Schmutzige Hoffnungen. Myron Bünnagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Myron Bünnagel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738029437
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Morgen, Ray. Setzen Sie sich, frühstücken Sie mit mir.“ Das Esszimmer war hell und weitläufig. Die Tapete trug einen kaum merklichen Gelbton zur Schau. Vor den hohen Fenstern hingen mit Spitze besetzte Gardinen. Über einer kleinen Teakholzkommode protzte ein wuchtiges Landschaftsgemälde mit seinen herbstlichen Farben, kleinere Geschwister von ihm verzierten den Rest der Wände. Herzstück des Zimmers war eine lange Tafel, auf der silberne Kännchen und Schälchen neben weißem Geschirr standen. In einer Nische führte ein Durchgang zur Küche, aus der leiser Lärm zu hören war.

      Tony Hull saß allein am Tisch, einen Teller mit belegten Broten und Rührei vor sich, eine aufgeschlagene Zeitung in der Hand. Sein Gesicht hatte wieder Farbe gewonnen und sein Mund unter dem dünnen Bart lächelte zufrieden. Er trug eine helle Hose, ein weißes Hemd und einen mit blassbraunen Karos verzierten Pullunder. Seine braunen Schuhe waren auf Hochglanz poliert. „Setzen Sie sich wohin Sie wollen. Penny wird Ihnen gleich Ei bringen. Trinken Sie Kaffee, Ray?“

      Ray nahm schräg gegenüber von Tony Platz. Während der andere ihm Kaffee in eine zerbrechliche Tasse eingoss, tauchte aus der Küche ein blasses, kantiges Mädchen auf, gekleidet in ein schwarzes Kleid und eine weiße Schürze. Sie lächelte unbeteiligt und schaufelte ihm Rührei auf den Teller. Dann rückte sie ihm Butterschale und Brotkorb zurecht und verschwand wieder in die Küche.

      „Die gute Seele des Hauses. Sie hilft Ira im Haushalt“, erklärte Tony und schob sich eine Gabel voll Ei in den Mund.

      Ray begann langsam zu essen. „Mit Ihrem Magen wieder alles in Ordnung?“

      Hull lächelte und klopfte sich mit der Hand auf den Bauch. „Ja, nichts, was ein paar Stunden Schlaf nicht kurieren konnten. Sie sind mir doch nicht böse wegen gestern Nacht?“

      „Warum sollte ich Ihnen böse sein, Tony?“

      Während seiner Antwort wedelte er unruhig mit der Hand: „Weil uns dieser verdammte Fuchs fast in den Graben befördert hätte. Ich hätte ihn überfahren sollen.“

      „Schon in Ordnung. Ich mag Füchse, insofern bin ich froh, dass Sie ihn nicht überfahren haben.“

      Tony sah in einen Augenblick lang irritiert an. „Ein Tierfreund, was? Trotzdem, ich bin ein ausgezeichneter Fahrer, Ray, wirklich. Ich fahre viel und gut.“

      „Schwamm drüber. Wo sind denn alle?“

      Der andere war einen Moment lang in Gedanken vertieft: „Ich kann Füchsen nichts abgewinnen. Die übertragen doch Tollwut, oder nicht? Ira steht immer etwas später auf und Cora lässt das Frühstück zumeist ganz aus.“

      Sie aßen einige Zeit schweigend, nur von Pennys leisem Lärmen in der Küche und dem Rascheln der Zeitung begleitet. Als er zu Ende gelesen hatte, faltete Tony das Blatt sorgfältig und legte es neben sich auf einen Stuhl. „Sie wollen heute sicherlich hinausfahren, nicht wahr, Ray? Sich das Land anschauen, stimmt es nicht?“

      Ray nickte und trank seine Tasse leer: „Das wäre sinnvoll.“

      „Wenn Sie wollen, begleite ich Sie und Ira. Ich habe den Mittag über nichts zu tun und muss erst gegen drei Uhr nach Dodge City.“

      „Arbeit?“

      Tony nickte und strich sich mit einem Finger sorgsam den Bart glatt. „Ich bin Handlungsreisender, verstehen Sie? Für ein großes Unternehmen. Ich verkaufe Waschmittel an Ladenketten.“

      „Waschmittel?“

      Ein Lächeln erschien unter dem dünnen Oberlippenbart: „SunTop – Wäsche wie ein Sommermorgen. Vielleicht kennen Sie unsere Werbeplakate? Die hübsche Mutter im strahlend weißen Kleid, das Baby auf dem Arm, vor einer aufgehenden Sonne.“

      „Bedaure.“

      „Nicht schlimm. Da kommt Ira.“ Die Tür zum Speiseraum öffnete sich und Ira Reed trat ein.

      Sie trug eine enge Kombination, einem Reitdress nicht unähnlich, mit hellbrauner Hose und weißer Bluse. Ihr blondes Haar war nach oben gesteckt, aber einzelne Haarsträhnen tanzten in ihrer niedrigen Stirn.

      „Wie ich sehe, sind die Herren der Schöpfung schon wach.“ Ihre Stimme klang träge, nach Schlaf und sterbenden Träumen.

      „Guten Morgen, Ira.“ Tony winkte ihr zu, aber sie sah Ray an.

      „Guten Morgen, Ray.“ Sein Name kam ihr mit leichtem Zögern über die Lippen, aber in ihren Augen lag ein warmes Funkeln.

      Er nickte ihr zu: „Guten Morgen, Ira.“

      Sie kam zum Tisch und setzte sich neben Tony. „Haben Sie gut geschlafen, Ray?“

      „Wie ein Baby.“

      „Das freut mich.“

      „Willst du Kaffee, Ira?“

      „Ja, bitte, Tony.“ Das Mädchen erschien mit dem Ei und frischem Brot. Ira aß ein paar Happen, dann stocherte sie lustlos in ihrem Frühstück herum.

      „Tony meint, er würde uns auf das Ölfeld begleiten“, sagte Ray.

      „Tut er das?“ In Iras Stimme schwang ein leicht ironischer Unterton mit. „Na, von mir aus.“ Sie sah erst Ray, dann Tony an.

      „Aber klar, Ira. Ich war ja auch nur auf ein oder zwei kurze Stippvisiten dort. Eigentlich wollte ich die Hintertür streichen, aber ich muss erst neue Farbe aus der Stadt holen.“

      „Tony kümmert sich ein wenig um das Haus, müssen Sie wissen, Ray. Er ist nicht ungeschickt dabei. Nur seit er diese wetterfeste Farbe entdeckt hat, möchte er am liebsten alles damit anstreichen.“

      „Jetzt übertreibst du aber, Ira.“ Tony lächelte verschmitzt.

      „Meinst du?“ Ira zuckte mit den Schultern. „Wollen wir gleich nach dem Frühstück los, was meinen Sie, Ray?“ Wieder spielten ihre Lippen mit seinem Namen, strichen darüber, sehr langsam.

      „In Ordnung. Am Nachmittag würde ich mir dann gerne die Karten und Unterlagen ansehen.“

      „Aber ja, die laufen doch nicht fort.“ Sie lachte, ein heller, weicher Ton.

      „Von mir aus können wir los“, meinte Ray und trank seinen Kaffee aus.

      „Großartig. Fährst du den Pick-up vor, Tony?“

      Sein Lächeln war ein wenig gezwungen. „Mach ich, Ira. Aber ich bin nicht dein Dienstbote, vergiss das nicht.“ Seine Stimme blieb ruhig, dennoch klang ein schneidender Ton darin an.

      Ira sah ihn einen Moment herablassend an, dann verschwand das Lächeln von ihren Lippen und sie mied Tonys Blick. „So war das doch nicht gemeint“, sagte sie leise.

      „Gut. Ich will nur eben noch nach dem Stromzähler sehen. Wir treffen uns am Wagen.“ Tony erhob sich, nickte dem anderen Mann zu und verließ das Zimmer.

      Ray, der so getan hatte, als wäre ihm die Unstimmigkeit zwischen dem Paar entgangen, stand ebenfalls vom Tisch auf.

      „Tony bastelt immer am Stromzähler herum. Das Ding funktioniert nicht richtig, schon seit wir es bekommen haben. Aber er kriegt es einfach nicht hin.“ Sie betonte die Worte, als wären sie eine Erklärung für die Auseinandersetzung. Ihr Blick blieb unverwandt auf ihren Teller gerichtet.

      „Ich werde noch ein paar Sachen holen, dann können wir los.“ Ray ging hinaus.

      Als er zum Wagen kam, warteten Tony und Ira bereits auf ihn. Die schlechte Stimmung zwischen ihnen schien verflogen. „Ah, da sind Sie ja endlich. Werfen Sie Ihre Tasche hinten drauf und steigen Sie ein.“

      Ray legte eine kleine, abgewetzte Reisetasche auf die Ladefläche und stieg auf der Beifahrerseite ein. Tony war hinter das Steuer geklettert und ließ den Motor an. Ira saß in der Mitte, die Hände in den Schoß gelegt. Als er sich setzte, bemerkte er den Umriss ihrer Brüste, die sich groß und fest unter dem weißen Blusenstoff abzeichneten. Ihre Augen streiften ihn und sie lächelte kurz, als hätte sie seinen Blick gespürt.

      „Dann