Zu nah am Abgrund. Karlheinz Seifried. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karlheinz Seifried
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847615880
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wurde durch mehrere Telefongespräche auf der Wache ausgelöst, die der Polizei von irgendwelchen erfundenen Vorfällen berichten sollten und um Hilfe baten. Die eigentliche Befreiungsaktion war im Prinzip ganz einfach geplant. Die Polizeistation stürmen, Zelle auf, Wolfgang raus und schnell wieder weg, bevor die Polizei wieder zu sich kam.

      Die im Hof parkenden Privatfahrzeuge der Polizisten mussten durch Eisenkrampen einsatzunfähig gemacht werden, damit uns niemand damit verfolgen konnte. Dann sollte durch einen weiteren Anruf der Leiter und der für den Funk eingeteilte Polizist beschäftigt werden. Das war der Zeitpunkt, an dem unsere Kleinen zum Einsatz kommen sollten, sie mussten die zwei Polizisten am Tresen beschäftigen.

      Diese Ablenkung sollte die letzte Gruppe nutzen, sie sollten die Räumlichkeiten betreten, sich dann blitzartig im Revier verteilen und die dort noch anwesenden Personen unschädlich machen. Sie sollten sie in die Räumlichkeiten einzuschließen, in denen sie sich gerade befanden. Das konnte gut klappen, da man die Türschlüssel immer im Schloss stecken ließ. In der Zwischenzeit sollten zwei unserer Leute Wolfgang aus der Zelle befreien und zu unserem startbereiten Auto bringen und gleich nach Hamburg fahren.

      Alle zu diesem Zeitpunkt noch in der Wache befindlichen Mitglieder unserer Gang sollten sich dann in verschiedene Richtungen absetzen, um den eventuellen Verfolgern das Nachstellen zu erschweren. Nach meinem Plan sollte das alles innerhalb von vier Minuten zu schaffen sein.

      Alles was länger dauerte, war mit der Gefahr verbunden, dass man unsere Jungs erwischte. Sollten die Einsatzfahrzeuge zu früh zurückkommen oder einer der diensthabenden Polizisten es schaffen, eine andere Polizeiwache zu verständigen,

      würden bestimmt einige von unseren Jungs hops gehen. Dieses Risiko wollte ich auf jeden Fall vermeiden.

      Unsere Crews wurden für die jeweiligen Aufgaben eingeteilt und eingewiesen. Per Telefon stand ich mit dem Leitungsteam in Verbindung und wurde auf dem Laufenden gehalten, bis einen Tag vor dem Ereignis. Da war plötzlich Funkstille und ich habe niemanden mehr ans Telefon bekommen. Was war los? War der Plan verraten worden? Hatten sie kalte Füße bekommen? In den nächsten zwei Tagen saß ich wie auf Kohlen, kein Anruf oder eine andere Nachricht. Ich setzte mich mit Hamburg in Verbindung, vielleicht hatte man dort etwas gehört. Nichts!

      Am dritten Tag, zwei Tage nach dem geplanten Termin, bekam ich einen Anruf. Es war der Leiter meiner Gruppe, der ehemaligen „Cats” und er sagte mir, dass alles in die Hose gegangen war. Sie hatten fast alle erwischt und eingesperrt. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Mein Plan war fehlgeschlagen, hatte Fehler oder organisatorische Mängel gehabt! Was hatte ich in meiner Planung übersehen? Ich fragte ihn:

      „Was ist passiert, was war falsch geplant?“

      „Nichts, du hattest alles richtig geplant und eingeteilt“, bekam ich zur Antwort, „ aber der Idiot von Stellvertreter hat sich nicht an deinen Plan gehalten und sagte, dass er das auch und besser planen könnte. Er stürmte das Polizeirevier und hat, das musst du dir mal vorstellen, erst alle Polizeifahrzeuge kaputt machen lassen bevor er in die Wache ist, dort haben sie natürlich schon auf ihn gewartet. Die Einsatzfahrzeuge wurden nicht weggerufen und somit war fast die ganze Wache voll besetzt.

      In der Zwischenzeit haben die Polizisten noch Verstärkung gerufen und unsere Jungs wurden regelrecht eingekesselt. Fast alle wurden festgenommen.“

      „Ist dir und unseren Jungs etwas passiert?“, fragte ich ihn.

      „Nein. Wir haben uns zurückgehalten und waren nicht in Reichweite der Polizei, als alles losging“, gab er mir die beruhigende Antwort.

      „Halte mich auf dem Laufenden und vor allem bekomme raus, was mit Wolfgang geschehen ist.“ Er versprach es mir und wir legten auf.

      Ich beendete meine Berufsschule in Bremen und heuerte auf meinem ersten Schiff an. Die Fahrt ging nach Australien und dauerte ein halbes Jahr. Während dieser Zeit hatte Wolfgang seine Strafe abgesessen und kam fast zum gleichen Zeitpunkt wieder aus dem Gefängnis heraus, als ich in Hamburg einlief. Nachdem er aus der Haft entlassen wurde, kam er nach Hamburg und hinterließ bei meinen Jungs seine Telefonnummer.

      Ich rief ihn sofort an als ich in Hamburg ankam, und wir machten ein Treffen aus. Wolfgang hatte wieder Kontakt zu der Hamburger Gang aufgenommen, mit der wir schon zu unseren alten Zeiten im Sauerland zusammengearbeitet hatten. Wir sprachen über unsere Zukunft und beschlossen, unsere gemeinsamen Aktivitäten wieder aufzunehmen, diesmal von Hamburg aus.

      In unserer alten Wirkungsstätte im Sauerland war nichts mehr los. Die Polizei hatte ganze Arbeit geleistet und alles zerschlagen, nur von den „Cats”, meiner alten Gruppe, hatte die Polizei keinen gefasst. Sie hatten sich nach der Befreiungsaktion zurückgezogen und aufgelöst.

      Für mich begann jetzt ein neuer Abschnitt!

      Kapitel 6

      Heute

      Ich war so in meine Erzählung vertieft, dass ich nicht bemerkte, wie die Sonne sich langsam dem Horizont näherte und unterging. Eva drehte sich zu mir:

      „Weißt du was, mein Lieber? Wir packen jetzt alles zusammen, gehen hoch ins Haus, duschen uns den Sand und das Salz ab, setzen uns auf die Terrasse und du erzählst weiter, was meinst du dazu?“ Ich rappelte mich von der Decke hoch und antwortete:

      „Ja, das ist eine gute Idee, mein Liebes. Nur das mit dem Duschen sollten wir noch etwas vertiefen. Wollen wir zusammen duschen?“, fragte ich sie schelmisch grinsend.

      „Na, na. Nun mal nicht so stürmisch, Seemann. Wir sollten das doch lieber getrennt tun, wer weiß, was dabei sonst noch rauskommt“, sagte sie lachend und packte schon die Decke und die anderen Utensilien ein. Ich half ihr dabei und wir gingen die Dünen hinauf und dann über den Sandweg weiter zu unserem Haus.

      Es lag auf einer kleinen Anhöhe über dem Strand und man konnte von der Terrasse aus direkt auf das Meer sehen, das Meeresrauschen hören und die Sonne untergehen sehen. Zur Terrasse hin lagen Wohnzimmer und das Schlafzimmer. Im hinteren Bereich des Hauses lagen Badezimmer, die Küche und das Büro. Über der Terrasse war eine Pergola angebracht, über die sich wilder Wein rankte und Schatten spendete. Links vom Haus, etwas zurückgesetzt, in zirka fünfzig Meter Entfernung, stand das Gästehaus. Rechts vom Haus befanden sich die Doppelgarage und der Geräteschuppen. Hinter dem Haus, am Berghang gelegen, stand unser Pferdestall mit seinen vier Boxen für unsere Pferde, auf beiden Seiten des Stalls schlossen sich gleich die weitläufigen Weiden an. Zwischen dem Gästehaus und der Stallung führte die Zufahrt über den Hang hinunter zur Straße.

      Im Gästehaus war Platz für acht Personen, es gab vier Schlafräume mit Doppelbetten und Badezimmer. Nach vorne gelegen gab es noch ein Wohnzimmer mit Kochnische.

      Es war ein abgelegenes Stück Erde, das nächste Dorf war fünfzehn Minuten entfernt, hierher verliefen sich ganz selten Menschen und noch weniger Touristen. Das war einer der Gründe, warum wir uns hier so sehr wohl fühlten.

      Von dem hinteren Bereich des Hauses aus konnte man auf den Hügel sehen, der sich sanft ins Landesinnere erstreckte. Hier bei den Stallungen für die Pferde wachte unser Hund Blacky, ein wunderschöner deutscher Schäferhund, mit schwarz-braunem Fell. Er hielt sich gern hier oben auf und genoss den kühlen Seewind, der durch den zu drei Seiten offenen Stall wehte und für eine angenehme Temperatur sorgte. Am Abend kam er dann heraus und streunte, nachdem er was zu fressen bekommen hatte, auf dem Grundstück herum.

      „Schatz, ich schau rasch noch mal in den Stall nach den Tieren, während du unter die Dusche gehst. Willst ja sowieso alleine duschen“, sagte ich und sah sie lächelnd an. Sie nickte und lächelte mich dabei an. Ich ging, als wir am Haus ankamen, weiter zu den Stallungen. Wir hatten einen Brunnen bohren lassen, um immer Wasser für die Tiere zu haben. Wasser war hier auf der Insel ein kostbares Gut.

      Auf dem Weg zum Stall kam mir Blacky schon entgegen gelaufen und begleitete mich. Im Stall angekommen, ging ich von Box zu Box, redete mit den Pferden und streichelte sie über die Mähnen.

      Da waren die Hengste, Milord von Eva und Mephisto von mir. Beide waren Friesen, lackschwarz