Mörderliebe. Elke Maria Pape. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Maria Pape
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742738790
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wir Ihnen mitteilen wollten? Ihr Mann ist tot. Bitte bleiben Sie doch sitzen. Sie müssen sich jetzt erstmal um sich selbst kümmern. Bitte sagen Sie uns die Telefonnummer eines Verwandten oder Nachbarn, den wir benachrichtigen können!”

      Die Frau gab ihnen ein wenig zögerlich den Namen einer Nachbarin, und Reinhard Köhler ging aus dem Haus, um bei der genannten Frau zu klingeln. Eigentlich war er sogar froh, dass er kurz aus der Situation heraus kam.

      Am Nachbarhaus öffnete ihm eine resolut wirkende, zirka sechzigjährige Frau im Jogginganzug, die, als sie die schlimme Nachricht hörte, sofort bereit war, mitzukommen. „Oh Gott, die arme Frau!”, murmelte sie vor sich hin, wobei sie forschen Schrittes vor Reinhard Köhler zum Nachbarhaus ging: „Was soll sie jetzt nur machen, das Kind ist ja noch so klein. Und Frau Olischewski ist doch so unselbstständig. Ihr Mann hat immer alles geregelt, müssen Sie wissen!” Reinhard Köhler ging mit ihr zusammen zurück zum Haus der Olischewskis, öffnete die angelehnte Haustür und führte die Nachbarin in das Wohnzimmer, wo Frau Olischewski immer noch völlig regungslos auf dem Sofa saß, während Karla Albrecht ihre Hand hielt. Die beiden Kriminalbeamten versuchten noch, ein paar Fragen loszuwerden, und fanden so heraus, dass der Familienvater bei einer Firma für Landmaschinen als Vertreter gearbeitet hatte und viel unterwegs war, ansonsten aber, so sah es aus, ein völlig normales und ruhiges Leben geführt hatte. Schließlich mussten sie ihr, auch wenn es ihnen unsagbar schwer fiel, mitteilen, dass ihr Mann erschossen wurde und nicht durch einen Unfall ums Leben kam.

      Während die Nachbarin schreckensbleich die Hand an ihren Mund presste, blieb Frau Olischewski stumm und zeigte erneut keinerlei Reaktion.

      Ihre zarten Hände lagen gefaltet in ihrem Schoß. Ihre schmale Gestalt bot einen zerbrechlichen Eindruck und sie tat Karla aus tiefster Seele leid.

      Das Angebot, einen Arzt zu rufen oder sonstige professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, lehnte sie kategorisch ab. Allerdings war sie einverstanden, dass sich die Nachbarin in der kommenden Nacht um sie kümmern würde, bis ihre Eltern am darauf folgenden Tag eintrafen.

      Reinhard und Karla hatten die Frau schweren Herzens allein gelassen und waren noch bis Nachts um ein Uhr im Präsidium gewesen, um Berichte zu schreiben und die ersten Spuren auszuwerten.

      „Ja.“, bemerkte Reinhard und reckte sich in seinem Schreibtischstuhl nach hinten. „Das ist der Stand der Dinge. Zunächst müssen wir erstmal das Ergebnis der Spurensicherung abwarten und die Obduktion der Leiche. Vorher können wir nicht viel machen.”

      „Ich begreife das nicht. Ich meine, warum wird ein ganz normaler Familienvater mit einem ganz normalen Job mitten auf der Landstraße in seinem Auto erschossen? Das macht keinen Sinn!”, grübelte Karla und rieb sich mit den Fingerspitzen ihre Schläfen. „Und ist dir das komische Verhalten der Ehefrau aufgefallen? Im Grunde genommen hat sie sich gar nicht „verhalten“. Sie hat keinerlei Regungen gezeigt. Alles sehr seltsam! Ich nehme an, der Schock! O.K. Heute Nachmittag ist die Obduktion abgeschlossen, dann wissen wir vielleicht mehr. Und dann müssen wir Frau Olischewski erneut befragen”

      „Und die Nachbarn.”, ergänzte Reinhard.

      Kapitel 4

      Rosemarie versuchte Schritt zu halten und sie versuchte zu lächeln, wie sie es immer tat um möglichst unauffällig zu sein und keine Angriffsfläche zu bieten. Ihr Mann Roland schritt voran und griff zielsicher zu den Haushaltswaren in den Regalen. Der Supermarkt war um diese Zeit immer gut gefüllt, was ihr zusätzlich Panik bereitete. Ihre Haut fühlte sich heiß an, trotz der Kälte die draußen und auch hier drin herrschte. Manchmal, so wie auch heute quälten sie Sorgen, was diese Daueranspannung langfristig mit ihrem Körper machte. Sie hatte davon gelesen, dass sich Stress sehr negativ auswirkte, ähnlich wie Rauchen. Diese ständigen Stimmen, die sie drangsalierten, nicht gut genug zu sein, nicht zu genügen in dieser Welt. Rosemaries Angst verstärkte sich immer mehr und sie versuchte an etwas anderes zu denken.

      „Du könntest heute mal Medaillons braten, mit frischen Möhren und einer schönen Sauce! Was hältst du davon Schatz?”, fragte Roland und strich ihr mit kalten Fingern über die Wange. Sie zuckte zusammen, lächelte aber und nickte heftig. Er mochte es nicht, wenn sie seinen Aufforderungen nicht klare Signale der Zustimmung entgegen brachte. Sie versuchte gerade zu stehen, ihre Wunde am Bein schmerzte fürchterlich. „Geh in den nächsten Gang, dort sind die Saucen. Und hol nicht wieder die falschen!”, befahl er ihr. „Ich stelle mich schon mal an der Fleischtheke an.”

      Ohne ihre Antwort abzuwarten drehte er sich blitzartig um und verschwand in Richtung Fleischtheke. Rosemarie fuhr sofort mit ihrem Einkaufswagen in den nächsten Gang. Sie betete, dass diesmal die von ihm gewünschten Saucenpackungen im Regal standen. Jetzt konnte er sie nicht mehr sehen, jetzt durfte sie für einen Moment ihre Schmerzen zulassen und humpeln. Mühsam hatte sie schon den ganzen Nachmittag, seit er von der Arbeit gekommen war, versucht die Fassade aufrechtzuerhalten. Umso mehr kam jetzt der Schmerz zurück und der Schwindel.

      Doch, da waren sie!

      Gott sei Dank! Die richtigen Saucen! Sie hatte sie gefunden und spürte so wenigstens eine kleine Erleichterung. Sie stellte sich, soweit das möglich war, auf die Zehenspitzen und fingerte mit zittrigen Händen am oberen Regal herum. Schließlich bekam sie eine Packung zu fassen und ließ sie in den Wagen fallen. Aber sie brauchte zwei! Unruhig schaute sie sich um. Sie reckte sich hoch und bekam auch die zweite Packung in die Hände, aber leider purzelten danach noch vier weitere Saucenpackungen auf die Erde. Warum bloß war sie immer so ungeschickt?

       Schnell, schnell, bloß alles schnell aufheben!

       Du musst dich beeilen!

      Er war heute nicht gut drauf, wer weiß, was noch alles passieren konnte.

      Rosemarie bückte sich und versuchte das verletzte Bein möglichst gerade zu halten. Aber es schmerzte so sehr, dass sie sich fast auf den Boden hocken musste. Sie schwitzte schon wieder und aus ihrem Pferdeschwanz löste sich eine Strähne. Tränen rannen ihr übers Gesicht. Sie merkte es erst, als eine Haarsträhne auf ihrer Wange kleben blieb. Der Schwindel war kaum zu ertragen.

      Sie versuchte, den Schmerz irgendwie auszuschalten und wollte nach den Saucenpackungen auf der Erde greifen, als sie plötzlich wie aus dem Nichts eine Hand vorschnellen sah. Die Hand griff nach einer der Saucenpackungen und reichte sie ihr. Rosemarie fuhr erschrocken zusammen. Jetzt hatte das Zittern ihren ganzen Körper ergriffen.

      Neben ihr hockte Roland. Sie hatte etwas falsch gemacht, verdammt.

      Sie wagte nicht, zur Seite zu schauen.

      Roland hatte sie erwischt, schoss es ihr durch den Kopf. Er war Zeuge ihrer Ungeschicklichkeit geworden. Wieder einmal.

      Aber alles blieb ruhig. Verdächtig ruhig.

      Er war es gar nicht.

      Es war gar nicht Roland, der ihr half.

      Der Mann hatte kräftige Hände und eine sehr helle Haut. Weiß und kräftig! Sie riskierte einen scheuen Blick auf den Arm des Mannes und sah einen dichten Flaum feiner blonder Härchen. Außerdem nahm sie den schwachen Geruch eines würzigen Herrnduftes wahr.

      Rosemarie traute sich immer noch nicht, dem Mann, der ihr geholfen hatte, direkt ins Gesicht zu schauen oder gar sich zu bedanken. Als er wieder aufstand, hockte sie immer noch dort wie versteinert, unfähig zu handeln, so wie es immer war, wenn Menschen in irgendeiner Form nett zu ihr waren.

      Das kam schließlich selten vor. Ihr Körper fror dann förmlich ein und ihr Blick wurde starr, was von anderen fälschlicherweise als unhöflich angesehen wurde.

      Aber diese Situation war trotzdem anders. Der Mann stand immer noch neben ihr und sagte kein Wort. Warum nicht?

      Denk nach, zwang sie sich, der Mann will dir sicher nur helfen.

      Aber warum sagte er dann nichts?

      Während sie die ganze Zeit verlegen auf den Boden starrte bekamen ihre verwirrten Gedanken plötzlich eine Ahnung von dem Aussehen des Mannes.