Tempus Z. Jo Caminos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jo Caminos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738072877
Скачать книгу
gebracht hatte, war nicht dabei. Dann wandten sie sich in Richtung Ausgang und blieben vor den Wachen stehen.

      „Wir müssen uns langsam auf den Weg machen“, sagte Joshua. „Wissen sie, wann Lieutenant Barrows ...“

      Doch in diesem Moment öffnete sich die Tür und der Pressesprecher war zurück.

      Barrows führte sie noch zur Kontrollschleuse, wo sowohl die große Digitalkamera als auch die gefakte Brille von Jack abschließend kontrolliert wurden. Die USB-Kamera war für jeden sichtbar am USB-Port des Laptops angekoppelt. Nichts war so unverdächtig wie das Offensichtliche. Abgesehen davon spielte es keine große Rolle, wenn der Stick doch entdeckt worden wäre. Es war nur Belangloses darauf, wie Jack Joshua irgendwann auf dem Rollfeld zugeflüstert hatte.

      Barrows verabschiedete sich mit der ihm eigenen Höflichkeit. Joshua und Jack gingen zu ihrem Leihwagen und stiegen ein.

      Joshua bemerkte Jacks drängenden Blick, doch er reagierte nicht. Ruhig startete er den Motor und fuhr langsam los Richtung Interstate. Erst als die Air Base nicht mehr im Rückspiegel zu sehen war, fuhr Joshua an den Seitenrand und hielt an.

      Er holte die Cookies aus der Brusttasche seines Hemdes, suchte kurz nach dem Beschrifteten und hielt ihn dann Jack unter die Nase.

      Auf der Rückseite befanden sich zwei Zahlen. Die eine war die Uhrzeit - 18:00 Uhr - die andere eine Mobilfunknummer.

      „Gut, das dauert ja nicht mehr lange“, sagte Jack. Er griff in seine Jackentasche und brachte seine Zigaretten hervor. „Irgendwie bin ich nervös“, sagte er entschuldigend, doch Joshua winkte nur ab.

      Das Rauchen würde Jack nicht umbringen, doch von diesem Moment an hatte er noch zwei Tage zu leben.

      Lieutenant Sean Barrows stand am Fenster seines Büros. Sein Blick ging ins Leere. Er hasste sich und seinen Job. Vor allem aber ertrug er die ihm auferlegte Verpflichtung zur Verschwiegenheit nicht mehr. Die Menschen mussten erfahren, was da auf sie zukam, unbedingt. Sie mussten gewappnet sein.

      Barrows hatte Angst, eine entsetzliche Angst vor dem, was da kommen mochte, über das er schweigen musste. Auf seinem Tisch lag ein Dossier, das vor einigen Minuten hereingekommen war. Er hätte es wegschließen müssen, so lautete die Order. Doch er tat es nicht. Nachrichten aus Phoenix und San Francisco. Klassifiziert. Es hatte begonnen.

      Barrows Gedanken gingen weiter zurück, hin zu einer codierten Videoübertragung aus Phoenix. Vom Bildschirm aus hatte er die Verwandlung mit ansehen müssen. Die Amputation des Soldaten hatte nichts gebracht. In aller Eile hatte man seinen rechten Arm entfernt, doch das Virus, oder was immer in ihm tobte, hatte sich offensichtlich schon zu weit ausgebreitet. Der Mann war tot. Die Nulllinie hatte nichts mehr angezeigt. Absolute Flatline, doch dann hatten die Augenlider des verstorbenen Soldaten geflattert. Zuerst nur ein schwaches Zucken, bis das Ding die Augen aufriss, sich aufrichtete und der Kiefer seine mahlende Funktion aufnahm. Und da war dieses Stöhnen, dieser seltsame Laut, der nicht mehr menschlichen Ursprungs schien. Ärzte, Wachpersonal und medizinische Hilfskräfte standen sprachlos um das Bett herum, auf dem der Soldat sich ruckend hin und her bewegte und mit dem Kiefer schnappte. Man hatte versäumt, den Toten festzubinden. Wozu auch? Er war ein Patient - gewesen. Der behandelnde Arzt hatte nicht glauben wollen, dass sein verstorbener Patient sich wieder regte. Niemand hatte ihn zurückgehalten. Barrows sah vor seinem inneren Auge, wie der verblüffte Mediziner zu dem kurz zuvor Verstorbenen trat und sich über ihn beugte. Und wie das Ding dann urplötzlich die Zähne in den Hals des Arztes schlug, ihm die Halsschlagader zerfetzte, dass das Blut nur so spritzte. Doch der schlimmste Moment für Barrows war, als er mit ansehen musste, wie das Ding zu fressen begann. Ganze Stücke riss es aus dem vor Schmerz kreischenden Arzt heraus. Und es fraß so lange, bis ihm endlich eine Kugel das Gehirn zerfetzt hatte.

      Barrows bemerkte nicht, dass er zitterte. Die Prognosen des letzten Dossiers waren katastrophal. Kein Gegenmittel in Aussicht. Vor seinem inneren Auge sah er wieder das blutverschmierte Maul des Dings, das einmal ein Mensch gewesen war, hörte in seinem Innern die entsetzten Schreie des Arztes. Wieder und immer wieder.

      Sean Barrows hatte es nur über die Videoschaltung gesehen, und doch war es ihm, als wäre er dabei gewesen.

      Ohne es wirklich zu registrieren, war er an seinen Schreibtisch getreten. Seine Hände, die nicht mehr ihm zu gehören schienen, öffneten die mittlere Schublade, griffen nach der Waffe.

      Du brauchst keine Angst mehr zu haben!, dachte er und nahm alles seltsam distanziert wie durch einen Nebel wahr. Er steckte sich den Lauf der Waffe in den Mund, sah nach draußen, in den Regen, hin zu den düsteren Wolken im Westen. Und er ahnte, dass diese Düsternis sich über die ganze Welt ausbreiten würde. Er würde es nicht mehr erleben, und es fühlte sich gut an. Besser, als alles, was er in den letzten Wochen gefühlt hatte.

      Dann drückte er ab.

       10. Kapitel

       Im Camper - Zwischenspiel

      Draußen goss es mittlerweile wieder wie in Strömen. Nur einige Teelichter warfen ein schwaches, warmes Licht auf die Szene. Sie hatten es sich an der Essnische gemütlich gemacht, hielten sich an ihren Gläsern fest und genossen die Wärme des Alkohols.

      Regen prasselte gegen das Wohnmobil, hin und wieder pfiff der Wind durch die einen Spaltbreit heruntergelassen Seitenscheiben. Abgesehen davon war es draußen ruhig. Keine Untoten, niemand. Sie hatten beschlossen, das Waldstück zu verlassen. Das Unterholz war zu unübersichtlich. Sollten irgendwelche Untoten unterwegs sein, würde man sie vielleicht zu spät bemerken. Peter hatte das Wohnmobil schließlich auf offener Strecke angehalten. Obwohl es erst spät am Nachmittag war, war es fast schon dunkel. Immer mehr schwarze Wolken schoben sich von Westen heran und brachten mehr Regen. Schließlich beschlossen sie, die Weiterfahrt bis zur Whitehawk Air Force Base auf den nächsten Tag zu verschieben. Alle waren sie erschöpft, aber die bleierne Müdigkeit war erst über sie hereingebrochen, als das Adrenalin, das durch ihre Adern gejagt war, sich verzogen hatte. Vielleicht lag es auch am Whisky ...

      Gespannt hatten sie Joshuas Erzählung gelauscht. Und er war noch nicht fertig.

      Joshua war kurz pinkeln gegangen. Als er zurück war, setzte er sich wieder an seinen Platz und sah die neuen Freunde der Reihe nach an, dann fuhr er fort und erzählte von den Tagebüchern des Specialist Harry Hensen ...

       11. Kapitel

       Elenor Hensen und die Tagebücher eines Toten ...

      Es war genau 18:00 Uhr, als Joshua die Handynummer anwählte, die die Frau auf der Rückseite der Cookieverpackung hinterlassen hatte. Eine Frauenstimme meldete sich; Joshua war sich in diesem Moment allerdings nicht sicher, ob es dieselbe Frau war, die sie in der Kantine bedient hatte. Er war noch nie mit Telefonstimmen klargekommen. Die Frau nannte keinen Namen. Sie gab eine Adresse durch, dann war die Verbindung tot. Joshua gab die Adresse ins Navi ein und nickte dann.

      „Ein Nachbarort, nicht weit von hier. In einer Viertelstunde wissen wir mehr ...“ Er startete den Motor, und sie fuhren los.

      Elenor Hensen war nervös. Sie war die Mutter eines der verstorbenen Soldaten. Das kleine Haus war gemütlich, doch vieles sah alt und abgenutzt aus. Aber es roch sauber. Elenor hatte Essen und Trinken angeboten, doch Joshua und Jack hatten dankend abgelehnt. Das Essen in der Kantine auf der Air Base lag noch nicht weit zurück.

      Sie saßen sich in einem kleinen Wohnzimmer gegenüber. Das einzige große hier war der Flachbildfernseher an der Wand.

      Elenor spielte nervös mit den Fingern. Sie war kurz zuvor in ein anderes Zimmer gegangen und hatte zwei USB-Sticks geholt, die sie schweigend vor sich auf den Wohnzimmertisch gelegt hatte.

      „Die gehörten meinem Sohn“, sagte sie leise. „Er hat von seinen Einsätzen immer Zusammenfassungen geschrieben, die er irgendwann später verwenden wollte,