Schmutzige Hoffnungen. Myron Bünnagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Myron Bünnagel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738029437
Скачать книгу

      Ray sah über die Schulter zum Haus zurück, als sich der Wagen in Bewegung setzte. Für einen kurzen Moment glaubte er, ein Gesicht an einem der oberen Fenster zu sehen. Ein blasses und ernstes Gesicht.

      „Unser Feld liegt etwa vier Meilen von hier, aber wir müssen einen Umweg fahren, um mit dem Wagen nah heranzukommen“, erklärte Ira und Ray wandte ihr seine Aufmerksamkeit zu.

      Der Pick-up rumpelte langsam über die staubige Straße. „Beizeiten wollen wir die Zufahrt asphaltieren lassen, aber momentan fehlt dazu das nötige Geld.“ Sie zogen eine hellbraune Staubwolke hinter sich her. Links und rechts reihten sich einige spärliche Bäume auf. „Die Vorbesitzer haben sie gepflanzt, um einen Sichtwall zu bekommen, aber die Bäume lassen sich Zeit damit. Hier draußen wächst nichts außer Gras und Dornensträuchern“, seufzte Ira.

      Durch die unruhige Fahrt rutschte sie auf ihrem Platz herum. Gelegentlich berührten sich ihre Knie, aber Ray konnte nicht sagen, ob von ihrer Seite Absicht dahinter steckte.

      Sie deutete nach links: „Das ist das Anwesen der Marchs, Donalds Familie. Wohnen seit drei Generationen hier und besitzen viel Land. Der alte March ist durch Öl reich geworden und jetzt zehren sie von seinen Ersparnissen.“ Ray nahm ihren zarten Pfirsichduft wahr und bemühte sich, ihren Worten zu folgen. In einiger Entfernung, einsam inmitten einer unebenen Grasfläche, stand ein rosafarbenes Landhaus. Dahinter zeichneten sich die Ausläufer der Red Hills ab.

      Sie erreichten die Straße und bogen nach Osten ab, weg von Ashland. Nichts als Hügel, zumeist braun oder rostrot, und Gras bewachsene Ebenen. Dazwischen das glitzernde Band der Straße, das sich in der flimmernden Ferne verlor.

      „Etwas einsam hier“, meinte Tony. „Die nächste größere Stadt ist Dodge City. Da gibt es einmal die Woche Kino und ein Konzert am Samstag.“

      In der Ferne tauchten kleine Türme auf den braunen Feldern auf. Auch auf diese Entfernung erkannte Ray, dass es Förderanlagen waren. „Dahinten liegt das alte March-Ölfeld. Die Förderung wurde vor sieben oder acht Jahren aufgegeben. Die Anlagen rosten vor sich hin.“ Ira strich nachdenklich über ihre Oberschenkel, die sich fest und glatt unter der engen Hose abzeichneten.

      Nach etwa fünf Meilen verließen sie die Hauptstraße und bogen in einen kaum erkennbaren Feldweg ab. Der Pick-up holperte und schaukelte über Schlaglöcher, eine dichte Staubwolke hüllte sie ein. „Pferde sind hier draußen ideal, aber Jasper hat immer nur davon gesprochen, welche anzuschaffen. Irgendwie ist es nie dazu gekommen. Mir recht, ich kann ohnehin nicht reiten.“ Ira zwinkerte Ray zu, die blonden Strähnen tanzten auf ihrer Stirn.

      Sie fuhren etwa drei Meilen. Die Red Hills rückten immer näher, wuchsen aus der Grasebene heran. „Näher geht es nicht“, erklärte Tony und hielt an.

      Ray sprang aus dem Wagen und half Ira beim Aussteigen. Sie drückte kaum merklich seine Hand und sah ihn an, als sie neben ihm stand. Ihr Gesicht war gerötet, die Fahrt hatte sie alle durchgeschüttelt. Sie zupfte ihre Frisur zurecht und nahm erst die Augen von ihm, als Tony um den Pick-up herum gestapft kam.

      Vor ihnen erstreckten sich die Red Hills, rostbraune, mit trockenem Gras bewachsene Hügel, die aussahen, als hätten dämonische Hände ihre Fingernägel hineingegraben und sie zerrissen. Ein schwerer, warmer Wind strich über sie hinweg, während sich am Himmel dünne Wolken wie ein Wellenmeer ausbreiteten.

      „In diese Richtung liegt unser Haus, aber man kann es von hier nicht sehen. Kommen Sie, Ray, wir zeigen Ihnen die Felder.“ Tony deutete mit der Hand nach Südwesten, dann ging er auf einen Hügel zu.

      Ira blickte ihm missmutig nach, seufzte und lächelte: „Kommen Sie, Ray.“ Einen Augenblick sah es so aus, als wollte sie ihm den Arm anbieten, aber dann entschied sie sich anders und ging langsam neben ihm her. Er ergriff seine Tasche und sie folgten Tony über die rötliche, trockene Erde.

      „Jasper hat viel Geld und Hoffnungen in dieses öde Fleckchen Land gesteckt, Ray. Ich wünschte mir so sehr, dass er sich nicht getäuscht hat.“

      Das Trio erstieg einen kleinen Hügel und hielt an. „Das ist es“, hauchte Ira. Sie stand zwischen den beiden Männern und blickte in die Ferne.

      Vor ihnen erstreckte sich ein unebenes Tal, eingefasst von zerkratzten Hügeln und weiten Grasflächen, dazwischen, gleich erkrankten Stellen, steinige rote Erde. Sie schwiegen einige Zeit, als laste die Einsamkeit der Landschaft auf ihnen.

      „Was meinen Sie, Ray?“, fragte Tony und tupfte sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn. Er bewegte sich langsam und vorsichtig voran, sorgsam darauf bedacht, seine helle Hose nicht zu verschmutzen. Und es gelang ihm tatsächlich, dem Staub zu entgehen, nur der Glanz seiner Schuhe hatte gelitten.

      Ray antwortete nicht, sondern ließ die beiden stehen und wanderte ins Tal hinab. Vom Fuß des Hügels aus ging er etwa fünfzig Meter weit, dann blieb er reglos stehen, die Augen auf den Boden geheftet. Zwischen dem Gras wuchsen spärliches Heidekraut und ausgetrocknete Sträucher.

      Schließlich ging Ray in die Hocke und grub seine Finger in die trockene Erde, füllte seine Hand damit und zerrieb sie zwischen den Fingern. Dann schnupperte er daran, sog ihren Geruch ein, als wäre es alter, teurer Wein. Wieder verharrte er, die Augen halb geschlossen.

      Die beiden anderen kamen langsam zu ihm herunter, blieben erwartungsvoll hinter ihm stehen. Ray ließ die restliche Erde langsam zwischen seinen Fingern hindurchrinnen.

      Als er sich erhob und umdrehte, hing Iras Blick an seinen Lippen. „Was ist es, Ray?“, fragte sie angespannt. Tony fuhr sich nervös mit der Zunge über die weißen Zähne.

      „Es riecht nach Öl“, antwortete Ray.

      Der andere Mann lächelte unter seinem dünnen Bärtchen, aber es wirkte in der Hitze mehr, als blecke er die Zähne.

      Ira ergriff die von Erde verschmutze Hand, hob sie langsam an ihr Gesicht und roch zögerlich an seinen Fingerspitzen. „Sind Sie sicher, Ray?“ Der Druck ihrer Hand war fest und heiß.

      Er nickte: „Es riecht nach Öl. Aber erwarten Sie noch nichts. Ohne genaue Untersuchung kann sich Ihre Hoffnung auch in schale Luft verwandeln.“

      Tony schien ihn nicht zu hören. „Öl!“, flüsterte er vor sich hin. Seine Augen glitzerten fiebrig.

      „Oh, Ray. Das wäre so wundervoll.“ Ira ließ seine Hand los.

      Er sah sie ernst an: „Fangen Sie nicht unnötig an zu träumen, Ira. Der Duft nach Erdöl hat schon viel falsche Hoffnung genährt. Diese Gegend hier gilt als ausgetrocknet, da wäre es ein kleines Wunder, wenn wir hier auf unangetasteten Reserven stehen würden.“

      „Aber Jasper war sich sicher …“

      Ray zuckte die Schultern: „Warten wir es ab. Ich nehme mir ein paar erste Proben mit, dann muss ich mich an die Karten und Gutachten setzen.“

      Er kniete sich wieder hin, öffnete die Reisetasche und entnahm ihr eine kleine Kiste und zwei Glasfläschchen. Sorgfältig füllte er etwas Erde in die Flaschen und Steine in die Schachtel. „In Ordnung.“

      „Dann lassen Sie uns Heim fahren.“ Ira lächelte ihn an.

      „Ich muss mich ohnehin bald auf den Weg nach Dodge City machen“, meinte Tony.

      Sie gingen zum Wagen zurück, jeder in seine Gedanken vertieft. Die Sonne hatte sich über die Hügel erhoben und verbreitete eine trockene, flirrende Hitze. Das ausgedörrte Gras protestierte unter ihren Schritten.

      Tony brachte den Pick-up wieder auf die Hauptstraße Richtung Ashland. Es herrschte kaum Verkehr. Der kühle Fahrtwind drang durch die Fenster herein, zerrte an Haaren und durchschwitzter Kleidung.

      Als sie in die Einfahrt zum Reed-Anwesen einbogen, kamen sie an Cora und Donny vorbei. Der Dalmatiner Dot sprang um sie herum, während sie in ein Gespräch vertieft waren.

      „Arbeitet dieser Junge nicht?“, knurrte Tony.

      „Was regst du dich auf, Tony? Er ist doch noch ein Junge. Und seine