Das unglaublich unglaubwürdige Leben des Hannemann. Hans-Dieter Heun. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Dieter Heun
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742728463
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möglicherweise den geliebten Schatten hinter ihren Gardinen zu erspähen. Hatte die Tante genügend Morgentrunk intus, rollte sie sich – angeblich um ihr schon aufgeschütteltes Bett zu schonen und ihn bei den Hausaufgaben zu überwachen – auf seiner Bettcouch zu einem Mittagsschläfchen zusammen. Alle Kanadier halten Siesta, so sagte sie. Der lila Morgenmantel blieb dabei nachlässig offen.

      Drei Tage dauert es, bis Hannemann in völliger Verwirrung wagte, seinen Drehstuhl und seine Augen in ihre Richtung zu wenden. Sie schlief ahnungslos ihm zugewandt. Also durfte er endlich sehen, worüber seine Schulfreunde und er bereits so oft gegrübelt hatten: Weiber-Brüste besaßen keine schwarzen Balken wie die Fotos von seinem Vater in der Nachttischschublade, sondern Brustwarzen wie er auch. Allerdings rosa mit ziemlichen Nippeln, die steil nach oben standen und leicht zitterten. Und da war auch nicht das geheimnisvolle dunkle Loch in ihrem flachen Bauch, in das ein Mann sein Ding stecken konnte – wie ein falscher Freund behauptete –, sondern weiter unten in einer Art Dreieck nur ein Haufen gekrauster Locken. Sonst nichts. Aber eigenartig, diese Locken, die halb entblößte Haut der unschuldig schlafenden Frau weckten prompt ein Schwellen, ein drängendes Pochen in seiner Hose, ein irres Fühlen, für das er sich sogleich ordentlich katholisch schämte. Hannemann bekam rote Ohren, strebte hastig zur Toilette, wo er nicht mehr lange hantieren musste.

      Tante Ute die Gute lächelte in ihren Nachmittagsträumen.

      Hannemann erinnerte sich, er wollte weiterhin nur mit Ingrid in ihrer weißen Hemdbluse und dem blauen Schulmädchenrock durch den Innenhof radeln. Doch sie bemerkte schlichtweg nicht, wie er gerade derart süß gequält wurde, ließ ihn allein in seinem schwülen Sumpf. Seine einzige Liebe kämpfte nicht um ihn, trug also Mitschuld an dem unausweichlich Kommenden. Hätte er jedoch mit dem Funkturm Gottes über diese Versuchung gesprochen, wären Ohrenbeichte und ein unerwünschter Hausbesuch die kaum zu umgehenden Folgen gewesen. Und die nackten brasilianischen Indio-Heiden würden vermutlich in alle Ewigkeit nicht von der Notwendigkeit des Kreuzes und des Büstenhalters überzeugt werden.

      Damit war es jener sechste Tag, Samstag, geworden. Tante Ute sprach am frühen Abend: „Darling, es ist Zeit für dein Bad. Ich habe dir bereits heißes Wasser einlaufen lassen. Spring in die Wanne, weiche dich ein. Ich komme dann und wasch dir den Rücken."

      Was hätte Auflehnung bedeutet, wo er gar nicht aufbegehren wollte? Wohl nur den Tadel einfangen, er solle sich nicht so anstellen, schließlich hätte sie bereits mehr Kinder gewaschen. Und außerdem sehnte er sich ja danach, aufgeregt, zitternd, erregt. Hoffentlich gab es genügend Schaum, den er über seine bereits steife Latte anhäufen konnte.

      „Bist du soweit?"

      Verdammt, seine Stimme, sich räuspern: „ Ja.“

      „Okay, ich komme rein."

      Tante Ute schloss die Tür hinter sich, um die Wärme des Kohlebadeofens nicht entweichen zu lassen. Wie gewohnt hing der Gürtel ihres lila Morgenrocks locker um die Taille, ihr nackter voller Busen drängte kaum gebremst ins Freie.

      Lächelte sie etwa über sein erhitztes rotes Gesicht? Er wollte wegschauen, schaffte es nicht. Seine Tante streifte einen Waschlappen über ihre rechte Hand, zog den weichen Frottee kurz durch das heiße Wasser, seifte ihn mit der teuren Palmolive, setzte sich dann auf den Badewannenrand und gab ihre runden Knie frei. Es war fast schon zu viel. Hannemann sah die Knie mit großen Augen an, zitterte und fror in der Wärme. „Beuge dich vor." Sie rieb erst seinen Rücken mit kräftigen Kreisen, danach, niemals erwartet, Brust nebst Bauch. Er konnte sehen, wie sie mit schneller Zunge einen kleinen Schweißtropfen fing, der von ihrer Nase perlte, bevor sie mit dem Handschuh Wasser über seine feuerrote Haut schöpfte. „Jetzt die Beine." Ihre Stimme klang heiser dunkel. Willenlos rutschte Hannemann mit dem Po über den Wannenboden nach hinten und streckte sein linkes Bein in die Luft.

      Tante Ute begann mit den Zehen, massierte die kleinen Glieder mit seifigem Schaum. Als sie den Lappen ins Wasser warf, mit schlüpfrigen Fingern in die Zwischenräume drang, war er machtlos. Es bäumte ihn auf, und sein Schniepel stieß wie ein Düsenjäger durch die Badewolken.

      „Ja, wen haben wir denn da?" Sie flüsterte, ihre Finger strichen schnell über den Schenkel nach oben. Sein glühender Körper hielt krampfhaft die Spannung, streckte sein Ding sehnsüchtig ihrer Hand entgegen. Hoffentlich, bitte! Zeige-, Mittelfinger und Daumen griffen mit sanftem Druck ... Aus und vorbei: Es zerriss ihn, Milch schoss ins warme Badewasser.

      Das plötzliche Ende schürte wilde Wut, zwang Tränenströme unter die Augenlider. Erstickendes Schluchzen beutelte seinen mageren Körper. Tante Ute aber lachte nicht, wie er befürchtete. Sie hatte verstanden. „Komm mein Großer, war es denn nicht schön?"

      Sie half ihm aus der Wanne, hüllte ihn in ein weiches vorgewärmtes Badetuch, hielt ihn eng an sich gedrückt und rieb ihn mit der Linken trocken. Dann trat sie einen Schritt zurück, ließ das Tuch einfach zu Boden gleiten und führte ihn an der Hand in sein Zimmer. „Leg dich hin."

      Hannemann fühlte die kühle Glätte eines frischen Lakens unter seinem Rücken. Erneut lief ein angenehmer Schauer über seine Haut. Ute – sie war alles, nur nicht mehr Tante – kniete neben der flachen Couch, nahm seinen Kopf zwischen ihre warmen Hände und küsste zart seine feuchte Stirn. Er atmete ganz flach, schloss seine Lider, presste, weil er mit ihnen nichts anzufangen wusste, seine Arme auf das Laken, spürte plötzlich ihre vollen Lippen auf den seinen und wie eine feuchte Zungenspitze mit ihnen spielte.

      Doch er kannte noch keine Antwort.

      „Schau mich an mit deinen schönen braunen Augen."

      Er wagte die Blicke, es brannte nur eine Kerze auf seinem Nachttisch. Er sah im sanften Kerzenschein, wie seine Ute aufstand, ihren Gürtel öffnete und aus dem lila Morgenmantel schlüpfte.

      Hannemann nahm den schimmernden Körper wahr, die rosa Nippel an ihren Brüsten, den Nabel in ihrem Bauch und das geheimnisvolle haarige Dreieck. Aber er merkte auch, wie sie ihn ausforschte und bald zufrieden schien. Denn dieses beglückende Pulsieren wirkte erneut, ließ seine Stimmung ruckartig steigen. Ute lächelte, nicht verletzend, sondern schnurrend wie ein Kätzchen vor einem wärmenden Feuer und setzte sich rittlings auf seine Beine. Gänzlich ungezwungen fasste sie seinen Schwanz und legte ihn an ihren Bauch, wo er sich sichtlich wohl fühlte. Sogleich zu voller Pracht aufstieg.

      Was nun, was würde jetzt geschehen?

      Ute beugte sich vor, ließ ihre steifen Nippel mit seinen Brustwarzen spielen. Reflex: Die Arme hoben sich vom Laken, seine Hände fassten und kneteten ungeschickt festfleischige Halbkugeln, während das wohlige Drängen immer stärker wurde. Sie begann, ihre Hüften zu drehen, wand sich, rieb sich an seinen festen Schenkeln, ließ kleines klagendes Keuchen hören. – Hoffentlich tat sie sich nicht weh.

      Es war unbeschreiblich schön für ihn, er war nur noch Fühlen und wollte, ihr Spiel solle niemals enden. Doch auf einmal hielt sie inne, sah ihn mit seltsamen Augen fragend an. Warum, hatte er etwas falsch gemacht? War er zu ungeschickt, würde Ute gar gehen? Er würde für immer gebrochen sein, das wusste er damals mit absoluter Sicherheit, wenn sie ihn in seinem Zustand allein ließ.

      Mit einem lauten Stöhnen warf Ute den Kopf zurück, nahm seinen Schwanz erneut zwischen ihre Finger, hob das Becken und führte ihn ein in etwas wunderbares Feuchtes, das nur für ihn allein geschaffen schien. Er füllte es aus, und Ute begann, sich zu bewegen.

      Nach jenem Abend und jener Nacht – sie schliefen zusammen, forderten sich bis zur Erschöpfung – änderte Tante Ute ihr Verhalten. Sie erwartete ihn frisch und mädchenhaft gekleidet, wenn er vom Gymnasium kam, und er zeigte ihr sein München. Doch wann immer sie sich unbeobachtet wähnten, schmusten sie, liebten sie sich: In den grünen Isarauen, im schummrigen Bergwerk des Deutschen Museums, im hohlen Kopf der Bavaria. Und in den von beiden heiß ersehnten Nächten lehrte ihn Ute – die Gute, Utilein, Schneuzelchen – die Spielarten des Küssens, sowie den Körper nebst den Geschmack einer Frau und all die anderen Dinge zu tun, welche die Weiber erfreuen.

      Ute vergaß ihn nicht, und ihre Veränderung hielt an. Zurück in Kanada entsagte die lehrreiche Tante dem Alkohol und ebenso der geschlechtlichen Liebe. Sie tat Gutes, half und gab reichlich den