Ein Platz in meinem Herzen. Patrick Osborn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patrick Osborn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847688570
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vor Ende unseres Urlaubes entschlossen wir uns, einen Tagesausflug auf die Bahamas zu unternehmen. Dass uns dieser Ausflug noch einigen Ärger bereiten sollte, ahnten wir nicht.

      Wir flogen nach Providenciales. Die Hauptstadt der südlichen Bahamas erwartete uns mit einem Traumwetter. Der wolkenlose Himmel ermöglichte uns einen herrlichen Blick auf das Karibische Meer. Nach einem guten Frühstück bestiegen wir unseren Katamaran. Die Unterwasserwelt der Turks und Caicos Inseln war atemberaubend. Der Tag verging wie im Fluge und natürlich kommt die Zeit des Abschieds viel zu schnell. Erschöpft von Seeluft und Hitze traten wir den Rückflug nach Punta Cana an.

      Unsere Cesna landete pünktlich. Alle Passagiere freuten sich auf ihr Hotel und eine heiße Dusche. Die Sonne war bereits hinter den Wolken verschwunden, als wir die Abfertigungshalle betraten und eine Überraschung erlebten.

      Kein Schalter war mehr besetzt!

      Unsere Reiseleiterin Heidi war ebenso überrascht wie wir. Die Einzigen, die sich im Flughafengebäude aufhielten, waren ein Wachmann und zwei Putzfrauen, die sich angeregt unterhielten. Heidi ging zu ihnen und sprach mit dem Wachmann. Nach einigen Minuten kam sie kopfschüttelnd zurück.

      „Man hat uns vergessen. Die letzte planmäßige Passagiermaschine ist vor zwei Stunden gelandet. Da man keine Maschine mehr erwartet hat, wurde Feierabend gemacht. Der Wachmann versucht jemanden zu finden, der uns noch abfertigen kann.“ Wir warteten eine Stunde. Endlich kam der Wachmann zurück, doch der Tonfall unserer Reiseleiterin ließ erahnen, dass das Ergebnis nicht in unserem Sinne war.

      „Der Wachmann hat niemanden mehr erreichen können. Da der zuständige Beamte den Einreisestempel mitgenommen hat, kann er uns als Vertreter nicht abfertigen. Er möchte, dass wir unsere Reisepässe hier lassen, damit die Eintragung morgen nachgeholt werden kann. Wir können uns dann die Pässe hier wieder abholen.“ Nun wurde in unserer Gruppe hitzig darüber diskutiert. Doch alle waren schließlich der Ansicht, dass wir unsere Reisepässe nicht aus der Hand geben sollten. Unsere Hotels lagen gut eine Autostunde vom Flughafen entfernt. So einfach würden wir hier nicht mehr herkommen. Und wer wusste schon, wo dann noch unsere Pässe waren? Wir baten Heidi, eine andere Lösung zu finden. Also trottete sie wieder los, um mit dem Wachmann zu verhandeln. Es dauerte keine zehn Minuten, bis sie wieder kam.

      „Er bleibt stur. Wir müssen unsere Pässe hier lassen, sonst lässt er uns nicht passieren. Es ist auch schon zu spät, um bei mir im Büro anzurufen. Ich sehe nur eine Möglichkeit, wenn wir hier nicht übernachten wollen.“ Wir waren auf einmal alle hellhörig. „Wir geben ihm ein paar Dollar, damit er uns durchlässt. Wir haben zwar keinen Einreisestempel, aber das werde ich morgen über unser Büro klären.“ Wir verhandelten darüber und nahmen Heidis Vorschlag an. Hundertzehn Dollar kamen zusammen. Nicht viel, aber wir hofften, dass es reichen würde. Unsere Reiseleiterin nahm das Geld und ging abermals zu dem Wachmann.

      „Alles klar. Er hat sich darauf eingelassen. Ich werde mich morgen darum kümmern und die Sache klären.“ Uns fiel ein Stein vom Herzen. Jetzt kamen wir doch noch zu unserer Dusche.

      Zwei Tage später sprachen wir mit unserem Hotelmanager über die Angelegenheit. Er versicherte uns, dass alles erledigt sei und die Flughafenbeamten Bescheid wüssten. Bei der Ausreise würde es keine Schwierigkeiten geben.

      Eine Woche später war der Augenblick gekommen, sich von unserem Urlaubsdomizil zu verabschieden. Es war eine traumhafte Zeit, aber auch die nähere Zukunft versprach einiges. Immer wieder streichelte ich den Bauch deiner Mutter und sprach mit dir.

      Wir erreichten den Flughafen und ich hoffte, dass es keine Komplikationen gab.

      Als wir an der Reihe waren, gab deine Mutter dem Beamten unsere Pässe. Er begann darin zu blättern und schaute uns mürrisch an. Sein Blick ließ ahnen, dass er nichts von unserem Malheur wusste. Er fragte etwas auf Spanisch, was wir nicht beantworten konnten. Die Schlange hinter uns wurde länger, und die ersten Passagiere begannen, ungeduldig zu tuscheln. Der Beamte rief einen Kollegen hinzu, der ebenfalls in unsere Pässe schaute. Auch er fragte uns etwas. Ich zuckte mit den Schultern und versuchte ihm auf Englisch zu erklären, was vorgefallen war. Schließlich nahm der zweite Beamte unsere Pässe und deutete uns an, ihm zu folgen. Deine Mutter hielt vergebens Ausschau nach unserer Reiseleiterin.

      „Hoffentlich kriegen wir jetzt keinen Ärger.“ Deine Mutter sprach aus, was ich dachte. Wir folgten dem Beamten in sein Büro. Es war klein und roch muffig. Ein Deckenventilator verteilte die schlechte Luft. Wir nahmen Platz, und er begann abermals, uns in Spanisch zu befragen. Mit Händen und Füßen versuchte deine Mutter, ihm die Sache zu erklären. Ich sah schon die Schlagzeile in Deutschland vor mir.

      Bestsellerautor in der Karibik verhaftet!

      Plötzlich sah ich Heidi in die Vorhalle kommen. Ich sprang auf und gab dem verdatterten Beamten nicht die Chance zu reagieren.

      „Heidi! Sie sind unsere Rettung.“ Mit wenigen Worten erklärte ich ihr, in welcher Situation wir uns befanden. Heidi kam mit und erklärte dem Beamten, warum wir keinen Einreisetempel hatten. Nach einem kurzen Telefonat stempelte er schließlich unsere Pässe ab.

      Als wir in letzter Minute die Maschine erreichten, trafen uns die bösen Blicke der Passagiere. Erleichtert ließen wir uns in die Sitze fallen und begannen, herzhaft zu lachen.

      „Da hast du doch schon eine tolle Idee für einen neuen Roman“, scherzte deine Mutter.

      „In einem Roman würden wir jetzt im Gefängnis sitzen oder auf der Flucht durch den dominikanischen Dschungel sein.“ Ich beugte mich zu ihr herüber. „Danke, für jeden Tag, den ich mit dir verbringen kann.“ Dann küsste ich deine Mutter. Es war das größte Glück auf Erden.

      Katarina

      Heftig schlug Katarina das Tagebuch zu.

      Tränen liefen über ihr Gesicht. Es fiel ihr schwer, Olivers Zeilen zu lesen. Ihre Gedanken kreisten um das Gelesene und Katarina musste eine Pause machen. Sie konnte den Inhalt nur in kleinen Mengen aufnehmen. Das Tagebuch ließ alle längst verdrängten Gefühle aufleben. Immer wieder beschäftigte sie die Frage, wann Oliver das Tagebuch geschrieben hatte. Es war ihm wirklich gelungen, Katarina nichts davon mitbekommen zu lassen. Erneut schossen Tränen in ihre Augen. Diesmal nicht wegen der Zeilen, die sie gerade gelesen hatte, sondern als Reaktion auf die Dinge, die sich in ihrem Leben bisher abgespielt hatten.

      Sie fühlte sich allein. Unsagbar allein. Sie schlang die Arme um ihre Knie und verspürte das Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Leopold schien ihre Gedanken zu erraten, sprang zu Katarina auf die Couch und schmiegte sein Köpfchen an.

      Doch wen sollte sie anrufen? Mit Mark konnte und wollte sie nicht über das Tagebuch reden. Sie wusste, dass es ihn verletzen würde, auch wenn er es ihr gegenüber nicht zugeben würde.

      Pat? Nein.

      Obwohl sie Pat schon eine Ewigkeit kannte, war sie die Letzte, mit der sie reden wollte. Auch ihre anderen Freundinnen, sofern man sie noch so nennen konnte, hakte Katarina eine nach der anderen ab. Sie hatte sich in letzter Zeit total isoliert und niemanden an sich herangelassen.

      Ihr Blick schweifte über das CD-Regal. Toni Braxton, Whitney Houston, Vanessa Williams. Katarina hatte eine Schwäche für farbige Sängerinnen. Sie erhob sich und legte eine CD von Nathalie Cole auf.

      Unforgettable.

      Plötzlich wusste sie, wen sie anrufen würde. Sie griff zum Telefon und rief ihre Eltern an. Während der Apparat die Nummer wählte, versuchte Katarina sich das Gesicht ihrer Mutter vorzustellen. Gedanken an ihre Kindheit schossen ihr in den Kopf.

      Sie wuchs wohlbehütet in einer intakten Familie auf. Ihr Vater führte ein Exportunternehmen und war die Idealvorstellung eines Mannes gewesen zumindest, bis sie Oliver kennen gelernt hatte. Katarina war ein Wunschkind. Obwohl ihre Eltern durch das eigene Unternehmen viel zu tun hatten, verbrachten sie jede freie Minute mit ihrer Tochter. Heute verlebten sie ihren Lebensabend in der Toskana. Trotz der Entfernung war der Kontakt noch ausgezeichnet.

      „Wolf.“

      „Hallo