräche

      Das Alte ist hier perfekt mit ausgefeilter Technik und modernster Innenarchitektur kombiniert. Fahrstühle eingelassen in massive Schlossmauern, Wandleuchter mit elektrischem Licht, das Sonnenlicht nachempfunden ist, vom Alter gezeichneter Parkettboden in schmalen Gängen mit satinierten Glastüren zu den einzelnen Gates.

      Hier und da ein tiefes Fenster oder ein nachträglich angelegter Lichtschacht ins Freie oder ein Klimaschacht, der frische Luft hereinlässt.

      Ich bin angetan und fühle mich das erste Mal in einem Gebäude annähernd so wohl wie in der freien Natur.

      Ich bin eine ganze Weile unterwegs, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Dann betrete ich wieder einen Gang mit abgehenden Türen.

      Ich lese auf der ersten Tür rechts von mir Gate 11. Gleich bin ich am Ziel und spüre, wie das Blut schneller durch meine Adern gepumpt wird. Ich bin tatsächlich nervös, meinem Chef und Professor das erste Mal gegenüberzutreten. Ein bisschen Adrenalin kann nicht schaden, beruhige ich mich.

      Ich überlege, wie ich das Gespräch beginnen soll. Hallo, ich bin Aeia Engel. Oder: Guten Morgen, mein Name ist Frau Engel.

      Ich wünschte, ich hätte mir vorher einen passenden Satz zurechtgelegt, anstatt kurz bevor ich Gate 13 betreten würde, darüber nachzudenken, wie ich meinen ersten Eindruck gestalten soll.

      Mir springt das Herz aus der Brust, als rechts vor mir, mit einem Knall, eine Tür auffliegt und ein junger Mann ausgespuckt wird. Oder wurde er herauskatapultiert?

      »Ich will diesen Auftrag haben! Lass dich hier nicht mehr ohne dieses verdammte Siegel blicken, sonst schlitze ich dir höchst persönlich die Kehle auf. Und pass dieses Mal auf, dass der Alte nicht das ganze Pergament mit seinem Blut besudelt!«

      Eins.

      Zwei.

      Drei Sekunden Pause.

      »Und jetzt raus hier!«

      Die letzten Worte hätte sich die Frau sparen können - wer auch immer sie war - denn der junge Mann war ja schon draußen. Mein Gott, ich bin erleichtert, dass es eine Frauenstimme ist, denn dann kann es sich unmöglich um Professor Meusburger handeln. Das ist egoistisch von mir.

      Ich stehe direkt vor dem Kollegen. Ist das der richtige Ausdruck? Kollege?

      Er schließt die Tür nicht etwa verängstigt oder eingeschüchtert. Nein, im Gegenteil. Er schlägt sie zu und als es Wumm macht, zeigt er der satinierten