Nina Hutzfeldt
Wellen der Vergangenheit
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Inhaltsverzeichnis
Prolog
Leevste Clara, Norddorf auf Amrum, Juli 2012
ik weet nich, wo ik düssen Breef anfangen schall. Ik weet nich mal warüm ik em eegentlich schrieven do? Villicht is dat mien schlechtet Geweeten, denn wat ik di andan heff, kann nüms verstahn. Siet den Dag as ik di to´n letzten Mal sehen heff, is schon ewig lang her. Menningmal sitt ik to huus an´t Fenster un stier up de See rut. De Wellen vertellen mi Geschichten vun damals, spölen Geheemnisse un Erinnerungen an den Strand. Mien Erinnerungen hauen mi üm un ik fang in mien Kopp an na goode Doug to söken, as wi Sandborgen an den Strand but, mit Vadder angelt un mit Mudder sungen hebbt. Wat weern dat doch för schöne Daag. Nu sitt ik hier un schriev di düssen Breef. Dat is een Breef vull vun Reue. Ik heff nich mehr veel Tied, denn ik warr bald starven. Allens wat ik will is, dat ik mien Freeden finden do. Ik bruunk em so, denn de Tied is knapp worrn. De gröttste Feind vun de Menschen is de Tied. Se kleddert över all Hindernisse un löppt di achteran as een Schatten. Du kannst di nich vör ehr versteeken, denn se find di un lunert bloots darup di mit sick to trecken. Ik bün bang, bang darvör in de Hölle to kamen un, dat du mi nich vergeeven kannst. Darüm bitt ik di mi to vergeeven, dat ik in Roh starven kann.
Dien Süster Ingrid
1
Als Nehle die Tür öffnete, trat ihr ein muffiger Geruch in die Nase. Als würden im Haus alte, nicht gewaschene Kleidungsstücke liegen. Sie rümpfte ihre Nase und blickte sich um. Alles war so geblieben, wie es die Vorbesitzer hinterlassen hatten. Eine dicke Staubschicht hatte sich auf der schokoladenbraunen Kommode in der Diele gebildet. Nehle strich mit ihren Finger darüber und pustete die Körner von ihrer Hand. Sie glitten tanzend, in dem grellen Sonnenlicht, zu Boden.
»Und wie gefällt es Ihnen?« Uwe Block, der Makler, schlenderte gemächlich hinter dem jungen Mädchen her. Er musterte sie auf eine Art, wie man junge Frauen in Diskotheken anschaute. Ihre langen, pechschwarzen Haare, die ozeanblauen Augen und die kindlichen Pausbäckchen. Einfach perfekt, dachte er und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Wo ist die Küche?« Nehle befand sich im Wohnzimmer und lugte durch die verdreckten Fenster hinaus. »Die Küche befindet sich im Untergeschoss.« Er tupfte sich mit einem Stofftaschentuch die Schweißperlen von der Stirn.
Der Sommer hatte sich lange zurückgehalten und war erst im August ausgebrochen, so dass sich noch viele spontane Besucher auf die kleine Urlaubsinsel Amrum angekündigt hatten.
Nehle gehörte zu dem kleinen Polizeirevier in Nebel. In dem sie zusammen mit ihrem langjährigen Kumpel Timo, Polizeimeister Constantin Sauer und Helmut ein pensionierter Beamter, der sich mit dem Rentendasein noch nicht angefreundet hatte, arbeitete. Auf der Insel gab es nicht viel zu tun. Mehrere kleine Delikte, wie gestohlene Handtücher am Strand, klauen in den Supermärkten oder Streitereien zwischen Touristengruppen, machten den Alltag lebenswert. Deshalb hatte der Funkspruch von Constantin, der von allen nur Conni genannt