Gemeingefährlich. Fred Kruse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fred Kruse
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847668879
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da. In Einzelfällen hat es auch schon Fälle gegeben, in denen Roboter unerwartet reagierten, sich sozusagen spontan gewehrt haben.«

      »Ein Roboter, der sich wehrt?«

      »Ich rede von der Entwicklungsphase. Da gibt es schon Situationen, dass ein Roboter mit seinen Werkzeugen zuschnappt wie ein Tier, dem Schmerzen zugefügt werden. Die Systeme sind lernfähig, im Extremfall kann es also sogar vorkommen, dass ein Roboter versucht, weiteren negativen Reizen auszuweichen. In vielen Fällen ist das ja auch gewollt.«

      »Und was macht man, wenn es nicht gewollt ist?«

      »Dann ergreift man Gegenmaßnahmen. Wenn man kann, wird die Programmierung des zentralen Nervensystems geändert. In komplizierteren Fällen muss der genetische Code angepasst werden.«

      »Und sind Ihre Roboter ein einfacher oder komplizierterer Fall?«

      Auf Dawerows ohnehin feuchter Stirn bildeten sich jetzt die ersten Schweißperlen.

      »Unser Fall ist noch vielschichtiger gelagert. Die Roboter haben sich nicht einfach spontan gegen die Behandlung mit den neuen Programmiergeräten gewehrt. Sie sind auch nicht vor einer weiteren Anwendung der Geräte geflohen. Sie haben sich zusammengetan. Sie haben sich beschwert und die Arbeit verweigert.«

      »Das hört sich in der Tat nicht nach einem üblichen Verhalten von Robotern an. Was meinen Sie? Wie würden Sie dieses Verhalten bezeichnen?«

      Provozierend sah der luzanische Offizier Dawerow ins verschwitzte Gesicht. »Dieses Verhalten ist erschreckend menschlich«, antwortete der leise.

      »Das sehe ich auch so!«, erwiderte der Offizier. »Was gedenken Sie jetzt zu tun?«

      »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist uns ein Fehler unterlaufen. Diese Roboter verhalten sich nicht wie Maschinen. Wir müssen untersuchen, warum das so ist.«

      Wieder starrte der Offizier Dawerow einige Sekunden schweigend in die Augen, bis der Wissenschaftler den Blick senkte.

      »Was soll das Ziel Ihrer Untersuchung sein?«, fragte er schließlich.

      »Wir müssen herausfinden, ob das wirklich Roboter sind oder etwas anderes.«

      »Etwas anderes?«, fragte der Offizier scharf.

      »Menschen«, flüsterte Dawerow unsicher. »Vielleicht eine primitive Art von Menschen.«

      »Wenn ich richtig informiert bin, hat Professor Dramun bewiesen, dass es sich bei dem neuen Robotertyp um Maschinen und nicht um Menschen handelt.«

      Dawerow öffnete den Mund, aber bevor er etwas erwidern konnte, redete der Offizier weiter.

      »Der Rest der Welt hält Professor Dramun für ein Genie. Stimmen Sie dieser Ansicht zu?«

      »Ja, natürlich, keiner ist so gut wie Dramun, weder früher noch heute.«

      »Ich weiß, auch Sie sind ein großer Roboterexperte. Wie würden Sie sich einschätzen, Dawerow? Können Sie sich mit Professor Dramun vergleichen?«

      »Niemand kann sich mit Dramun vergleichen. Er ist der Größte.«

      »Dennoch maßen Sie sich an, ihm einen Irrtum nachweisen zu können.«

      Dawerow schluckte.

      »Auch Genies können sich in einzelnen Fragen irren«, erwiderte er trotzig.

      Karror starrte den Roboterexperten noch einen Moment ins Gesicht, dann senkte er nachdenklich den Blick. Schweigend starrte er eine Weile auf den Tisch vor ihm.

      »Uns läuft die Zeit davon. Wir brauchen diesen neuen Schirm«, sagte er schließlich. Er blickte auf und sah Dawerow wieder direkt in die Augen. »Wenn ich es richtig verstanden habe, können diese Roboter nicht mehr umprogrammiert werden, unabhängig von dem Ergebnis Ihrer Untersuchung.«

      »So könnte man es ausdrücken.« Der Experte spürte förmlich, wie die Falle um ihn herum zuschnappte.

      »Dann verschwenden Sie keine Zeit mehr mit dieser Serie. Es gibt bereits die Nachfolgegeneration 734. Bei der wurden im Übrigen von Anfang an die neuen Programmiergeräte eingesetzt, mit großem Erfolg. Die Tests der Prototypen sind sehr erfolgversprechend verlaufen.«

      »Aber die Serie ist noch weniger erprobt! Die Entwickler sträuben sich. Sie halten die 734 für noch nicht ausreichend getestet.«

      »Ach, die Forscher jammern doch immer. Überlassen Sie das mir. Sie bekommen die Serie.«

      »Und was machen wir dann mit den 733-ern?«

      »Was schon? Sie funktionieren nicht, also schalten Sie die Maschinen ab.«

      Dawerow merkte, wie ihm das Blut aus dem Kopf wich. Hatte er eben noch geschwitzt, breitete sich plötzlich eisige Kälte in seinem Inneren aus.

      »Aber wir müssen doch erst einmal feststellen, ob es sich wirklich nur um Roboter handelt«, wandte er tapfer ein.

      Wieder erntete er einen Blick, der auch mutigeren Menschen als dem Roboterexperten das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte.

      »Mein lieber Dawerow, haben Sie sich schon einmal überlegt, was passiert, wenn Ihre Untersuchung zu dem Schluss kommt, dass es sich bei diesen Robotern nicht um Maschinen handelt, sondern um Menschen?«

      Der Offizier genoss das Entsetzen, das das offene Aussprechen des Undenkbaren bei den Anwesenden auslöste.

      »Sie hätten dann in den vergangenen Tagen nicht irgendwelche Roboter programmiert, sondern Menschen gefoltert«, sagte er genüsslich. »Zu allem Überfluss hätten Sie dazu das am stärksten geächtete Folterinstrument der gesamten zivilisierten Welt benutzt.«

      Hämisch lächelnd sah Karror in die Runde.

      »Das gilt natürlich nicht nur für den Leiter des Forschungsteams, sondern auch für Sie, meine Damen und Herren.« Grinsend nickte der Offizier in Richtung von Dawerows Mitarbeitern. »Das Anwenden dieses Geräts zur Folter von Menschen wird von keinem Gericht unseres Staates entschuldigt. Sie alle werden auf Gorgoz landen.«

      Dawerows Mitarbeiter hatten bereits während des gesamten Gesprächs recht eingeschüchtert ausgesehen. Jetzt verloren ihre Gesichter jegliche Farbe.

      »Sehen Sie mich nicht so ängstlich an, meine Damen und Herren.« Karror streifte die Versammlung mit einem wölfischen Siegerlächeln. »Wir reden hier doch nur über rein hypothetische Überlegungen. Ich denke doch, niemand in diesem Raum wird das Urteil eines Genies, wie Professor Dramun, infrage stellen.«

      Dawerows Mitarbeiter nickten. Nur sein Kopf wollte sich nicht bewegen. Stocksteif saß er auf seinem Stuhl und konnte nicht anders, als den Offizier anzustarren.

      »Mein lieber Dawerow, es gibt keinen Grund für Ihr Entsetzen. Denken Sie an die Tausende von jungen Menschen, die in diesem grausamen Krieg gegen das aranaische Ungeziefer sterben.«

      Dawerows Kopf nickte, ohne das sein Hirn ihm den Befehl dazu erteilt hatte.

      »Es sterben täglich so viele Soldaten, dass man schon überlegt, junge Leute zwangszurekrutieren, um die Grenzen zu schützen. Gab es nicht auch in Ihrem Freundeskreis einen jungen Mann in dem Alter? Tomid war sein Name, wenn ich mich nicht irre. Stellen Sie sich vor, Ihr armer junger Freund würde zwangsweise in so ein Schiff direkt an die Front gesetzt.«

      Vor Dawerows innerem Auge entstand das Bild des jungen, zarten Tomid. Warme Sehnsucht flackerte kurz auf. Wie sehnte er sich nach dem Ende dieses Krieges und danach, wieder zu seinen Freunden zurückkehren zu können.

      Als er in die siegesbewussten Augen des Offiziers blickte, wandelten sich seine Gefühle in blanken Hass. Ja, die Militärs wussten, warum sie gerade einen Luzaner schickten. Jemand wie dieser Karror kannte alle Formen der Erpressung. Der Erfolg des luzanischen Offiziers lag darin, dass niemand bezweifelte, dass er rücksichtslos seine Drohungen umsetzen würde. Wahrscheinlich würde er sogar noch Vergnügen dabei empfinden.

      Karror erhob sich.

      »Ich freue mich, dass wir zu