„Komm, William“, sagte Tomas. „Lass uns an Bord gehen.“
William nickte. Er wandte sich noch einmal der Stadt zu, um sich still von London zu verabschieden. Seine Heimat schien ihm wohlwollend 'Lebewohl' zu sagen, denn sie erstrahlte warm und freundlich im Licht der aufgehenden Sonne. William fühlte die gleiche Traurigkeit wie vor elf Jahren, als er, damals noch ein kleiner Junge, Vater und Mutter für sechs Jahre verlassen musste.
Tomas bemerkte, dass seinem Glaubensbruder ein Dämon in den Därmen wühlte. Deshalb legte er einen Arm um seine Schultern und drückte ihn an sich. „Man wird dich an Orte schicken, die dir nicht behagen, und du wirst trotzdem gehen müssen, William. So heißt es im Aufnahmeritual.“
William lächelte. „Rhodos ist kein Ort, der mir nicht behagt, Tomas. Im Gegenteil. Ich freue mich darauf. Dort ist alles viel heller und schöner als hier in unserem verregneten England. Ich frage mich nur, ob wir es jemals wiedersehen werden.“
Tomas nickte. „Jesus Christus allein weiß es.“
William pumpte frische Hafenluft in seinen Brustkorb und blies sie hörbar wieder aus. Dann ging er auf das erste Schiff zu.
„Lass uns auf die zweite Galeere gehen“, bat Tomas.
„Aber warum?“
„Bitte akzeptiere meinen Wunsch, ohne nach den Gründen zu forschen.“
William begriff nicht, bis auf der ersten Galeere die beiden Frauen erschienen und winkend und lachend jemandem zuriefen. Das war es also. Tomas wollte die Nähe weiblicher Gesellschaft meiden. 'Armer Tomas', dachte William. Und sogleich fiel ihm wieder Joanna ein. Er sah sie vor sich, strahlend schön wie dieser Maimorgen, als sie schweigsam auf die zweite Galeere zugingen. William war so in seine Gedanken vertieft, dass er nicht die metallenen Schritte hörte, die sich ihnen näherten. Doch dann wurde er unsanft aus seinen Träumen gerissen.
„He, ihr Wichte. Wollt ihr auf die zweite Galeere? Auf der anderen fahren aber doch ein paar schmackhafte Weiber mit.“
Tomas versuchte, die, wie er meinte, unfreundliche Lästerung zu ignorieren. Aber William, der gerade seine Gedanken auf ein so schönes Ziel wie Rhodos gerichtet hatte, fühlte sich in kaltes Wasser getaucht. Erschrocken flog er herum und sah sich unvermittelt vor einem eisernen Riesen mit schwarzem Umhang.
„Ich komme mit euch, Freunde“, sagte der Schwarze Ritter. „Als freiwilliger Kämpfer für den Glauben unseres Herrn Jesus Christus. Wir werden so viele Ungläubige zerschmettern, dass man mit ihrer Haut - na ja, ihr wisst schon.“ Nun schob er das Visier hoch und grinste die beiden Adligen aus einem bärtigen Gesicht heraus an. Dann zog er den Helm ab. Kurzes, pechschwarzes Haar und ein vernarbtes Gesicht ragten aus dem Blech. Er klemmte den Helm unter den linken Arm, legte William die Rechte auf die Schulter und packte brutal zu. William glaubte für einen Moment, in die Knie gehen zu müssen, doch blieb er standhaft und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Mit mir hast du nicht gerechnet, was? Hast du wirklich geglaubt, ich lasse dich ans andere Ende der Welt flüchten, Junge? Denk doch an das Duell.“ Er nahm seine Hand wieder runter und lachte laut. Es schallte schauerlich über die Themse. „Nun kommt schon. Rhodos und vor allem die Osmanen warten auf uns. Ich heiße übrigens Francis Townsend. Man nennt mich auch den Schwarzen Ritter.“ Seine Hand streichelte fast zärtlich den Griff des Schwertes. „Und das hier ist Darkmoore, mein bester Freund.“ Er lachte hart und ging davon, um das zweite Schiff zu betreten.
„Er konnte mich nicht einfach gehen lassen“, sagte William. „Er will mich töten, und er wird es tun. Irgendwann.“
Tomas widersprach nicht.
5. Die erste Etappe
Als die Galeeren fertig waren zum Auslaufen, tummelten sich an Bord eines jeden Schiffes fast 550 Personen wie Holzwürmer in einer Latte. Im Bauch der Galeeren bedienten je sechs Mann ein schweres Ruder. Die Sklaven und Verbrecher lungerten angekettet auf mit Segeltuch und Schaffellen belegten Holzbänken und warteten in sich gekehrt auf das Signal zum Rudern.
Der Kapitän hatte auf einer Terrasse im Heck Stellung bezogen und stemmte tatenfreudig die Fäuste in die Seiten. Dann rief er dem ersten Offizier den Befehl zu: „Rudern!“
Der Offizier nahm die Silberpfeife, die um seinen Hals baumelte, und blies hinein. Die beiden Unteroffiziere, die mit ihren Peitschen mittschiffs und am Bug standen, sorgten für die Ausführung des Befehls.
„Taucht die Hölzer ein!“
Sogleich senkten sich fünfzig Ruder wie eins in das ruhige Wasser der Themse. Dreihundert Leiber legten sich zurück, und das Schiff kam in Bewegung. „Wer an der London Brigde wieder ein Ruder zerbricht, wird den Kanal nicht mehr zu sehen bekommen“, brüllte einer der Unteroffiziere.
Die Galeeren steuerten auf die London Bridge zu. „Ruder beilegen!“ Das rhythmische, monotone Plätschern erstarb, die Hölzer hoben sich triefend aus dem Wasser und stellten sich fast senkrecht auf wie Zaunlatten. Gemächlich flossen die schlanken Schiffe durch die schmale Öffnung, und als die Brücke passiert war, tauchten die Ruder wieder ein, und die Galeeren gewannen an Fahrt. Noch waren die Männer frisch, und die Peitschen ruhten. Ohne Probleme erreichten die Schiffe den Ärmelkanal. Es blies nur ein schwacher Wind, und das Meer war ruhig. Doch die Brise war nicht stark genug, um die Segel zu straffen. Es musste gerudert werden. Die völlig nackten Männer hatten ein Bein am Stemmbrett abgestützt, das andere gegen die Vorderbank gedrückt. Gleichmäßig ruderten sie zu dem gemächlichen Takt, den ein Soldat auf einer Trommel schlug.
Zwei Lotsen standen beim Kapitän und versorgten ihn mit Ratschlägen.
William und Tomas hielten sich an Deck auf und beobachteten die erste Galeere, die etwa eine Seemeile vor ihnen fuhr. „Wie lange werden wir bis nach Rhodos unterwegs sein?“ fragte William.
„Etwa drei Monate“, sagte eine raue Stimme hinter ihm, und als er sich umdrehte, blickte er zu dem zerklüfteten Gesicht von Francis Townsend auf.
„Ihr wart schon einmal auf Rhodos?“ fragte William mit echtem Interesse.
„Oh ja, und zwar sehr lange“, antwortete Francis. „Ich kenne Rhodos wie meinen Magen. Ich war schon dabei gewesen, als die verdammten Ägypter 1444 die Insel vierzig Tage lang belagerten. Wir lehrten sie das Fürchten und hatten kaum eigene Verluste. Das unfähige Pack zog sich wie ein geprügelter Hund nach Alexandria zurück, und seitdem haben wir nichts mehr von diesen Feiglingen gehört. Ach ja: Wie heißt ihr beiden überhaupt?“
„Ich bin William, Sir, und das ist mein Freund Tomas.“
Tomas deutete eine Verbeugung an, zu wenig, um Respekt erkennen zu lassen, aber genug, um nicht als unverschämt zu gelten.
„Nennt mich einfach Francis, und lasst das verfluchte 'Sir' weg.“
„Danke“, sagte William. „Was habt Ihr auf Rhodos gemacht, Francis? Ihr seht nicht aus wie ein Johanniter.“
Der Riese kratzte sich an seinem schwarzen Bart, der von ein paar silbernen Fäden durchsetzt war. „Ich habe für den Orden gekämpft und hatte sogar einen hohen Posten im Konvent“, sagte er. „Doch dann wurde ich unehrenhaft entlassen, ausgestoßen. Man hat sich meiner entledigt, so wie man ein eitriges Geschwür aus gesundem Fleisch schneidet.“
„Man hat Euch ausgestoßen?“ fragte Tomas verwundert. „Warum?“
„Das ist eine lange Geschichte. Wollt ihr sie hören?“
„Haben wir nicht genug Zeit?“ fragte William.
Francis lachte. „Wir sind