Felix, der Erbe des Herrschers. Anne Düpjohann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Düpjohann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738060928
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die den Laden überfallen?

      Irgendwie hatte ich den Eindruck, ich befände mich in einem schlechten Film!

      Ich sah, wie die beiden direkt auf die Kasse zugingen, um die alte Dame, die sich ihnen in den Weg stellte, beiseite zu stoßen.

      Doch dann weiteten sich meine Augen vor Erstaunen, als ich sah, wie ungeschickt sie sich anstellten. Irgendwie schaffte es der größere der beiden nicht, an die ältere Dame vorbeizukommen, obwohl sie sich ihm im Grunde genommen nur in den Weg gestellt hatte. Es schien so, als prallte er gegen eine unsichtbare Mauer.

      Währenddessen beschäftigte sich der etwas kleinere Gauner vergeblich damit, Sachen in einem mitgebrachten Beutel zu verstauen.

      Jedes Mal, wenn er zupacken wollte, griff er ins Leere. Die Situation war so grotesk, dass ich mir ein Lachen nicht verkneifen konnte.

      Allerdings fragte ich mich doch, was mit den beiden los war, dass sie nicht in der Lage waren, ihren Plan auszuführen.

      Nachdem die beiden festgestellt hatten, dass ihre Bemühungen vollkommen zwecklos waren, ergriffen sie die Flucht.

      Vorsichtshalber hielt ich ihnen die Tür auf, damit sie nicht zu allem Überfluss noch in ihrer Tollpatschigkeit in die Scheibe stürzten.

      Die alte Dame und ich schauten uns an und wir schüttelten den Kopf. Soviel Dummheit und Ungeschicklichkeit entschärfte die eigentlich ernsthafte Lage.

      Obwohl das Ganze recht komisch war, fragte ich mich doch beklommen, was die Ursache ihres seltsamen Verhaltens war. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl. Ich konnte es mir selbst nicht erklären wieso, aber in meinem tiefsten Inneren sagte mir eine leise Stimme, dass es noch viel schlimmer werden wird. Bei diesem entsetzlichen Gedanken begann mein Herz aufgeregt zu pochen. Ich beruhigte mich und sagte mir, dass ich mir das alles nur einbildete. Doch dann drängten sich wieder die Bilder von heute Morgen am Krankenhaus im Vordergrund, dabei hatte ich sie halbwegs erfolgreich verdrängt. Eine Gänsehaut jagte über meine Arme. Was passierte hier bloß? Ich beruhigte mich, indem ich mir sagte, dass das sicherlich alles nur reiner Zufall sei. Wobei mein Gefühl vehement dagegen protestierte.

      Ich atmete tief ein und schaute die alte Dame an. Sie schien relativ gelassen zu sein.

      Da nun keine Gefahr mehr drohte, hob ich grüßend die Hand und setzte meinen Weg fort.

      Meine Gedanken waren allerdings noch bei der alten Dame und den verhinderten Ganoven.

      Die gespenstische Ruhe, die mich umgab, gepaart mit fast menschenleeren Straßen und Gassen, erinnerte mich an den letzten Horrorfilm, den ich gesehen hatte. Da bot sich den Zuschauern ein ähnliches Bild. Der Unterschied bestand allerdings darin, dass im Film ein wahnsinniger Mörder sein Unwesen trieb und sich keiner mehr auf die Straßen traute. Trotzdem lief mir ein Schauer den Rücken herunter und ich wünschte mir, ich wäre zu Hause oder in der Redaktion, umgeben von Leuten und Normalität.

      Ich trat kräftig in die Kette und erreichte nach einer halben Stunde mein Ziel. Ich hoffte inständig, dass Peter, mein Arbeitskollege, Zuhause war. Gott sei Dank hatte er eine Erdgeschosswohnung, sodass ich herumgehen und durch die Scheibe sehen konnte, und mich gegebenenfalls bemerkbar machen konnte, falls er da war.

      Zu meiner großen Erleichterung sah ich ihn im Wohnzimmer sitzen, das Gesicht in die Hände gestützt. Ich zappelte und hopste vor dem Fenster hin und her, bis er den unruhigen Schatten bemerkte.

      Er schaute hoch und sah mich traurig an. Ich bedeutete ihm, mir zu öffnen. Er nickte und stand auf. Blass öffnete er mir die Tür und deutete auf seine Ohren.

      Da er mir damit nichts Neues erzählte, schrieb ich mein Anliegen gleich auf meinem Block, doch er schüttelte nur den Kopf.

      Wieder schrieb ich in kurzen Worten, was geschehen war. Seine Augen weiteten sich und ich bemerkte eine gewisse Erleichterung, die sich bei ihm breit machte.

      Er nahm meinen Block und antwortete mir, dass er mitkommen würde, er sich aber nur rasch umziehen wolle.

      Zu zweit radelten wir zu unserem nächsten Kollegen Dennis. Gottlob wohnte er nur einen Steinwurf weit von Peter entfernt. Allerdings hatten wir hier kein Glück. Er wohnte in der zweiten Etage und wir hatten nicht die leiseste Idee, wie wir uns bemerkbar machen konnten. Glücklicherweise verließ zufällig jemand das Haus, sodass wir hineinschlüpfen konnten, um ihm eine Nachricht zu schreiben, die wir dann unter die Tür schoben.

      Klaus Becker, der vierte im Bunde, wohnte einige Straßen von meiner Wohnung entfernt. Dort war vor einigen Jahren ein Neubaugebiet entstanden, in welchem er sich eine Doppelhaushälfte gebaut hatte. Seine Frau hatte in dem hier ebenfalls entstandenen Kindergarten Arbeit gefunden, nachdem sie einige Jahre Auszeit wegen ihren beiden Kindern genommen hatte. Inzwischen gingen die beiden aber in die Grundschule, sodass sie wieder angefangen hatte, zu arbeiten.

      Leider trafen wir auch dort niemanden an, hinterließen aber ebenfalls eine Nachricht und fuhren dann zur Redaktion zurück.

      Als wir an der Polizeistation vorbeikamen, bemerkte ich, dass dort nun ein reger Betrieb herrschte. Daher entschloss ich mich, noch einmal vorstellig zu werden, um zu versuchen, etwas in Erfahrung zu bringen.

      Ich deutete dies meinem Kollegen an.

      Er nickte und zeigte auf die Redaktion und signalisierte mir, dass er gleich ins Büro gehen wolle.

      Ich zweifelte zwar, dass ich viel Erfolg haben werde – aber:

      “ Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, dachte ich mir und betrat entschlossen das Polizeigebäude.

      Im Gegensatz zu heute Morgen, herrschte eine emsige Betriebsamkeit. Ich beschloss, mich an Herrn Wolfmann zu wenden. Vielleicht bekam ich ja was aus ihm heraus.

      Ich zückte meinen Block und setzte mich auf einen der Stühle, die im Flur des Polizeigebäudes standen. Ich überlegte, welche Fragen ich ihm stellen konnte.

      Nachdem ich etliche notiert hatte, steuerte ich sein Büro an und öffnete die Tür.

      Klopfen machte ja nicht wirklich Sinn!

      Er saß vor seinem Rechner und starrte so konzentriert auf seinem Bildschirm, dass er mich nicht bemerkte.

      Ich begann mit meinen Armen hin und her zu winken, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.

      Nach einiger Zeit gelang mir das auch und er starrte mich etwas verwirrt und fragend an.

      Ich legte ihm meine schon vorgeschriebenen Fragen auf dem Tisch.

      Erstaunt schaute er erst auf meinem Block und dann auf mich.

      Ich ergänzte den Text durch die Erklärung, dass ich bei der Zeitung gleich nebenan arbeitete. In seinem Kopf ging gerade ein Kronleuchter an und er nickte begreifend.

      Dann winkte er mich heran und wir kommunizierten, wie am Morgens, per PC.

      Etwas erstaunt wollte er wissen, warum ich ihn nicht sofort beim ersten Besuch darauf aufmerksam gemacht habe, dass ich bei einer Zeitung arbeiten würde. Ich zuckte mit den Schultern und schrieb, dass es sicherlich dem Schock zuzuschreiben sei, den ich bei dem morgendlichen Erlebnis bekommen hatte. Verständnisvoll nickte er und schrieb, dass es gut sei, dass sich endlich jemand von der Presse bei ihm meldete, damit die Öffentlichkeit über einige Sachen informiert werden könnte.

      Ich nickte und er schrieb dann, unsere Zeitung solle die Bevölkerung darauf hinweisen, dass sich im Moment so eine Art Virus ausbreitet, der Gehörlosigkeit verursachte.

      Die Bürger sollten die Ruhe bewahren, denn es würde mit Hochdruck nach der Ursache geforscht.

      Bis ein Resultat vorlag sollte die Bevölkerung versuchen - soweit es möglich war, ihren Alltag mit der gewohnten Normalität zu bewältigen.

      Ich versprach, sofort mit meinem Chef darüber zu sprechen oder besser gesagt zu schreiben, um dann einen entsprechenden Artikel in die nächste Ausgabe zu setzen.