Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: T. von Held
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742763129
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Frau fort, als wilde Tiere an ihre Wohnung herankamen

       und den Hasen, der sehr erschrocken war, nach

       den Namen der Kinder fragten, die er bewachen sollte.

       Der Hase gab Bescheid und bat unter Tränen, daß

       die Tiere fortgehen sollten, ohne ihm oder den Kindern

       ein Leid zu tun. Da gingen sie denn auch fort.

       Aber nach wenigen Minuten kehrte zu des Hasen

       nicht geringem Schrecken das größte und fürchterlichste

       der Tiere zurück, nannte sich einen Häuptling und

       fraß die Kinder alle auf, weil es fürchtete, man würde

       seine Würde nicht anerkennen, wenn er dem Flehen

       eines Hasen Gehör schenkte.

       Als die Frau nach Hause kam und der Hase ihr erzählte,

       was vorgefallen war, wurde sie erst sehr traurig,

       dann aber über alle Maßen zornig. Sie nahm zwei

       Eisenstücke, wetzte sie, bis sie ganz scharf und spitz

       wurden, und ging in den Wald, um Holz zu schneiden

       und ein großes Feuer zu machen; das sollte die Tiere

       des Waldes vertilgen.

       Es begegnete ihr aber der Häuptling der Tiere, der

       verschluckte sie. Da sie nun im Inneren des Ungeheuers

       war, fand sie dort alle ihre Kinder unversehrt vor.

       Sie waren sehr hungrig und baten ihre Mutter, ihnen

       etwas zu essen zu geben. Die Frau nahm die spitzen

       Eisenstücke und schnitt von den Eingeweiden des

       Tieres, in dem sie mit ihren Kindern steckte, Stücken

       ab. Dann rieb sie Holz gegeneinander; denn auch dies

       hatte das Ungeheuer mit verschluckt. Es gab Funken,

       und schließlich war ein großes Feuer entstanden, auf

       dem röstete sie das Fleisch. Der Häuptling der Tiere

       aber hatte große Schmerzen, brüllte laut und warf sich

       im Sande hin und her. Er befragte alle Tiere, was er

       zur Linderung seiner Pein tun könne, aber keines

       konnte ihm einen guten Rat geben. Endlich starb er

       unter großen Qualen. Die Mutter aber mit ihren Kindern

       arbeitete im Innern des toten Körpers immer weiter,

       bis sie ein großes Loch geschnitten hatten, aus

       dem kamen sie alle nacheinander hinaus. Es waren

       aber in dem Leibe des Ungeheuers auch Tiere gewesen,

       die verschluckt worden waren. Sie alle wurden

       nun befreit.

       Ein Ochse kam heraus und rief:

       »Muh, muh! wer hat mir geholfen?«

       Darauf ein Hund, der bellte:

       »Wau, wau, wer hat mich errettet?«

       Dann ein Affe:

       »Hi, hi«, lachte er, »wer half mir?«

       Darauf kamen Menschen und Vieh überein, daß die

       Frau, die sie so wunderbar errettet hatte, ihr Häuptling

       sein sollte.

       Die Löwin und die Antilope.

       (Suahelisage.)

       Eine Löwin hatte ein Junges. Da sie es eben zur Welt

       gebracht hatte, verspürte sie großen Hunger und

       konnte ihn gar nicht stillen. Am siebenten Tage beschloß

       sie, auf Raub auszugehen und zu töten, was ihr

       in den Weg käme. Auf ihrem Wege traf sie eine Antilope,

       die graste friedlich nahe dem Walde. Die Löwin

       schlich sich leise und vorsichtig dicht an das Tier

       heran. Gerade wollte sie losspringen, als die Antilope

       sich umsah und, die Löwin freundlich anblickend,

       rief: »Willkommen, Gevatter!« Da schämte sich die

       Löwin ihres bösen Vorhabens und verschonte die Antilope,

       die sie so freundlich begrüßt hatte.

       Goso1

       Ein Märchen aus Mombassa.

       Es war einmal ein Mann, der hieß Goso. Goso liebte

       die Kinder sehr und wurde von ihnen wieder geliebt.

       Er versammelte täglich eine Schar von Kindern um

       sich unter einem Affenbrotbaum und erzählte ihnen

       viele schöne Geschichten. Als er eines Tages wieder

       so mit ihnen die Zeit verschwatzte, kam eine Gazelle;

       die kletterte auf den Baum, brach eine Frucht ab und

       warf sie hinunter. Die Frucht traf Goso an den Kopf

       und schlug ihm eine tiefe Wunde, an der er verblutete.

       Als er tot war, begruben ihn die Kinder und weinten

       bitterlich. Als sie nun so allein unter dem Affenbrotbaume

       saßen, sprachen sie zueinander: »Wir müssen

       Rache nehmen an dem, der unseren Freund getötet

       hat. Laßt uns ausfindig machen, wer die Frucht brach

       und warf.«

       Als sie darüber nachdachten, wer wohl der Täter

       gewesen sei, kamen sie überein, daß kein anderer als

       der Südwind zu jener Zeit in den Zweigen des Affenbrotbaumes

       gewesen sein könne, und sie beschlossen,

       ihn zu schlagen. Deshalb fingen sie ihn und wollten

       eben mit der Züchtigung beginnen, als er zu ihnen

       sprach: »Ich bin der Südwind! Was tat ich euch, daß

       ihr mich fangt und schlagen wollt?« Sie antworteten:

       »Wir wissen sehr wohl, wer du bist! Du hast unseren

       Freund Goso getötet. Denn du hast von dem Baume

       die Frucht gebrochen und mit ihr den tödlichen Wurf

       ausgeführt! Wie konntest du!« Da sprach der Wind:

       »Wäre ich ein Häuptling, glaubt ihr, daß eine Steinmauer

       mir ein Hindernis in meinem Wege sein könnte?

       « Da gingen die Kinder zur Steinmauer und schlugen

       die. Diese aber sprach: »Was schlagt ihr mich?

       Was tat ich euch.« Sie antworteten: »Steinmauer, du

       Feindin des Südwindes! Du warst ihm ein Hindernis;

       deshalb floh er in den Affenbrotbaum, brach eine

       Frucht und tötete mit ihr unseren Freund Goso. Du

       solltest dich schämen!« Die Mauer entgegnete:

       »Wenn ich ein Häuptling wäre, dürfte keine Ratte ein

       Loch in mich bohren.« Da gingen die Kinder hin und

       schlugen die Ratte. Sie rief: »Mich schlagt ihr?

       Warum? Was habe ich getan?« Man antwortete ihr:

       »Du Ratte, hast ein Loch durch die Mauer gebohrt mit

       deinen scharfen Zähnen; da hielt die Mauer den Südwind